Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Europäisches Parlament will Mutterschutz auf 20 Wochen verlängern

(Solveig Müller)

Der Ausschuss des Europäischen Parlamentes für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) hat am 23. Februar 2010 einen Bericht der portugiesischen Sozialdemokratin Edite Estrela (S&D) zu Mindeststandards des Mutterschutzes angenommen.

Der Bericht sieht vor, dass jede Arbeitnehmerin einen Anspruch von mind. 20 Wochen ununterbrochenen Mutterschutz hat. Davon sollen sechs Wochen obligatorisch nach der Entbindung genommen werden. Diese Regelung soll auch dann bestehen, wenn einzelstaatliche Rechtsvorschriften einen verbindlichen Mutterschutz vor der Entbindung vorsehen. Es müsse jedoch gewährleistet werden, dass sich jede Arbeitnehmerin frei und ohne Zwang für oder gegen den nicht obligatorischen vorgeburtlichen Teil des Mutterschutzes entscheiden kann. Der innerhalb des EP umstrittene Bericht spricht auch verpflichtenden Vaterschaftsurlaub an, was einige Abgeordnete, aber auch die EU-Kommission als zu weitgehend kritisieren. Väter sollten das Recht auf mindestens zwei Wochen vollbezahlten Vaterschaftsurlaub innerhalb der Zeit des Mutterschutzes nach der Entbindung haben. Die neue Richtlinie soll außerdem für Heimarbeiterinnen und Selbständige gelten sowie für Eltern, die ein Kind adoptieren, das jünger als zwölf Monate ist.

Edita Estrela plädiert in ihrem Entwurf für die volle Lohnfortzahlung während der verpflichtenden sechs Wochen Mutterschutz. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmerin entweder 100 % des letzten Monatseinkommens bzw. das durchschnittliche Monatsgehalt gezahlt werden soll. Für die restliche Zeit soll ihr mind. 85 % ihres Gehaltes zustehen. Kündigungsschutz sollte mit Beginn der Schwangerschaft bis mind. sechs Monate nach Beendigung des Mutterschutzes bestehen. Trotz dieser Regelung heißt es in einer missverständlichen Formulierung sinngemäß, sollte dennoch eine Kündigung ausgesprochen werden, müsse diese schriftlich „gebührend“ begründet werden.

Nach Mutterschutz und Vaterschaftsurlaub sollten Mütter und Väter berechtigt sein, den bisherigen Beruf wieder aufzunehmen bzw. eine „gleichwertige“ Tätigkeit auszuführen, d.h. eine Tätigkeit, die sowohl in fachlicher als auch finanzieller Hinsicht dem vormals ausgeübten Beruf gleicht. Schließlich weist der Bericht darauf hin, dass die vorgeschlagenen Bestimmungen zum Mutterschutz nicht im Widerspruch zu den nationalen Regelungen stehen sollten. Diese dürften nicht untergraben werden. Vielmehr sollen sich Mutterschutz, Vaterschaftsurlaub und Elternzeit positiv ergänzen, sodass eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie möglich sei. Daher schlussfolgert der Bericht, er gebe Mindestanforderungen vor, die die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, „günstigere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten“. Durch die Umsetzung der Richtlinie dürfe es nicht zu einer Senkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus kommen.

Am 24. und 25. März 2010 sollte im Plenum des Europäischen Parlaments über die Mindestdauer des Mutterschutzes entschieden werden. Die Abstimmung wurde allerdings auf eine Plenarsitzung am 18. Mai 2010 in Straßburg vertagt. Aufgrund von verschiedenen Bedenken hatten die Fraktionen vereinbart, bis dahin von externen Prüfern eine Folgeabschätzung vornehmen zu lassen.

Zurückhaltung gegenüber dem Bericht gab es neben handwerklichen Fehlern v.a. aufgrund der Befürchtung, dass die Ausdehnung des Mutterschutzes enorme Kosten für Regierungen und Arbeitgeber verursachen würde. In Deutschland werden bisher drei Viertel des Einkommens während der Zeit des Mutterschutzes durch die Arbeitgeber finanziert – das sind ca. 1,6 Mrd. jährlich. Würde der Mutterschaftsurlaub von den in Deutschland üblichen 14 auf 20 Wochen erhöht, hätte dies bei voller Lohnfortzahlung eine Steigerung der Kosten um ca. 700 Mio. Euro pro Jahr zur Folge. Dadurch ergeben sich die Bedenken, ob eine Verlängerung des Mutterschutzes zum Einstellungshindernis junger Frauen werden könnte. Zum anderen scheint die deutsche Kombination des Mutterschutzes und der Elternzeit in Gefahr, die den Eltern 170 arbeitsfreie Wochen gewährt. Deutsche Parlamentarier fordern eine Ausnahmeregelung für Deutschland, die eine Beibehaltung der 14 Wochen Mutterschutz aufgrund der max. möglichen 156 Wochen Elternzeit erlaubt. Bedenkenswert ist weiterhin, dass der Bericht keinen obligatorischen Mutterschutz vor dem Geburtstermin vorsieht. Es ist fraglich, ob sich Schwangere in ihrem Arbeitsalltag tatsächlich frei dazu entscheiden können, die nichtobligatorischen Wochen des Mutterschutzes ihren Bedürfnissen entsprechend in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird von deutscher Seite gefordert, dass Regelungen zum Vaterschaftsurlaub nicht innerhalb der neuen Mutterschutzrichtlinie vorgenommen werden sollten, sondern auch auf europäischer Ebene vielmehr in die Regelungen zum Elternurlaub gehören. Eine entsprechende Elternurlaubsrichtlinie liegt dem Rat der Europäischen Union derzeit zur Annahme vor.

Den FEMM-Bericht finden Sie unter:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2010-0032+0+DOC+XML+V0//DE 



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