250 Organisationen fordern einen Notfallplan für Flüchtlinge

Diakonie und „Brot für die Welt“ kritisieren in offenem Brief europäische Flüchtlingspolitik

Kreuze und Schwimmwesten auf einem Steg, ein überdimensionales Papierboot im Wasser: Szene bei einer Gedenkfeier für ertrunkene Flüchtlinge im Hafen von Valletta (Malta).

Vorsitzender der EKD-Kammer für Migration, bei „tausendfaches Sterben billigend in Kauf“, lautet der Vorwurf im offenen Brief der 250 Organisationen.

Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Mit einem offenen Brief haben mehr als 250 zivilgesellschaftliche Organisationen von der Bundesregierung einen Notfallplan für die Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer gefordert. „Wir sind erschüttert angesichts der gegenwärtigen europäischen Politik, die immer stärker auf Abschottung und Abschreckung setzt – und dabei tausendfaches Sterben billigend in Kauf nimmt“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von Diakonie und Caritas, „Ärzte ohne Grenzen“, Amnesty International sowie dem evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“ unterzeichnet wurde. Adressiert ist das Schreiben direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ging auch ans Bundesinnenministerium, das Auswärtige Amt sowie die zuständigen Ausschüsse im Bundestag.

„Die Pflicht zur Seenotrettung ist Völkerrecht und das Recht auf Leben nicht verhandelbar“, heißt es in dem Offenen Brief. Die Verantwortung liege in erster Linie bei der EU und ihren Mitgliedstaaten. Die EU hatte kürzlich mit der Entscheidung, für die Mittelmeer-Mission „Sophia“ keine Schiffe mehr einzusetzen, für Empörung bei Flüchtlingshelfern gesorgt. Schiffe der Mission retteten auch regelmäßig gekenterten Migranten das Leben.

EU setzt auf „Abschottung und Abschreckung“

Konkret fordern die Organisationen von der Bundesregierung, sich für einen Verteilmechanismus für die geretteten Menschen einzusetzen. Derzeit werden von Fall zu Fall ausnahmebereite Staaten gesucht. Deutschland hat sich dabei regelmäßig beteiligt. Die Organisationen fordern zudem, keine Migranten nach Libyen zurückzuschicken und deutschen Städten und Gemeinden zu erlauben, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, wenn sie sich dazu bereiterklären.

„Das Aussetzen der Operation ‚Sophia‘ und der Abzug der Marine vor der libyschen Küste ist in der dramatisch zugespitzten Situation im Mittelmeer im wörtlichen Sinne unterlassene Hilfeleistung“, erklärte Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, der den Brief ebenfalls unterzeichnet hat. Die Seenotrettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer zu beenden, komme einem „moralischen Offenbarungseid“ gleich, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Die EU habe sich verpflichtet, Schutzsuchenden Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren. „Stattdessen setzt sie immer stärker auf Abschottung und Abschreckung“, kritisierte er.