Predigt anlässlich der bundesweiten Eröffnung der Woche für das Leben 2013
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
„Engagiert für das Leben – Zusammenhalt gestalten“
Lesung: Jer 29,7.10-14
Schwestern und Brüder! Werte Gäste!
„Ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe. […] Pläne des Heils, nicht des Unheils.“ (Jer 29,11) Diese Botschaft richtet der Prophet Jeremia an die Verbannten in Babel. Gott will für die Menschen das Gute, will ihnen Heil schenken. Welch hoffnungsvolle Botschaft für die Israeliten, die sich in Babylon im Exil befanden und keine Perspektive hatten! Zugleich ist für sie in ihrer Lage aber auch die bange Frage damit verbunden, ob sie dieser Zusage wirklich trauen können. Sie sollen sich auf ihre neue Situation einlassen, nicht verzweifeln – trotz aller Schwierigkeiten und Enttäuschungen? Gott hat mit ihnen Pläne des Heils – offenbar auch, wenn sie diese nicht erkennen können?
Nun haben auch wir soeben den Text des Propheten Jeremia gehört, hinein gesprochen in unsere Zeit. Eine Zeit, die davon geprägt ist, dass die Schere von Arm und Reich in unserem Land immer weiter auseinander geht. Dass die ärmeren Länder in Südeuropa in Hoffnungslosigkeit zu versinken drohen, angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von etwa 50 Prozent. In einer Zeit, in der der Diktator Kim Jong-un in Nordkorea mit einem Atomkrieg droht. In der es so vielfältige Formen der Gewalt gibt, denen wir ausgesetzt sind. Doch auch uns sagt Gott heute: Ich habe für Euch Pläne des Heils. Ich will für Euch das Gute. Und auch wir haben angesichts all dieses Unrechts in unserer Welt die bange Frage in unseren Herzen: Greift diese Zusage Gottes in unsere Tage? Können wir das in unserer Situation erkennen?
Immer wieder können wir erleben, wie in der Gesellschaft aber auch in den Kirchen in die Wehklage eingestimmt wird, Schwierigkeiten betont werden. Doch, auch uns gilt, was der Prophet Jeremia hervorhebt: es kommt darauf an, dass wir selbst tätig werden, um den Herausforderungen unserer Tage zu begegnen und nicht nur darauf zu warten, bis Gott an uns, in unserer Welt, das Gute wirkt. Gott will unser Mittun. Er möchte, dass wir ihn suchen und uns dem Leben zuwenden. „Bemüht Euch um das Wohl der Stadt, […] und betet für sie.“ Und: „Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, so erhöre ich euch.“ (Jer 29, 7.12) Das Unvorstellbare kann erreicht werden, wo wir zu Gott beten und wo wir selbst Hand anlegen und uns um das Wohl unserer Stadt, um die Menschen um uns herum, kümmern.
Beides, liebe Schwestern und Brüder, wird deutlich in der „Woche für das Leben“, die schon seit über 20 Jahren den Blick darauf richtet, was wir als Christen tun können, um uns dafür einzusetzen, dass das Leben gefördert wird. In diesem Jahr liegt der Blick in besonderer Weise darauf, wie der Zusammenhalt in unseren Städten und Dörfern gestaltet werden kann. Welche Möglichkeiten uns dazu gegeben sind. Was wir selbst dafür tun können – jenseits von dem Alibi, die Verantwortung an andere abzuschieben. Viel zu oft erwarten wir eine Verbesserung für uns oder für sozial schwache Menschen allein von Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft und übersehen dabei leicht, was unsere eigenen Möglichkeiten sind, Hand anzulegen und aktiv zu werden. Wir setzen zu sehr darauf, dass alles von Spezialisten geregelt wird, dass es für alle Fragen des Lebens Organisationen gibt, die Schwierigkeiten regeln sollen, und bemerken nicht, dass wir selbst als Nachbarn oder als Nächste gefragt sind, wo Andere unser Mitgehen brauchen und auf unsere Solidarität setzen. Und wir sind zu schnell dabei, uns damit zufrieden zu geben, selbst tätig geworden zu sein, und erkennen zu selten, was uns der Prophet Jesaja sagt, dass es beides braucht: das Anpacken und das Gebet. Durch unser Mittun wie durch unser Gebet tragen wir dazu bei, die Pläne des Heils, die Gott mit uns hat, zu verwirklichen, das Leben zu stärken. Dafür sensibel und wach zu werden, das ist die stete Herausforderung an uns!
In besonderer Weise fordert uns seit seinem Amtsantritt dazu Papst Franziskus auf. Er zeigt uns, dass es unsere Aufgabe als Kirche ist, für die anderen Menschen, für die Bedürftigen und Armen, da zu sein und nicht um uns selbst zu kreisen. Er fordert uns auf, hinaus auf die Straßen zu gehen, zu denen, die Hilfe benötigen, und ihnen beizustehen; den Menschen dabei unseren eigenen Glauben nicht vorzuenthalten. Das ist ein Auftrag, der uns ökumenisch verbindet, der die Herzen vieler Christen anspricht. Lassen wir uns nicht von den Unheilspropheten einreden, wir könnten nichts tun oder es würde beinahe von selbst alles immer schlechter werden! Trauen wir der Zusage Gottes, dass er für uns Pläne des Heiles hat und dass er darauf setzt, dass wir selbst durch unser Tun mitwirken, damit diese Pläne umgesetzt werden können! Mit seiner Hilfe dürfen wir engagiert für das Leben sein und auf vielfältige Weise mitwirken, um den Zusammenhalt zu stärken und zu gestalten, und aus unserem christlichen Glauben heraus Zeugnis geben!