Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Europäische Kommission will geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede deutlich ausgleichen

(Solveig Müller)

Im Zusammenhang mit dem 150. Internationalen Frauentage kündigte die Europäische Kommission am 5. März 2010 an, sie plane eine Reihe von Maßnahmen, um die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen, d.h. die durchschnittliche Differenz der Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen in der gesamten Volkswirtschaft, auszugleichen.

Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit – das ist eines der Gründungsprinzipien der EU, das 1957 im Artikel 119 des Vertrages von Rom verankert wurde. 1975 trat die Richtlinie 75/117/EEG in Kraft, die eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen vorsieht. Laut der Eurobarometer-Umfrage „Gender equality in the EU in 2009“, die im Februar 2010 veröffentlicht wurde, verdienen Frauen europaweit durchschnittlich jedoch noch immer ca. 18 % weniger als Männer. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten sind erheblich. In Italien, Slowenien, Belgien, Rumänien, Malta, Portugal und Polen liegt der Differenz bei weniger als 10 %, in der Slowakei, Großbritannien, Zypern, Litauen, Griechenland, Deutschland (23,2 %) und in den Niederlanden sind es mehr als 20 % und in Österreich, in der Tschechischen Republik und Estland sind es sogar mehr als 25 % Lohngefälle.

Die Gründe für die gravierenden Gehaltsunterschiede sind vielgestaltig. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Wertschätzung von Arbeit. Die fortbestehenden Entgeltunterschiede lassen den Schluss zu, dass Berufe und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, geringer geschätzt werden als die der Männer. In diesem Zusammenhang steht die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes. Die Erwerbstätigkeit von Frauen konzentriert sich offensichtlich auf sehr viel weniger Branchen und Berufe als die von Männern. Nahezu 40% der Frauen arbeiten im Gesundheitswesen, im Ausbildungssektor oder in der öffentlichen Verwaltung. Nur 20% der Männer arbeiten in diesen Bereichen. Frauen sind oft als ungelernte oder nur gering qualifizierte Arbeitskräfte tätig. Demgegenüber sind nur ein Drittel der Führungspositionen in europäischen Unternehmen mit Frauen besetzt. Erziehungsklischees und bildungsspezifische Vorurteile beeinflussen die Wahl von Ausbildungswegen, die Bewertung und Einstufung von Berufen, aber auch die Teilnahme am Erwerbsleben im Allgemeinen. Für Frauen ist es schwieriger als für Männer, Berufs- und Privatleben zu vereinbaren. Beinahe ein Drittel aller Frauen arbeitet in Teilzeit, während es bei den Männern gerade 8 % sind. Frauen unterbrechen viel häufiger ihre Erwerbstätigkeit, um Familienmitglieder – die Kinder oder Eltern – zu betreuen. Das wirkt sich erneut negativ auf die berufliche Karriere aus. Natürlich kann Teilzeitarbeit auch auf persönliche Präferenzen zurückzuführen sein und die Teilnahme von Frauen am Erwerbsleben fördern. Dennoch machen die Zahlen deutlich, dass Männer und Frauen nicht in gleichem Maße eigenständig über ihr Berufsleben entscheiden können. Elternschaft senkt die Erwerbsquote von Frauen dauerhaft, die von Männern dagegen überhaupt nicht. Demzufolge weist die Karriere von Frauen häufiger Unterbrechungen auf, verläuft langsamer und ist kürzer, so dass Frauen kein so hohes Gehaltsniveau erreichen wie Männer. Das hat wiederum bedeutende Auswirkungen auf die finanziellen Rücklagen und die Rentenanwartschaften von Frauen. Daher sind Frauen dem Armutsrisiko auch stärker als Männer ausgesetzt. 22 % der über 65-jährigen Frauen sind armutsgefährdet, allerdings nur 16 % der Männer.

Europa kann sich jedoch geschlechtsspezifische Lohndifferenzen nicht leisten. Ergebnissen einer Studie zufolge, die 2009 unter schwedischer Ratspräsidentschaft angefertigt wurde, könnte die Beseitigung der Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern in den EU-Mitgliedstaaten zu einem Anstieg des BIP um 15-45 % führen.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung heißt wie so oft „Sensibilisierung der Öffentlichkeit“: eine EU-weite Kampagne soll über die Ursachen geschlechtsspezifischer Lohnunterschiede und mögliche Lösungsansätze informieren. Gütesiegel, Satzungen und Auszeichnungen für Gendergerechtigkeit in Unternehmen sollen die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz fördern. Gemeinsam mit den europäischen Sozialpartnern will die Europäische Kommission prüfen, inwieweit die Berichterstattung über geschlechtsspezifische Lohnunterschiede und die Gewährleistung von Lohntransparenz auf Unternehmens-, Einzel-, und Tarifebene sinnvoll wäre. Es soll auch untersucht werden, welche Auswirkungen eine strengere Verpflichtung zur Gewährleistung geschlechtsneutraler Stellenbeschreibungen und Lohntarife hätten. Schließlich wird auch über angemessenere Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Gebot des gleichen Entgeltes für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit nachgedacht.

Die Eurobarometer Umfrage zu „Gender equality in the EU in 2009“ finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb_special_en.htm



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