Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

Dalai Lama: Tibet soll Teil Chinas bleiben

Franziska Oberheide/Vikarin

Der Dalai Lama hat am 4. Dezember 2008 das Europäische Parlament besucht. Der tibetische Führer erklärte, die Menschen in Tibet setzen große Hoffnungen in ihn. Deshalb läge es in seiner Verantwortung, eine Lösung für die prekäre politische Lage in Tibet zu finden. Für sein Volk, aber auch für die Chinesen sei es von großer Bedeutung, dass die EU im Umgang mit Peking auf Einhaltung der Menschenrechte bestehe. Freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und Rechtsstattlichkeit seien für die Zukunft Chinas unerlässlich. Um die Chinesen davon zu überzeugen, sei der Dialog Europas mit China von enormer Bedeutung.

„Wir wollen bei China bleiben, aber mit einer echten Autonomie und unter Wahrung unserer Identität", sagte der Dalai Lama. Das sage er auch den jungen Tibetern. Für seine Heimat sei jedoch auch die materielle Entwicklung von Bedeutung. Für ein modernes Tibet sei es in ihrem eigenen Interesse, bei China, diesem „großen Volk", zu bleiben. „Wir wollen keinen Separatismus, nur bestimmte Rechte".

Um Frieden zu erreichen, sei es allerdings sehr wichtig, Vertrauen zu fördern. Durch Angst und Gewalt werde keine Einigung möglich, so der Dalai Lama. Mit der Unterstützung der EU sei er jedoch voller Hoffnung, dass auf lange Sicht ein friedliches Miteinander zwischen Tibet und China erreicht werden könne.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hatte den Friedensnobelpreisträger begrüßt. „Geistige Führer, die sich für Frieden und Versöhnung unter den Völkern einsetzen, sind eine große Bereicherung für unsere Gesellschaft", so Pöttering. Die EU sei stets bemüht, in ihrem Dialog mit China offen und ehrlich zu sein. Das beinhalte auch, für die eigenen Werte wie Demokratie, Menschenrechte und freie Meinungsäußerung einzutreten.

Die Einladung an den Dalai Lama war im Rahmen des Europäischen Jahres des Interkulturellen Dialogs ausgesprochen worden. Zu diesem Ereignis waren im Laufe des Jahres verschiedene religiöse Würdenträger nach Brüssel gekommen, um vor dem Europäischen Parlament zu sprechen (siehe auch nachfolgenden Artikel). Protestantische Kirchenvertreter waren allerdings nicht eingeladen worden.

Den Besuch des Dalai Lama nahmen mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments zum Anlass, aus Solidarität mit dem Tibetischen Volk eine 24 Stunden andauernde Fastenaktion zu beginnen. Eine Liste mit Namen von 520 Abgeordneten und Angestellten des Parlaments, die die Aktion zumindest symbolisch unterstützten, war dem Nobelpreisträger überreicht worden.

Seine ohne Manuskript gehaltene Rede begann der Dalai Lama, indem er seine Verpflichtung gegenüber menschlichen Werten unterstrich. Warmherzigkeit sei der Schlüssel zu einem glücklichen Leben — sowohl bezogen auf den Einzelnen, auf familiäre als auch auf gesellschaftliche Strukturen. Seine zweite Verpflichtung sah der Dalai Lama darin, den Dialog zwischen den Religionen zu fördern. Auf demokratischer Ebene sei die Pluralität ein hohes Gut, das sich ebenfalls für den interreligiösen Dialog fruchtbar machen ließe. Grundwerte in den unterschiedlichen Glaubensrichtungen ähnelten sich und böten so eine wichtige Basis für den Austausch.

Die Rede des Dalai Lama findet sich im Internet unter:
http://www.europarl.europa.eu/eplive/expert/multimedia/20081201MLT43325/media_20081201MLT43325.pdf



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