Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

Kommission schlägt erste Änderungen zur weiteren Harmonisierung des Europäischen Asylrechts vor

Katrin Hatzinger

Am 03. Dezember 2008 hat die Europäische Kommission Änderungen an der sog. Dublin II Verordnung und der Richtlinie über Aufnahmebedingungen vorschlagen.

Die Dublin II Verordnung legt fest, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist. Grundgedanke der Verordnung ist, dass jeder Asylsuchende nur einen Asylantrag innerhalb der Europäischen Union stellen können soll. Grundsätzlich ist das Verfahren in dem Mitgliedstat durchzuführen, der die Einreise in die EU veranlasst bzw. nicht verhindert hat. Stellt der Asylsuchende dennoch in einem anderen Mitgliedstaat seinen Asylantrag, wird kein Asylverfahren durchgeführt, sondern der Asylsuchende in den zuständigen Staat rücküberstellt.

Die aktuellen Änderungsvorschläge basieren auf der Evaluierung der Verordnung von 2007 und auf den Ergebnissen des Grünbuchverfahrens zur Zukunft des Europäischen Asylsystems (siehe auch EKD-Europa-Informationen Nr. 119). Die Grundprinzipien der Dublin II Verordnung sollten beihalten werden (Verantwortung des Mitgliedstaates, der die Einreise in die EU veranlasst bzw. nicht verhindert hat). Es werde angestrebt, die Effizienz des Systems zu erhöhen und den Bedürfnissen der Schutzsuchenden umfassend zu entsprechen. Außerdem gehe es darum, die Situationen der Länder anzusprechen, deren Aufnahmekapazitäten und Asylsysteme einem besonderem Druck ausgesetzt seien, gleichzeitig müsse das Problem des unzureichenden Schutzniveaus von Asylbewerbern angegangen werden.

Der Vorschlag ist aus kirchlicher Sicht sehr zu begrüßen. Das Funktionieren der Vereinbarung setzt nämlich voraus, dass die Asylgesetze und -praktiken der teilnehmenden Staaten nicht nur auf gemeinsamen Standards beruhen, sondern auch tatsächlich den gleichen Stand erreicht haben. Die Harmonisierung der Asylpolitik und -praxis in der EU ist jedoch nur in Ansätzen realisiert. Sowohl die Gesetzgebung als auch die Praxis unterscheiden sich immer noch sehr stark von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat; Asylsuchende werden also in Europa sehr unterschiedlich behandelt. Die Anerkennungsquote von irakischen Flüchtlingen in Griechenland betrug im Jahr 2007 beispielsweise 0 %. In Deutschland beträgt sie Anerkennungsquote bei irakischen Asylbewerbern mittlerweile über 90 %.

Insbesondere das Kriterium des illegalen Grenzübertritts hat zu einem ernsthaften Ungleichgewicht in der Verteilung der Asylsuchenden auf die Mitgliedstaaten geführt. Dieses Ungleichgewicht führt nicht nur zu einer unfairen Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union, sondern hat auch negative Auswirkungen auf den Schutz von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Diesen Umstand hat zuletzt auch die EKD Synode in einem Beschluss zur Situation an den Außengrenzen der EU angeprangert und sich für Änderungen in den Asylrechtsinstrumenten der EU eingesetzt. Außerdem wurde der Rat der EKD aufgefordert, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, von Rücküberstellungen von Flüchtlingen nach Griechenland abzusehen.

Der aktuelle Vorschlag umfasst viele technische Details (kürzere Fristen, weniger Überstellungen in andere Staaten, um das Schutzniveau zu erhöhen), um die Effizienz des Systems zu erhöhen. Auch der Rechtsschutz soll ausgebaut werden. So soll es künftig z.B. möglich sein gegen die Rücküberstellungsentscheidung Rechtmittel einzulegen. Es soll eine Bestimmung geben, wonach die Suche nach internationalem Schutz allein keinen Haftgrund darstellt. Zudem soll der effektive Zugang zu einem Asylverfahren garantiert werden. Im Hinblick auf die Erhaltung der Familieneinheit solle es künftig zwingend sein, abhängige Verwandte ausfindig zu machen. Außerdem solle die Definition von Familienmitgliedern im Interesse des Kindeswohls erweitert werden. Die Stellung von unbegleiteten Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Gruppen soll verbessert werden. Der Anwendungsbereich der Verordnung, der auf subsidiär Geschützte ausgedehnt werden soll. Die Möglichkeiten für humanitäre Entscheidungen der Mitgliedstaaten sollen präzisiert werden.

Außerdem sind künftig verschiede Wege vorgesehen, wir die Überstellungsmechanismen ausgesetzt werden können, wenn der zuständige Mitgliedstaat besonderem Druck ausgesetzt ist oder wenn zu befürchten ist, dass das Schutzniveau in dem betreffendem Staat unzureichend ist. Sollte der Vorschlag realisiert werden, wäre das ein bedeutender Fortschritt für den Flüchtlingsschutz in Europa.

Auch die geplanten Änderungen an der Richtlinie über Aufnahmebedingungen sind im Einklang mit den Forderungen von Kirchen und NGOs. Folgende Bereiche sollen verändert werden: Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber (das Arbeitsverbot soll künftig höchstens 6 Monate betragen dürfen, die Mitgliedstaaten dürfen keine weiteren Hürden errichten), Abschiebehaft (unbegleitete Minderjährige dürften niemals inhaftiert werden; die Tatsache, dass jemand einen Asylantrag gestellt hat darf keinen Haftgrund darstellen), Identifizierung besonders schutzbedürftiger Gruppen (die Mitgliedstaaten müssen entsprechende Systeme einrichten), Anwendungsbereich der Richtlinie (auch subsidiär Geschütze) sowie Zugang zu materiellen Aufnahmebedingungen (die EU-Staaten sollen für tägliche Ausgaben Geld statt Sachleistungen zur Verfügung stellen).

Die Kommission will zudem die Berichtspflichten der Mitgliedstaaten ausweiten, um eine bessere Überprüfung der Umsetzung zu gewährleisten. Für den Vorschlag hat die Asylum Unit bereits kommissionsintern hart kämpfen müssen. Aber auch von Seiten der Mitgliedstaaten ist viel Gegenwind zu erwarten.

Die aktuellen Vorschläge finden Sie hier:
http://www.unhcr.org/refworld/publisher/EUCOMMISSION.html

Der Synodenbeschluss ist nachzulesen unter:
http://www.ekd.de/synode2008/beschluesse/beschluss_fluechtlinge_eu_aussengrenzen.html



erweiterte Suche