Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

Europäische Kirchen geschlossen für Sonntagsschutz der Arbeitnehmer

Patrick Roger Schnabel

Am 4. November 2008 beriet der Ausschuss für Soziales und Beschäftigung des Europäischen Parlaments (EP) über die Revision der Arbeitszeitrichtlinie. Diese gehört zu den umkämpfteren Legislativprojekten dieser EU-Kommission, da u.a. die Gewerkschaften die Möglichkeit individueller Ausnahmevereinbarungen (opt-outs) zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden scharf angreifen. Der Berichterstatter im Ausschuss, der spanische Sozialist Alejandro Cercas zeigte sich entschlossen, diese Regelung zu kippen, auf die wiederum das Vereinigte Königreich im Rat besonderen Wert gelegt hatte.

Doch auch die Kirchen trugen einen Wunsch an die Parlamentarier heran: Die in der alten Richtlinie und im Neuentwurf verbindlich vorgeschriebene wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden sollte „in der Regel den Sonntag einschließen" (vgl. Europa-Informationen Nr. 125). Leider kam dieser Vorschlag im Ausschuss nicht zur Abstimmung: Berichterstatter und Ausschussvorsitz waren sich einig, dass er gegen die Geschäftsordnung verstoße, weil er im Vergleich zur ersten Lesung einen gänzlich neuen Aspekt einbringe. Es steht jedoch zu vermuten, dass sich hinter dieser Ablehnung politisches Kalkül versteckte: zur Auseinandersetzung über die Höchstarbeitszeit sollte nicht noch ein Konfliktpunkt hinzu kommen.

Dennoch hält die EKD mit ihren ökumenischen Partnern, den katholischen (COMECE) und nichtkatholischen (KEK) Kirchen, eine Diskussion im Parlament für erforderlich. Der Sonntag trägt wie kein anderer Wochentag zu den Hauptzielen sozialverträglicher Arbeitszeitgestaltung bei: durch Vermeidung von Stress und die Förderung von Familie und sozialem Zusammenhalt. Obwohl die angestrebte Regelung den Sonntag nicht verbindlich für alle durchsetzen würde, gäbe sie als europäische Rahmenvorgabe doch ein neues Argument in der nationalen Diskussion. Dies trifft für Deutschland zu, in dem mehr und mehr Bereiche vom Verfassungsgebot des Sonntagsschutzes ausgenommen werden, seitdem die Föderalismusreform die Ladenöffnungszeiten in die Kompetenz der Bundesländer überführt hat. Nicht nur in Berlin — gegen das die evangelische Kirche deswegen schon Verfassungsklage erhoben hat — sondern flächendeckend müssen immer mehr Menschen am Sonntag arbeiten. Auch in Frankreich wünscht sich Präsident Sarkozy von seinen Parlamentariern, dass sie die Sonntagsregelungen lockern.

Unterstützung erhalten die Kirchen vor allem von den Gewerkschaften. In einigen Staaten sind diese mit den Kirchen in „Allianzen für den freien Sonntag" zusammen geschlossen. Doch auch kleine und mittlere Betriebe des Einzelhandelns sehen die Entwicklung mit Sorge: Große Discounter und Ketten, die genügend Mitarbeiter haben, um zehn und mehr Stunden an sieben Tagen öffnen zu können, wollen mit ihren Vorstößen für eine Liberalisierung die begrenzte Kaufkraft der Konsumenten stärker auf sich lenken.

Eine Chance hat der ökumenische Vorstoß noch: Wenn die Juristen der Parlamentsverwaltung und der Präsident des EP, der deutsche Christdemokrat Hans-Gert Pöttering, ihrer Argumentation für eine Zulässigkeit des Antrags folgen, könnte er auf der Plenarsitzung vom 17. Dezember 2008 diskutiert und abgestimmt werden. Entscheidend ist neben rechtlichen Überlegungen wohl hauptsächlich, welche Seite politisch stärker wirkt: Die kirchlichen Vertretungen in Brüssel haben dafür jüngst Unterstützung von der EKD-Synode erhalten, die sich für eine europäische Rahmenvorgabe zum Sonntagsschutz ausgesprochen hat.

Hier finden Sie den Beschluss der EKD-Synode:
http://www.ekd.de/synode2008/beschluesse/beschluss_sonntagsschutz.html

Besuchen Sie auch:
http://www.ekd.de/sonntagsruhe/endlich-sonntag/



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