Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

EU-Kommission beschließt Aktionsrahmen zur Finanzkrise

Patrick Roger Schnabel

Nach einer ersten Mitteilung vom 29. Oktober 2008 hat die EU-Kommission am 26. November ihren endgültigen Vorschlag für einen Aktionsrahmen zur Krise der Finanzmärkte vorgelegt. Der Europäische Rat soll am 11./12. Dezember darüber befinden. Im Kern geht es um eine koordinierte Antwort der 27 EU-Staaten auf die zu erwartende Verlangsamung des Wachstums oder Rezession. Doch auch mittel- bis längerfristige Ziele werden in den Blick genommen: von einer besseren Überwachung der internationalen Finanzmärkte bis hin zu einer Weichenstellung für innovative „grüne" Technologien. Dabei gibt es drei Schwerpunktbereiche: Eine neue europäische Finanzarchitektur, eine Abfederung der Wirkung auf die Realwirtschaft und schließlich eine Strategie für eine globale Reaktion.

Die Kommission macht sehr deutlich, dass Koordinierung nicht bedeutet, den gleichen Ansatz in allen Mitgliedstaaten zu verfolgen. Die konkreten Maßnahmen müssten für die jeweilige Situation maßgeschneidert werden. Jedoch wäre ein rein nationaler Ansatz nicht ausreichend: Ähnliche Weichenstellungen und auch solidarisches, gesamteuropäisches Engagement seien notwendig, den gemeinsamen Binnenmarkt auch in der Krise funktionstüchtig zu erhalten. Dazu wird eine zusätzliche Investition i. H. v. 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts der EU vorgeschlagen. Die notwendigen 200 Milliarden Euro sollen aus nationalen Haushalten, dem EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank aufgebracht werden.

Alle Maßnahmen sollen im Rahmen der Lissabon-Strategie stehen und diese ergänzen. Folglich stehen erhöhte Investitionen in Forschung und Entwicklung, Flexicurity und Erleichterungen für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) im Vordergrund. Für gezielte Hilfen sei notwendig, die Überwachung der Auswirkungen sektorenweise aufzuschlüsseln. Das müsse auch europäisch geschehen. Trotz der vorgeschlagenen Sonderausgaben betont die Kommission, dass die Krise nicht dazu dienen dürfe, die langfristigen Ziele der Haushaltskonsolidierung zu gefährden. Außerordentliche Ausgaben müssten begründet, gezielt und zeitlich begrenzt sein. Von der Vorgabe, 3 % Defizit nicht zu überschreiten, werde nicht abgewichen. Allerdings würden bei der Berechnung solche Belastungen berücksichtigt, die sich direkt aus dem Zusammenbruch der Märkte ergeben haben: politische Fehlentscheidungen dagegen blieben unentschuldbar.

Aus kirchlicher Sicht besonders begrüßenswert sind zwei Aspekte:

Erstens betont die EU-Kommission, dass die Krise keine Entschuldigung sei, Klimaziele nicht zu verwirklichen. Im Gegenteil betont sie, dass gerade jetzt die Chance bestehe, in innovative „grüne" Technologien zu investieren und damit die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Märkte zu sichern. Dies gelte insbesondere auch für die angeschlagene Auto-Industrie. Zur staatlichen Unterstützung solcher Investitionen kämen nicht nur direkte Finanzhilfen in Frage, sondern auch Steuererleichterungen für mehr Energieeffizienz — bis hin zum Privathaushalt. Dies müsste allerdings aus Kompetenzgründen von den Mitgliedstaaten selbst beschlossen werden. Die EU selbst wolle durch zusätzliche Investitionen in Infrastrukturprojekte Energieeffizienz und -Sicherheit bevorzugt fördern.

Zweitens nimmt der Plan der EU gerade die durch die Krise am existentiellsten betroffenen Gruppen in den Blick: Arbeitslose und schlecht Ausgebildete. Der Integration dieser Gruppen in den Arbeitsmarkt müsse besondere Aufmerksamkeit gelten. Zwar werde kein neues Geld freigegeben, aber die Mittel der vorhandenen Sozial- und Strukturfonds dürften ggf. auch früher als geplant ausgegeben werden: bis 6,3 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. In Ausnahmefällen dürften nun auch statt Kofinanzierung 100 % EU-Förderung für bestimmte Projekte zugelassen werden.

Bedauerlich ist hingegen, dass in den Dokumenten das Festhalten an den Millenium-Zielen der Vereinten Nationen zwar erwähnt wird — im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, nachhaltiges Wachstum mit den Entwicklungsländern zu teilen — es aber ansonsten beim Ansatz des Freihandels bleibt, den man bei den Doha-Runden der Welthandelsorganisationen bisher verfolgt hat. International wird der Schwerpunkt eher bei neuen Regulierungsstrukturen und der Stabilisierung von Wechselkursraten gelegt. Hier wäre wünschenswert, dass das innereuropäisch stark betonte Konzept der Solidarität auch hinsichtlich der globalen Zielsetzungen Erwähnung findet und sich in konkreten Vorschlägen niederschlägt.

Der Aktionsrahmen findet sich unter:
http://ec.europa.eu/commission_barroso/president/pdf/COMM_20081029_de.pdf



erweiterte Suche