Kommission veröffentlicht Entwürfe zur Reform der Vorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

(Christopher Hörster)

Die Europäische Kommission hat am 16. September 2011 vier Entwürfe veröffentlicht, die Vorschläge für eine Reform der EU-Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse enthalten.

 

Was eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstellt, ist in der EU nicht einheitlich festgelegt. Das Verständnis einer solchen Dienstleistung hängt stark von den Bedürfnissen der Bürger sowie von den sozialen und politischen Präferenzen der jeweiligen Mitgliedstaaten ab. Nach dem deutschen Verständnis, welches auch von den Kirchen geteilt wird, stellen die sozialen Dienstleistungen, wie Gesundheitsdienste, Kinderbetreuung und Ähnliches, einen zentralen Teil der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dar. Um dafür Sorge zu tragen, dass die Besonderheiten der freien und kirchlichen Wohlfahrtspflege bei der Reform Berücksichtigung finden, hat sich das EKD-Büro Brüssel zusammen mit dem Kommissariat der Deutschen Bischöfe in Berlin durch eine gemeinsame Stellungnahme an der Konsultation die Vorschläge betreffend beteiligt.  

 

Die sozialen Dienstleistungen spielen bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft eine zentrale Rolle. Viele dieser Leistungen können ohne finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten an den jeweiligen Dienstleister nicht erbracht werden. Wo allerdings stattliche Mittel einem Dienstleiter zufließen, der tatsächlich oder potentiell mit anderen Dienstleister in Konkurrenz steht, entstehen Konflikte mit den Beihilfevorschriften der EU (Art. 107 – 109 AEUV). Die erklärte Intention der Kommission war es, durch die Vorschläge mehr Klarheit über die europarechtsrechtskonforme Möglichkeit zur Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu schaffen und der Vielfalt der verschiedenen Arten öffentlicher Dienstleistungen gerecht zu werden.

 

Im Entwurf der „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften“ wird definiert, wann Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht von den EU-Beihilfevorschriften erfasst sind. Im Wesentlichen interpretiert die Kommission dabei die Rechtsprechung des EuGH im Fall „Altmark-Trans“, die diesbezüglich genaue Kriterien formuliert. In der „Mitteilung der Kommission: EU-Rahmen für staatliche Beihilfen“ wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Beihilfe nach Anmeldung bei der Kommission (Art. 108 Abs. 3 AEUV) genehmigt werden kann. 

 

Aus kirchlicher Sicht von zentralerer Bedeutung sind allerdings die anderen beiden veröffentlichten Vorschläge, mit denen sich auch die eingebrachte Stellungnahme ausführlicher auseinandersetzt: Zum einen der „Beschluss über die Anwendung von Art. 106 AEUV“, zum anderen der Entwurf einer De-minimis Verordnung speziell für lokale Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.

 

Der „Beschluss über die Anwendung von Art. 106 AEUV“ legt fest, wann eine Beihilfe unter die Ausnahmeregelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV fällt und deswegen nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission vor Gewährung angemeldet werden muss. Beihilfen, die unter den Beschluss fallen, sind also ohne vorherige Genehmigung möglich und daher schneller und einfacher zu gewähren als solche, die der vorherigen Genehmigung unterliegen. Kritikwürdig war im Vorschlag der Kommission insbesondere, dass die generelle Schwelle für Beihilfen, die unter die Ausnahmevorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV fallen können, von 30 auf 15 Millionen Euro gesenkt werden soll.

 

Der Entwurf einer De-minimis-Verordnung sieht vor, lokale Dienstleistungen ebenfalls von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zu befreien, wenn die Förderung 150.000 Euro pro Steuerjahr nicht überschreitet. Nach dem Entwurf soll eine Dienstleistung allerdings nur dann als „lokal“ gelten, wenn die gewährende Behörde weniger als 10.000 Einwohner vertritt. Diese Definition wurde im Rahmen der Konsultation massiv kritisiert, da es für die Frage, ob eine Dienstleistung nur lokaler Natur ist, nicht auf die Größe der gewährenden Behörde, sondern nur auf die Auswirkung der Dienstleistung am Mark ankommen kann. Ferner würden so Verwaltungsstrukturen, die aus Effizienzgründen größere Bevölkerungsteile abdecken, benachteiligt.

 

Die Intention der Kommission, mehr Klarheit in die Anwendung der komplexen Beihilfevorschriften zu bringen, sowie neue Ausnahmevorschriften speziell für lokale Dienstleistungen zu schaffen, ist zu begrüßen. Allerdings ist dieses Ziel durch die Vorschläge nicht durchgängig erreicht. Zu hoffen bleibt, dass die Argumente der Kirchen in der Meinungsbildung der Kommission Wirkung zeigen.

 

Die Dokumente finden Sie unter:

http://ec.europa.eu



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