Andacht zur Kollekta in Hannover

Martin Schindehuette

Lesung Mt. 4, 1-11 Jesu Versuchung

4 1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.

2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.

3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.

4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«

5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels

6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«

7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit

9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.

10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«

11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Eine Geschichte vom Anfang des Wirkens Jesu. Diese Geschichte ist Programm. Sie ist das Zeichen vor der Klammer, eine Leseanweisung für das, was im Evangelium folgt.

Jesus verweigert sich dem Teufel und seinen Alternativen. Brot ohne Ende, spektakuläre Aktionen zur Verführung der Leute ohne eigenes Risiko, Macht über die ganze Welt. Das ist verlockend, versuchlich, teuflisch.

Das ist programmatisch nicht nur für das Matthäusevangelium. Das ist auch das Vorzeichen für alle Arbeit in unserer Kirche. Wir nehmen keine Abkürzung. Wir machen keine falschen Versprechen. Wir sind nicht die Erlöser und nicht die Selbsterlöser. Ende des Hungers in der Welt, Ende von Not, Krankheit, Behinderung. Sieg der Guten! Das ist nicht unsere Sache. Das bleibt Sache Gottes. Wir sind auf dem Weg, nicht am Ziel. Wir sind auf einem Weg, den Menschen aus dem Geist Gottes von sich aus, aus eigener Einsicht, aus eigenem Glauben, aus eigenem Engagement gehen. Sie sollen weder materiell gekauft, noch emotional überwältigt noch mit Macht gezwungen werden.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral, hat Bert Brecht gedichtet. Hat er wirklich Recht? Ist das wirklich so kurzschlüssig? Menschen vor dem Nichts - wären sie wirklich froh, so abgefüllt, so geblendet, so beherrscht zu sein.

Die Antwort ist eindeutig: Der Preis der verlorenen Freiheit ist zu hoch. Zur Freiheit gehört das Ja und das Nein, zur Freiheit gehören Alternativen, zur Freiheit gehört die eigene Entscheidung. Zur Freiheit gehört der Bezug zu dem Gott, der uns seine Ebenbildlichkeit schenkt. Diese Würde des macht frei, aus der Eigenheit des Liebenden heraus sich an Menschen zu binden und Verantwortung zu übernehmen. Das unterscheidet unsere Arbeit als Kirche im Tiefsten von allen politischen, sozialen und ökonomischen Programmen, Menschen das Lebensnotwendige zu geben. Das unterscheidet uns auch in unserer Arbeit, Menschen mit ihrer Kraft, ihren Gaben, ihrem Geld für unsere Arbeit als Kirche zu gewinnen.

An diesem einen Anfangs-, diesem Programmpunkt der Versuchungsgeschichte: Brot allein – macht Menschen nicht satt! Unbedroht und ohne Risiko zu leben – nimmt noch lange nicht die Lebensangst. Macht pur macht nicht glücklich. Jesus zeigt einen anderen Zusammenhang auf, schlägt einen Bogen über die Mittel zum Leben.  Er sieht hinter das Gegebene und Verfügbare – er sieht den Lebensbezug zu Gott.

Dieser Bezug zu Gott lässt uns unser Leben als Geschenk erkennen. Er hat uns das Leben geschenkt und uns geschaffen. Er tritt in eine liebende Beziehung zu uns, unter der er auch zu leiden in Kauf nimmt. Er schenkt uns Kraft und Mut, das Leben im Guten und im Leiden anzunehmen.

Ohne diese Grunderkenntnis, ohne diese Grundhaltung fehlt, so glauben wir, das entscheidende im Leben.

Das glaubt Jesus, das lebt er. Das erkennt und formuliert er in den 40 Tagen in der Wüste vor seiner Tätigkeit. Draus handelt er.  Er heilt, sättigt, beseitigt Not und Krankheit. Nie lässt er dabei den Glauben, das Wollen und Hoffen der Menschen außer acht. „Was willst du das ich dir tun soll?“ fragt er. „Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt er. Die so Geliebten antworten mit Lob und Dank, mit ihrem Glaubenszeugnis, mit ihrer Nachfolge. Sie geben vierfach zurück von dem was sie erhalten haben. Dieser Bezug zu Gott ist Grund und Wesen, Antrieb und Ziel des Lebens Jesus – und so auch unserer Kirche. Matthäus setzt diese Versuchungsgeschichte ganz bewusst an diese Stelle – nach der Taufe  und vor seiner Ansage: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Darin ist auch unser Leben ausgespannt. Es geht um weit mehr als die Beseitigung von Not und Krankheit.

Darin ist auch unser kirchliches Fundraising eingespannt. Von der Taufe her hin auf Gottes Verheißung. Dieser Kontext, diese Polung schafft das Kraftfeld, in dem Menschen mit ihrer Zeit, ihren Gaben – ja auch mit ihrem Geld gewonnen werden. Da wird nichts bezahlt und erkauft. Da geht es um dankbare Antwort auf das Geschenk des Lebens. Das muss in unseren Projekten erkennbar sein. Zu diesem dankbaren Ja sollen sie verlocken.

Professionelles Fundraising lebt – um in eine andere Sprache zu wechseln - von der Positionierung des eigenen Unternehmens, der Corporate Identity der Organisation. Nun ist aber die Kirche gar nicht nur unser Unternehmen. Dieser Grund unserer Identität, im Fundraising im Englischen „Mission“ genannt, kehrt als Wort wieder zu uns zurück. Als Mission – als missio dei, an der Anteil haben, in die wir uns einfügen und seine Botschaft weiterzugeben bis an „der Welt Ende“, wie Matthäus am Ende seines Evangeliums und als Ausblick für uns schreibt.

Ich möchte diese Geschichte allerdings nicht nur abgrenzend – dem Teufel, den Versuchungen einer heillosen Welt gegenüber verstehen. Natürlich brauchen wir Brot. Natürlich sind wir verantwortliche für eine gerechte Verteilung der Lebenschancen. Natürlich wollen wir unversehrt bleiben und diejenigen schützen und begleiten, die das nicht sind. Natürlich wollen wir unser Leben gestalten können und nicht beherrscht werden. All diese Bedürfnisses sind aber eben nicht nur Anspruch und das Werk eigener Hände? All das geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott. Wir glauben nicht an all diese Mittel zum Leben. Wir glauben an Gott und leben aus dem Dank und dem Vertrauen zu ihm.

Die Versuchungsgeschichte ist Programm. Sie markiert Grenzen menschlichen Handelns. Sie begrenzt unsere Programme. Sie verweist auf den, der unserem Handeln vorausgeht und folgt. Er ist das Besondere, das Unvergleichbare, das uns Bewegende. In der Sprache des Marketing gesprochen: E ist „the unique selling proposition“, das Alleinstellungsmerkmal der Kirche:

Gott ist unser Herr. Die Welt ist seine Schöpfung, er bewahrt sie und begleitet uns- durch seinen Sohn Jesus Christus – in der Kraft des Heiligen Geistes. Dieses Angebot, diese Botschaft geben wir weiter.

Das gilt auch für das kirchliche Fundraising. Sie ist ein Teil des Gemeindeaufbaus, ein Teil der Botschaft – und nicht etwa nur die materielle Voraussetzung für einen Inhalt, zu dem es keine Beziehung hat.

Matthaus beendet seine Erzählung:

„Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.“

Ein wunderbarer Schluss. Ein Trost und eine Verheißung. Wenn wir unser Thema nicht verlassen, den roten Faden nicht loslassen - stehen wir unter seiner Begleitung und seinem Schutz – auch in aller praktischen Arbeit über die Sie hier so intensiv beraten.

Amen