Wolfgang Huber würdigt Zweites Vatikanisches Konzil

„Ein großer Schritt geistiger Erneuerung“

Als „Meilenstein für die gesamte Christenheit“ hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils gewürdigt, der sich am 8. Dezember zum 40. Mal jährt. Die Ergebnisse des Konzils öffneten den Weg für ein ökumenisches Miteinander der christlichen Kirchen und stellten das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zur Welt auf ein neues Fundament.

Das Zweite Vatikanische Konzil sei ein großer Schritt geistiger Erneuerung gewesen, so Huber. Seine Auswirkungen seien noch heute spürbar, nicht zuletzt durch hochrangige Geistliche wie Papst Benedikt XVI. oder den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, die als Berater am Konzil teilnahmen.

Das weithin sichtbare Zeichen des konziliaren Aufbruchs sei die Reform der Liturgie, so der Ratsvorsitzende. Theologie, Frömmigkeit und Gottesdienst schöpften seitdem auch in der römisch-katholischen Kirche deutlich aus der Heiligen Schrift. Die Schriftlesung wurde zum integralen Bestandteil jeder Sakramentsfeier, für die Sonntagsmesse wurde die Predigt verbindlich gemacht. Der inneren Beteiligung der Glaubenden diente die Freigabe der Muttersprache in der Liturgie. Vor allem in der Eucharistiefeier manifestiere sich die Kirche als Ortskirche unter der Leitung des Bischofs.

Vollkommen neu und für die Entwicklung der Ökumene entscheidend sei auch der Ausschluss einer schlichten Identifikation der Kirche Jesu Christi mit der sichtbar verfassten römisch-katholischen Kirche, erläuterte Huber weiter. Das Konzil habe anerkannt, dass Christus auch außerhalb der römisch-katholischen Institution in anderen Kirchen wirke, die vom Heiligen Geist als „Mittel des Heils“ gebraucht werden können. Zwar verbinde sich mit dieser Auffassung weiterhin der Anspruch, dass die geglaubte Kirche Jesu Christi in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht sei, weil in ihr allein die Fülle der Heilsmittel gegeben sei. Aber die katholische Kirche habe auf dem Konzil offen von ihrer Mitschuld an den Spaltungen der Vergangenheit gesprochen und als eigenes Defizit erkannt, dass sie wegen der Existenz der anderen Kirchen die eigene Katholizität nicht voll verwirklichen kann. Von einer sogenannten „Rückkehr-Ökumene“ der getrennten Christen und Kirchen werde nicht mehr gesprochen, betonte der Ratsvorsitzende. Stattdessen richte sich der Blick nach vorn. Alle Christen und Kirchen müssten sich erneuern, denn „es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung“.

Mit der Aufnahme ostkirchlicher Traditionen und der Berücksichtigung reformatorischer Anliegen habe das Konzil der römisch-katholischen Kirche viel von der Weite des „Katholischen“ zurückgewonnen, so Wolfgang Huber, wenngleich es das Erbe des „Römischen“, wie es sich vor allem im Papstdogma niedergeschlagen habe, nicht verleugnen konnte und auch nicht verleugnen wollte. „Die evangelische Kirche war und ist dankbar für den Aufbruch, der damals in der römisch-katholischen Kirche möglich war, und sieht viele der ökumenischen Fortschritte, die seither möglich wurden, als Wirkungen und Ergebnisse der damaligen Öffnung der römisch-katholischen Kirche.“

Huber verwies aber auch darauf, dass „sich im zeitlichen Abstand vom vierzig Jahren doch auch deutlich der Kompromisscharakter vieler Aussagen des Konzils zeigt“. So habe das Konzil einer „Rückkehr-Ökumene“ eine Absage erteilt, zugleich aber am Gedanken der Eingliederung der getrennten Christen und Kirchen in die römisch-katholischen Kirche festgehalten. „In ihrem Willen zur Ökumene vermag die katholische Kirche auch die anderen Kirchen zu motivieren“, erklärte der Ratsvorsitzende. „Zugleich aber vermittelt sie bis heute den Eindruck, als fehle ihr nichts.“ Die römisch-katholische Kirche könne in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils anerkennen, dass der Heilige Geist andere Kirchen als Mittel des Heils gebrauche, zugleich sei aber eine legitime Form von Kirche mit eigenen Amtsstrukturen neben der römisch-katholischen Kirche bisher nicht denkbar. „Daher ist die EKD auch heute noch dankbar für den großen Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils, sie hofft aber darauf, dass die römisch-katholische Kirche Wege findet, auch die reformatorischen Kirchen als Kirchen zu respektieren, die der eine Heilige Geist als ‚Mittel des Heils’ in Anspruch nimmt.“

Hannover, 07. Dezember 2005

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi