Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

Irakische Flüchtlinge erhalten Chance auf einen Neuanfang in der EU

Katrin Hatzinger

Nach langen zähen Verhandlungen haben sich die europäischen Innenminister am 27. November 2008 in Brüssel endlich für eine Aufnahme irakischer Flüchtlinge in der EU ausgesprochen. Diese soll freiwillig und gemäß den Aufnahmekapazitäten der Mitgliedstaaten erfolgen. Auf deutschen Druck hin wurde in den Ratsschlussfolgerungen erstmals eine konkrete Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge verankert: 10 0000. 2500 dieser besonders Schutzbedürftigen werden in Deutschland Aufnahme finden. Vorrang sollten Kranke, Folteropfer, alleinerziehende Mütter und Angehörige religiöser Minderheiten bekommen, die keine Aussicht auf eine Rückkehr in ihre Heimat haben. Sie werden vom Bundesamt für Migration (BAMF) in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und Kirchen und NGOs vor Ort ausgewählt. Ihre Verteilung auf die Bundesländer soll nach dem sog. Königsteiner Schlüssel, der die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen regelt, erfolgen. Kranke, Traumatisierte und Folteropfer werden direkt nach ihrer Ankunft medizinisch und psychologisch betreut. Die übrigen Flüchtlinge sollen nach Angaben des Bundesinnenministeriums zunächst für eine Dauer von 3 Monaten in das Grenzdurchgangslager Friedland in der Nähe von Göttingen gebracht werden und dort z.B. durch Sprachkurse auf das Leben in Deutschland vorbereitet werden.

Grundlage der Ministerentscheidung waren die alarmierenden Ergebnisse des Berichts einer EU-Expertenkommission, der die Lage der ca. zwei Millionen irakischen Flüchtlinge Anfang November in Syrien und Jordanien beschreibt. Die Situation der Flüchtlinge hat sich demnach weiter verschlechtert. Ihre Ersparnisse sind aufgebraucht und sie haben keine Arbeitserlaubnis. Eine Chance auf Rückkehr in den Irak besteht für einige von ihnen auf absehbare Zeit nicht. Stattdessen sind leben viele von Ihnen in ständiger Angst vor Ausweisung. Allein aus Mossul, der drittgrößten Stadt des Irak waren erst vor einigen Wochen tausende Christen aus Angst um ihr Leben geflohen.

In den Schlussfolgerungen unterstreicht der Rat, dass es weiterhin Hauptanliegen der EU sei, Bedingungen zu schaffen, die es den intern Vertriebenen und den in die Nachbarländer geflohenen Flüchtlingen eine sichere Rückkehr in ihre Häuser ermöglichen würden.

Angesichts der Flüchtlingszahlen - der EU-Bericht spricht von über 65.000 besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge, deren Anzahl stetig steigt — hat der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Huber, die Entscheidung der EU-Minister als einen ersten Schritt ausdrücklich begrüßt. Zuletzt hatte sich die EKD Synode Anfang November in Bremen in einem Beschluss für aktives politisches Handeln auf bundesdeutscher und europäischer Ebene stark gemacht, um den Flüchtlingen im Wege einer dauerhaften Lösung zu helfen: „Die Synode bittet den Rat der EKD, sich angesichts der weiterhin instabilen Sicherheitslage im Irak gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union für eine umgehende Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen einzusetzen, auch im Wege von Ausbau und Einrichtung von Resettlement-Programmen." Bislang verfügte Deutschland im Gegensatz etwa zu den skandinavischen Staaten, England, Irland, den Niederlanden und Portugal über kein nationales Neuansiedlungsprogramm.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Solidaritätsaktion erst der Anfang eines nachhaltigen EU-Engagements für Flüchtlinge darstellt und dass die Hilfe für die Schutzbedürftigen nun schnell und unbürokratisch anlaufen kann. Für 2009 plant die Europäische Kommission jedenfalls, einen Vorschlag für ein europäisches Resettlement-Programm vorzulegen.

Die Ratsschlussfolgerungen finden Sie hier:
http://www.ue2008.fr/PFUE/lang/de/accueiyPFUE-ll_2008/PFUE-27.11.2008/resultats_JAI

Den Synodenbeschluss finden Sie hier:
http://www.ekd.de/synode2008/beschluesse/beschluss_irakische_fluechtlinge.html



erweiterte Suche