Eine Frage der Fairness: Vorschlag der EU-Kommission für eine europäische Finanztransaktionssteuer

(Christoph Schnabel)

Am 28. September 2011 hat die Europäische Kommission ihre Pläne für eine Finanztransaktionssteuer publik gemacht, nachdem sich das EU-Parlament bereits im März 2011 für eine solche Steuer ausgesprochen hatte.

 

Die Steuer soll auf Transaktionen zwischen allen Finanzinstituten erhoben werden, sofern mindestens eine Transaktionspartei in der EU ansässig ist. Somit wären auch Geldgeschäfte steuerpflichtig, die außerhalb der EU durchgeführt werden. Der Handel mit Anteilen und Anleihen würde mit einem Steuersatz von 0,1 Prozent und Derivat­kontrakte mit einem Steuersatz von 0,01 Prozent besteuert. Die Europäische Kommission rechnet dabei mit einer jährlichen Einnahme von etwa 5 Milliarden Euro.

 

Dies soll aber nicht zu Lasten der breiten Bevölkerung geschehen. Die Kommission hat hervorgehoben, dass Bürger und Unternehmen von der Steuer ausgenommen wären. Hypotheken, Kredite, Versicherungsverträge und andere reguläre Finanztätigkeiten von Privatpersonen oder kleinen Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Vorschlags der Kommission. Vielmehr soll der Finanzsektor, der eine wichtige Rolle bei der Auslösung der gegenwärtigen Finanzkrise gespielt hat, einen angemessen Beitrag zu deren Beseitigung leisten.

 

EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso begründete die Notwendigkeit einer Finanztransaktionssteuer in seiner Ansprache zur Lage der Union am 28. September ausdrücklich mit dem Gebot der Gerechtigkeit. "Es ist eine Frage der Fairness. Wenn unsere Landwirte, wenn unsere Arbeiter, wenn alle Sektoren der Wirtschaft von der Industrie bis zur Landwirtschaft und den Dienstleistungen, wenn sie alle einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, dann sollte dies der Bankensektor auch tun."

 

Die Idee für eine Finanzsteuer lässt sich bereits bei John Maynard Keynes finden und wurde erneut von dem Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin 1972 aufgeworfen. Die ursprünglichen Ideen hat die Kommission wesentlich weiterentwickelt. Gegenwärtig plant sie die Einführung der Transaktionssteuer in allen 27 EU-Staaten, wofür die Zustimmung aller Länder nach dem Einstimmigkeitsprinzip notwendig wäre. Dabei sind die Nicht-Euro-Länder Großbritannien und Schweden noch skeptisch. Somit wäre es eine Möglichkeit, die Steuer in einem ersten Schritt nur im Euro-Raum einzuführen. In diesem Szenario sind noch Bedenken aus Irland auszuräumen.

Parallel zu den europäischen Bestrebungen wurde eine internationale Abstimmung bezüglich der Transaktionssteuer im Rahmen des G-20 Gipfeltreffens im November in Cannes anvisiert. Die Länder der Eurozone konnten sich jedoch mit ihrer Vorstellung einer weltweiten Finanztransaktionssteuer nicht durchsetzten.

 

Bereits vor dem G- 20 Gipfel kündigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble entschiedene Schritte an: "Wenn wir dort keine Einigung erzielen, bin ich dafür, in Europa anzufangen". Der belgische Finanzminister Didier Reynders ließ im Nachgang der Verhandlungen in Cannes verlauten, dass eine pragmatische Lösung richtungweisend sei. "Wenn man die Finanztransaktionssteuer in der EU einführen könnte, wäre das eine gute Entwicklung. Wenn das nicht geht, müssen wir es eben in der Eurozone schaffen. Es muss möglich sein", sagte Reynders am 08. November 2011 beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel. Seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter unterstützte diesen Ansatz, "weil wir damit auch ein Signal an den Markt senden. Uns bereiten die Märkte Probleme, also sollen sie selber auch zur Stabilisierung beitragen."

 

Die wachsende politische Zustimmung für eine Finanztransaktionssteuer folgt einer längeren zivilgesellschaftlichen Forderung nach einer Besteuerung von Finanzgeschäften. Bereits vor dem Aufkeimen der „Occupy“ Bewegung waren kirchliche Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen Befürworter dieser Steuer. Das kirchliche Engagement in dieser wichtigen Frage wurde ebenso von Mitgliedern des Europäischen Parlaments als wegweisend wahrgenommen. So schreibt Sven Giegold (GRÜNE) in der Zeitschrift ‚zeitzeichen‘ (Nov. 2011), dass „erst durch das Engagement der Kirchen die größere Offenheit“ für die Steuer entstanden sei.

 

Weitere Informationen finden Sie unter:

http://europa.eu/rapid

 

Weitere Erläuterungen zur Finanztransaktionssteuer finden Sie unter:

http://europa.eu/rapid



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