Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 126

Konferenz präsentierte vorbildliche Initiativen für interreligiösen Dialog

Jörg Heeren

Die Europäische Kommission hat am 11. November 2008 erstmals Vertreter von Kirchen, NGOs, Forscher, Journalisten und Politiker zu einer Konferenz nach Brüssel eingeladen, auf der es um den gegenseitigen Umgang religiöser wie auch weltanschaulicher Gemeinschaften ging. Thema des Treffens war „Intercultural Dialogue: a challenge for faiths and convictions?" Im Fokus stand die religiöse Dimension des interkulturellen Dialogs in Europa.

Die Teilnehmer stellten ihre Aktionen und Konzepte für einen interkulturellen Umgang vor, darunter die Werbekampagne „Jestem Polka / Jestem Polakiem" („Ich bin Pole, ich bin Polin") von Malka Kafka und Mike Urbaniak. Die groß angelegte Plakat-Aktion hebt hervor, dass Menschen in Polen - wie anderswo - Doppelidentitäten haben. So gibt es beispielsweise Plakate mit der Aufschrift: „Wir sind Armenier. Wir sind Polen", „Ich bin Jüdin. Ich bin Polin" oder „Ich bin Karäer. Ich bin Pole".

Während die Kampagne die gesamte Bevölkerung anspricht, wendet sich ein andere Initiative ausdrücklich an Lehrer. „Die europäischen Bildungssysteme sind nicht darauf ausgerichtet, Toleranz zu unterrichten", sagte Rafael Palomino von der Universität Complutense in Madrid. Er gehört einem Beirat des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte an, der die „Toledo-Leitsätze" („Toledo Guiding Principles") als Basis für den Unterricht von Religion und Glauben an öffentlichen Schulen formulierte.

Einen praktischen Ansatz wählten die beiden Journalistinnen Francoise Loewert und Sondes Ben Khalifa. Sie brachten junge Frauen aus ganz Europa zusammen, um über Grenzen hinweg an einem Internet-Journal zu arbeiten. Das Projekt begann mit einem gemeinsamen Workshop, in dem journalistisches Schreiben eingeübt wurde. Seit mehr als einem Jahr gibt es nun das Projekt „NewsLab women journalists' blog". „Vorurteile wurden durch die gemeinsame Arbeit daran ausgeräumt", sagt Sondes Ben Khalifa.

Vorschläge für den interreligiösen Dialog in der Jugendarbeit listet die Faith Based Expert Group auf. Zu der Gruppe gehören Vertreter christlicher, muslimischer und jüdischer Nicht-Regierungsorganisationen. Für die Planung glaubensübergreifender Aktivitäten weisen sie unter anderem darauf hin, dass die wichtigsten religiösen Feiern berücksichtigt werden müssen, ebenso die unterschiedlichen Erfordernisse zur Speisezubereitung wie auch Zeit und Ort für Gottesdienste.

Ein Themenblock der Konferenz widmete sich interreligiösen Herausforderungen in der Bildung. Betont wurde dabei die Vermittlung demokratischer Werte und des Verständnisses der Bürgerrechte als Schlüssel für interkulturelle Kompetenzen. Der Lehrer Noel Ward (Irish National Teachers' Organisation) kritisierte, dass irische Schulen in katholischer Trägerschaft Lehrer entlassen können, wenn sich herausstellt, dass diese homosexuell sind. Von Toleranzvermittlung könne hier nicht die Rede sein, klagte Ward. Francesco Margiotta Broglio, Professor an der Universität von Florenz, ergänzte zwar, dass es für die Legitimität solcher Regelungen darauf ankomme, ob eine Konfessionsgemeinschaft ihre Schule alleine finanziere oder ob der Staat beteiligt sei. Der Schutz von Religionsgemeinschaften dürfe aber nicht so weit gehen, dass sich dadurch Diskriminierungen in anderen Bereichen ergeben, so Broglio.

Vebj0rn Horsfjord vom Europäischen Rat von Leitungspersönlichkeiten aus den Religionen (European Council of Religious Leaders) machte anhand des von Dänemark ausgegangenen Streits um die Mohammed-Karikaturen deutlich, dass ein interkultureller Dialog langfristig laufen müsse. Horsfjord berichtete, dass es in seinem Heimatland Norwegen seit Jahren regelmäßige Treffen von christlichen und muslimischen Kirchenvertretern gebe. Als die Krise ausbrach, konnten sich beide Seiten deshalb problemlos erreichen und über den Vorfall austauschen. In Dänemark hingegen hätten diese Verbindungen gefehlt und mussten ausgerechnet während der Krise aufgebaut werden, bedauerte der evangelisch-lutherische Pastor.

Auf den Austausch unter den christlichen Kirchen wies Elina Eloranta von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) hin. Ein Schwerpunkt liege dabei auf dem theologischen Dialog, sagte Eloranta und erinnerte an die 2001 unterzeichnete Charta Oecumenica, die Leitlinien für die Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa enthält. Das Dokument war von der KEK und der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) auf den Weg gebracht worden.

David Pollock, Vorsitzender der Europäischen Humanistischen Föderation, forderte, dass der interkulturelle Dialog auch nicht-religiöse Gruppen einschließen muss. Zu diesem Dialog gehöre neben einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Überzeugung und der des Gegenübers auch eine praktische Zusammenarbeit. „Respekt ist für die Menschen, nicht für ihre Weltanschauung", sagte Pollock.

Anlass für die Konferenz mit rund 100 Teilnehmern war das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs 2008. Der Begriff „Dialog" sei mittlerweile zu einem viel gebrauchten Schlagwort geworden, sagte Michael Privot von dem Europäischen Netzwerk gegen Rassismus (ENAR). Entscheidend sei, dass Menschen durch Bildung erfahren, was Diskriminierung bedeute. „Lehrer müssen zeigen, wie man diskriminierendes Verhalten erkennt", so Privot. Wenn die Europäische Union es wirklich ernst meine mit dem interkulturellen Dialog, „dann muss sie den Preis zahlen — den Zugang für alle zum Bildungssystem."

Der offizielle Bericht zur Konferenz wurde veröffentlicht auf der Website:
http://www.dialogue2008.eu

Eine Videoaufzeichnung der Konferenz ist zu sehen über das Portal der Europäischen Kommission:
http://webcast.ec.europa.eu/eutv/portal/archive.html?viewConference=5697

 



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