Predigt für die Verabschiedung von Pfarrer Manfred Lösch und Frau Ilselore Adolfs in Berlin

Wolfgang Huber

Tageslosung 1. Tim 6,12: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.

Lieber Bruder Lösch, liebe Schwester Adolfs, liebe Gemeinde,

wir verabschieden Sie heute aus dem Dienst als Beauftragter des Rates der EKD für die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten und der Arbeit in der Geschäftsstelle der Konferenz für Gefängnisseelsorge. Für sie beide beginnt ein neuer Abschnitt in ihrem Leben-
für Herrn Lösch die Arbeit in der Studentengemeinde, die ihm schon vertraut ist, die er nun mit ganzer Arbeitskraft und nicht mehr geteilt, wie bisher, tun kann.
Und Frau Adolfs beendet ihre berufliche Tätigkeit und geht in den Ruhestand.

An erster Stelle soll der Dank stehen. Ich möchte ihnen beiden danken. Sie haben mit viel Engagement gearbeitet. Sie haben beide sich eingesetzt mit allen Kräften, damit Gefängnisseelsorge möglich ist. Sie haben dabei an vielen Fronten kämpfen müssen. Und auch davon wird die Rede sein heute.

Deshalb habe ich für die Predigt das neutestamentliche Wort für den heutigen Tag ausgewählt, Worte aus dem 1. Timotheusbrief:

Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.

Diese Worte sind eine sehr persönliche Aufforderung, offenbar spiegeln sie Auseinandersetzungen in der Gemeinde. "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens." Bezogen auf den Tag heute können wir damit zurückblicken auf das, was war, und schauen auf das, was kommt.

Unser Leben als Christen, unser Leben als Kirche wird dabei als Kampf beschrieben. Das ist eins der möglichen Bilder, das wir für die Kirche haben- sie kämpft.

Was wäre das Gegenbild dazu? Die triumphierende Kirche? Wohl eher die Kirche, die die Fahnen einzieht und resigniert. Also: im Gegensatz zu Menschen, die sich zurückziehen, schweigen, sich abschotten, nur das sehen, was weniger wird und schrumpft, verbittert sind, heißt es: Kämpfe! Das ist ein starkes Wort zum Abschied.

Sie beide müssen den Übergang von der bisherigen Arbeitsstruktur in eine neue vorbereiten. Sie müssen Abschied nehmen von den Menschen, mit denen sie hier zusammen gearbeitet haben. Das fällt schwer. Sie werden dann ihr Leben neu gestalten müssen, die Zeit anders einteilen, neue Schwerpunkte und Themen setzen. Und wir müssen uns von ihnen verabschieden.

Wir werden die Arbeit künftig neu gestalten. Es wird keine direkten Nachfolger geben. Das macht den Abschied nicht leicht. Gerade deshalb gilt auch uns, die wir die Arbeit künftig gestalten: Kämpfe!

Das biblische Leitwort für den heutigen Tag fordert nicht nur zum Kampf auf, sondern es beschreibt auch das Ziel, es blickt zurück und spricht von der Praxis:
Kämpfe den guten Kampf des Glaubens und ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.

Wer in der Gefängnisseelsorge arbeitet, wird diese Arbeit oft als einen Kampf an vorderster Front empfinden. Den Verlauf der Frontlinie kann man auf unterschiedliche Weise skizzieren. Da sind die Gefangenen, die sich oft schwer damit tun, Schuld anzuerkennen. Da ist die "Institution Gefängnis", mit der sich die Seelsorger arrangieren müssen, da ist die Gesellschaft mit ihrem Bedürfnis nach Vergeltung und nach Sündenböcken und da ist auch unsere Kirche mit all ihren Eigenheiten und Sorgen ( zurückgehende Finanzen und Sparzwänge eingeschlossen).

An dieser "Frontlinie" vertreten Sie als Seelsorgerinnen und Seelsorger das Evangelium. Dazu sind Sie berufen, dazu sollen Sie sich bekennen. Und in diesem Kampf geht es nicht darum, zu streiten, sondern Versöhnung und Liebe zu verkündigen. Sie sollen eine Kultur der Versöhnung leben und wahren an einer Stelle, wo auf vielen verschiedenen Ebenen Kampf herrscht. Das ist eine schwere, aber auch schöne Aufgaben.

Wenn wir als evangelische Kirche in den Gefängnissen arbeiten, dann wollen wir dabei nicht neue Feindbilder aufbauen. Wir versuchen, die Realität wahrzunehmen:
Wir versuchen, Menschen wahrzunehmen, die Schuld auf sich geladen haben. Zu ihnen gehören Familien, die mit dieser Belastung leben müssen. Mit ihnen arbeiten Bedienstete im Strafvollzug. Seelsorgerinnen und Seelsorger versuchen, Brücken zu schlagen aus dieser abgeschlossenen Welt hinein in Kirchgemeinden, in Kirche und Gesellschaft.

Denn in unserer Gesellschaft haben viele den Wunsch, sich zu trennen von dem, was belastet- seien es sozial Schwache, Kranke, oder eben die, die als gefährlich gelten, weil sie die Sicherheit anderer verletzt haben. Seelsorgerinnen und Seelsorger begegnen im Gefängnis Menschen, mit denen andere nichts zu tun haben wollen. Ihnen wollen sie das Evangelium verkündigen. Die Nachricht davon, dass Gottes Reich kommt und Freiheit bringt und neues Leben.

Gerade hinter Gittern scheint das Evangelium manchmal wie Hohn zu klingen, denn die Realität spricht ganz offensichtlich dagegen. In dieser Spannung stehen Seelsorgerinnen und Seelsorger täglich. Die muss ertragen werden. Dazu braucht die "kämpfende Truppe" einen Rückhalt in der Etappe.

Wir sind dabei, die Arbeit der Konferenz für Gefängnisseelsorge jetzt neu zu strukturieren. Denn wir brauchen Qualifikation in dieser Tätigkeit. Weil die einen in der Gefahr stehen, vor die Wand zu laufen oder die anderen sich klaglos anzupassen.

Ich danke allen, die in der Konferenz für Gefängnisseelsorge mit daran arbeiten, eine neue und sinnvolle Struktur für die Arbeit zu finden. Dieser Weg ist auch mit Enttäuschungen verbunden, das macht dieser Tag heute besonders deutlich. Aber ich sehe auch das Engagement von vielen, gut qualifizierten Männern und Frauen, für das ich danke.
Heute sind unter uns nicht nur Seelsorgerinnen und Seelsorger, sondern auch andere, die mit dem Thema Gefängnisseelsorge befasst sind, aus Ministerien und Anstalten, Instituten und anderen Einrichtungen. Dass sie gekommen sind, zeigt mir, dass die Arbeit in der Gefängnisseelsorge gesucht und gebraucht und wahrgenommen wird.

"Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; und ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen."

Diese Worte haben schon an ihrem ursprünglichen Ort getröstet, ermuntert, wachgerüttelt, ermahnt, auf Linie gebracht, sie haben aufgeholfen und das Ziel gezeigt. Sie haben konfirmiert, befestigt.

In der Denkschrift der EKD zum Strafvollzug, die 1990 erschienen ist, heißt das letzte Kapitel, das Schlusswort: Von der Hebammenfunktion christlichen Denkens. Unser Vers aus dem 1. Timotheusbrief setzt diese Hebammenfunktion des Denkens um in das, was getan werden muss.
Deshalb wünsche ich denen, die wir heute verabschieden, und denen, die bleiben und weiterarbeiten, Gottes guten Geist in diesem Kampf.

Amen