Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Nach Kopenhagen: Wie sich die EU in den Weltklimaverhandlungen neu aufstellt

(Patrick Roger Schnabel)

Bereits am 18. Februar 2010, kurz nach der Bestätigung der neuen EU-Kommission, hat deren Präsident, Manuel Barroso, einen Brief an die Staats- und Regierungschefs der Union geschrieben, in dem er auf die geplanten Schritte seiner Behörde im post-Kopenhagen-Prozess hinweist. Kern der Botschaft war, dass die EU an ihrem ambitionierten Verhandlungsziel von 30% Reduzierung bis 2020 festhalten wolle und doch noch den für die Umsetzung dieses konditionalen Zieles notwendigen Schulterschluss der großen CO2-Emittenten aushandeln wolle. Mit gutem Beispiel zu führen und die anderen Staaten mitzuziehen bleibe die richtige Strategie, auch wenn sie in Kopenhagen noch nicht aufgegangen sei. Barroso stellt die Klimaziele dabei ausdrücklich in den Kontext der Europa-2020-Strategie der Union, die die alte Lissabon-Strategie ablösen und dabei stärker auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit setzen soll. Den Klimawandel zu bewältigten sei ein zentrales Element für Wachstum, Arbeitsplätze und Energiesicherheit. Klimakommissarin Connie Hedegaard sei beauftragt, die internationalen Partner wieder in den Verhandlungsprozess zu holen. Gleichzeitig müsse man damit beginnen, das Finanzierungsinstrument, mit dem Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel und dem industriellen Strukturwandel zur kohlenstoffarmen Wirtschaft geholfen werden soll, zügig auf den Weg zu bringen. Der Präsident erinnert in diesem Zusammenhang ausdrücklich daran, dass es die armen und verwundbaren Staaten waren, die der europäischen Position den größten politischen Rückhalt in Kopenhagen gegeben haben. Die Ergebnisse der Gespräche Hedegaards und die weiteren Schritte sollten Thema der nächsten Sitzungen des Europäischen Rates sein.

Am 9. März 2010 legte die Kommission dann offiziell ihre Strategie vor: Bemerkenswert ist, dass eingeräumt wird, dass es auch in Cancun allem Anschein nach keine Einigung auf einen rechtsverbindlichen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll geben wird, wenn auch natürlich alle Verhandlungsanstrengungen genau darauf hin liefen. Realistischere Chancen sehe man allerdings für 2011. Am Ziel eines solchen weltweiten Klimaschutzabkommens halte man in jedem Fall fest. Die Vereinbarung von Kopenhagen solle als Schritt in die richtige Richtung Ausgangspunkt künftiger Verhandlungen sein. Wichtig sei eine hohe Umweltwirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen und die Schließung der Lücken des Kyoto-Protokolls, sowohl was die Urheber der Emissionen angeht (alle Staaten müssen sich beteiligen), als auch deren Quellen (Einbeziehung von Forstwirtschaft etc.). Auch in der Mitteilung zur Strategie spielt die Frage der Anschubfinanzierung für die Hilfen für Entwicklungsländer eine wichtige Rolle: 2010-2012 sollen jährlich 2,4 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Schließlich sieht die Kommission im CO2-Handel ein unabdingbares Instrument, den Treibhausgasausstoß effektiv zu verringern.

Aus dem Europäischen Parlament (EP) gab es indes Kritik am Festhalten der Kommission an der bisherigen Verhandlungsstrategie, die viele als gescheitert betrachten, zumal die EU in Kopenhagen nicht nur inhaltlich, sondern auch praktisch isoliert wurde und an den entscheidenden Verhandlungen gar nicht teilnehmen konnte. So riet etwa Jo Leinen (S&D), der Vorsitzende des Umweltausschusses, dazu, statt auf ein baldiges und bindendes internationales Abkommen auf bilaterale und sektorale Verträge zu setzen, die etwa gezielt den Waldschutz, die Luft- und Seefahrt etc. betreffen.

Problematischer noch als die Verhandlungen mit Drittstaaten ist, dass nach dem Scheitern in Kopenhagen auch der innereuropäische Konsens, der ohnehin schon brüchig war, auseinanderzubrechen droht. Einige Staaten, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, möchten nun keine weiteren Verpflichtungen eingehen. Aber auch Deutschland sperrt sich gegen die von Frankreich und dem Vereinigten Königreich erhobene Forderung, unilateral und unkonditional 30% Reduktion bis 2020 festzuschreiben. Wie die deutsche Weigerung mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel einer nationalen Reduktion um 40% überein zu bringen ist, bleibt einstweilen unerklärlich, wenn man das nationale Ziel ernstnimmt – denn die Wettbewerbsfähigkeit würde es ja nicht zusätzlich belasten. Zudem sagen alle Prognosen, dass schon durch die Wirtschaftskrise allein 20% weniger Emissionen zu verbuchen waren, und auch bei einer wirtschaftliche Erholung das 20%-Ziel 2020 sogar ohne große buchhalterische Transfers zwischen den EU-Staaten sogar übererfüllt wird. Das 30%-Ziel wäre also eines, das im Gegensatz zum bisherigen 20%-Ziel Anstrengungen erfordern würde, aber ganz und gar nicht unrealistisch wäre. Investitionen in Forschung, Entwicklung und Anwendung „grüner“ Technologien sind  aber gleichzeitig auch die Impulse, die der europäischen Wirtschaft derzeit Wachstum versprechen.

Die EU-Strategie finden Sie hier:
http://ec.europa.eu/environment/climat/future_action_com.htm 



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