Kirchenjuristentagung der EKD

„Fenster in die Zivilgesellschaft“

Zur Kirchenjuristentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (12. - 15. Juni 2017) hat Militärbischof Sigurd Rink in Berlin die Militärseelsorge ein „Fenster in die Zivilgesellschaft hinein“ genannt.

An der Nahtstelle zwischen Staat und Kirche sei das kirchliche Handlungsfeld in der Bundeswehr ein Ort für das freie Wort, die eigene Meinung und das Selbstsein der Soldaten und Soldatinnen, so Rink. Der Kirche gehe es dabei um die Präsenz bei einer Klientel, die von zivilen Gemeinden kaum erreicht werde, bestehe die Bundeswehr doch überwiegend aus jungen Männern.

Kein Schmiermittel für Freiwilligenarmee

An Standorten der Bundeswehr im In- und Ausland lebe eine Gemeinde in post-volkskirchlicher Umgebung, so der Bischof. In den Auslandseinsätzen komme hinzu, dass der Soldat im Dienst für die Gemeinschaft körperlich und seelisch Schaden erleiden könne. Die Seelsorge diene dabei nicht als Schmiermittel des militärisch-hierarchischen Betriebes, sondern bleibe Anwalt des persönlichen Gewissens und diene mit dem Evangelium Menschen, die nicht im Privaten ihr eigenes Gut-Sein suchten, sondern in der Welt risikobereit für demokratische Entscheidungen einstünden. Nahe bei den Menschen in ihrer Berufs- und Lebenswelt, losgelöst von traditionellen kirchlichen Strukturen könne die Militärseelsorge „ein Zukunftslabor der Kirche“ sein, beschrieb Rink das Arbeitsfeld.

Freundschaftliche Trennung von Staat und Kirche

Hans Markus Heimann trug auf der Tagung mit Juristen aus den Landeskirchen der EKD, dem Kirchenrechtlichen Institut der EKD und Vertretern des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr eine kritische verfassungsrechtliche Sicht des seit 1957 geltenden Militärseelsorgevertrages vor: Der Professor an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung (Brühl) sieht in der Ausgestaltung des Vertrages eine institutionelle Überschneidung zwischen Staat und Kirche. Das Grundgesetz gehe von einer freundschaftlichen Trennung von Kirche und staatlichem Handeln aus, erlaube aber eine institutionelle Verflechtung nicht. Heimann stellte dar, dass es im wissenschaftlichen Diskurs Überlegungen für ein neues Militärseelsorgegesetz und ein neutrales Militärseelsorgeamt gebe. In naher Zukunft sieht er allerdings eine solche Änderung nicht.

Muslimische Seelsorge bleibt Auftrag

Jörg Ennuschat, Bochumer Professor für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht, bejahte hingegen die Zukunftsfestigkeit des 60 Jahre alten Vertrages. Seine Hauptaufgabe, eine freie religiöse Betätigung zu gewährleisten, werde nach wie vor erfüllt. „Es geht um Freiheit, nicht um Steigerung der Kampfkraft“, betonte der Referent. Die Freiheit bilde sich darin ab, dass die Militärgeistlichen nicht Offiziere, sondern Zivilbeamte seien und ihren pastoralen Dienst unabhängig von staatlichen und militärischen Weisungen versähen. Der Militärbischof bekleide ein rein kirchliches Amt und sei nicht Beamter des Verteidigungsministeriums. Die Organisation der Seelsorge geschehe nicht in Militärkirchen, sondern in personalen Seelsorgebereichen und die Soldaten verblieben in landeskirchlichen Strukturen.

Ennuschat zeigte sich überzeugt, dass eine muslimische Seelsorge trotz offener Fragen in den Streitkräften eingerichtet werde. Ob der Vertrag ein Vorbild für eine muslimische Soldatenseelsorge sein könne, hänge aber mehr an der Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft muslimischer Verbände.

Zur Information: In der Bundeswehr gehören 92.000 der 178.000 Soldaten und Soldatinnen einer christlichen Kirche an. Bis zu 1500 Soldaten gehören einer muslimischen Glaubensrichtung an. Rund 100 evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer sowie 80 katholische Theologen ermöglichen mit Gottesdiensten, Kasualien und Seelsorgegesprächen an Standorten und in Auslandseinsätzen die in der Verfassung garantierte freie Religionsausübung. Gesprächspartner sind sie auch für Bundeswehrangehörige ohne Konfession.