Vollversammlung Lutherischer Weltbund: Menschen sind keine Ware

Der Kampf gegen globale soziale Ungerechtigkeit und der Schutz von Flüchtlingen waren Schwerpunktthemen auf der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia. Die rund 400 Delegierten warnten davor, Menschen zur Ware zu reduzieren.  

Teilnehmerinnen im Gottesdienst im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk zum 500. Reformationsjubiläum
Im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk haben Tausende Christinnen und Christen aus aller Welt das 500. Reformationsjubiläum gefeiert.

Windhuk (epd). Mit einem Appell für mehr soziale Gerechtigkeit ist die zwölfte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) am 16. Mai in Namibia zu Ende gegangen. In einer in Windhuk verabschiedeten Abschlussbotschaft kritisieren die rund 400 Delegierten Menschenhandel, Zwangsarbeit, Lohnwucher und unlautere Kredite. Neoliberale Marktwirtschaft reduziere den Menschen oft zur Ware. Lohngefälle und ungleiche Chancen am Arbeitsmarkt führten zudem zur Abwanderung von gebildeten Fachkräften. Der LWB repräsentiert mehr als 74 Millionen Christen in fast 100 Ländern.

Der Lutherische Weltbund beklagte zudem die anhaltende Gewalt gegen Frauen: „Wir leben in einer Welt, in der mindestens jede dritte Frau irgendwann von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen ist“. Für viel zu viele sei etwa das Kriegsverbrechen Vergewaltigung leidvolle Realität.

Suche nach alternativen Wirtschaftsmodellen

Mit Blick auf den Klimawandel prangerte der LWB den stetig wachsenden Ressourcenverbrauch an. Im Streben nach Wirtschaftswachstum seien auch Land, Meer und alle Geschöpfe zu Waren herabgewürdigt worden. „Das ist Unrecht!“ Der LWB suche daher nach alternativen Wirtschaftsmodellen, die dem Wohl der ganzen Schöpfung dienten, hieß es weiter.

Zugleich machte sich der Lutherische Weltbund für Flüchtlinge stark. Weltweit seien rund 65 Millionen Menschen entwurzelt. Der LWB wolle weiterhin für Flüchtlinge und Migranten eintreten und die Mitgliedskirchen bei der Flüchtlingsaufnahme unterstützen.

Tausende Christen aus aller Welt feiern das Reformationsjubiläum

Am 14. Mai hatten Tausende Christen aus aller Welt im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr gefeiert. Dabei predigte der frühere namibische Bischof und derzeitige Sozialminister des afrikanischen Landes, Zephania Kameeta, gegen Armut, Hass, Gewalt, Gier und Terrorismus. Das Gedenken an die Reformation Martin Luthers, die im Jahr 1517 ihren Anfang nahm, war der Höhepunkt der zwölften LWB-Vollversammlung.

Neuer Präsident des Lutherischen Weltbundes ist der Nigerianer Musa Panti Filibus. Er wurde am 13. Mai zum Nachfolger des palästinensischen Bischofs Munib Younan gewählt, der seit 2010 an der LWB-Spitze stand und nicht wiedergewählt werden konnte. Im Abschlussgottesdienst am Abend des 16. Mai wurde Filibus, der erst der zweite Afrikaner in diesem Amt ist, offiziell als Präsident eingeführt.

Mit Blick auf die deutschen Kolonialverbrechen Anfang des 20. Jahrhunderts in Namibia rief der LWB beide Völker zur weiteren Aufarbeitung mit dem Ziel einer Versöhnung auf. Schmerzhafte Erinnerungen müssten ausgesprochen werden, heißt es in einer am 15. Mai in Windhuk veröffentlichten Erklärung der zwölften LWB-Vollversammlung: „Erst wenn die Wahrheit gesagt und Gerechtigkeit gesucht ist, kann tatsächliche Versöhnung über den Schmerzen der Vergangenheit stattfinden.“

„Historischer Moment“ der Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen

In dem mit großer Mehrheit verabschiedeten Papier heißt es: „Das Schicksal der Herero, Nama und anderen Ureinwohnern unter deutscher Kolonialherrschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts bereitet den Völkern Namibias und Deutschlands bis heute Schmerzen.“ Deutschland verhandelt zurzeit mit der Regierung Namibias über eine Aufarbeitung der Verbrechen.

Bischöfe aus Deutschland und Namibia sprachen am Montagabend von einem „historischen Moment“. Es gab 244 Ja- und neun Nein-Stimmen bei elf Enthaltungen. Der Lutherische Weltbund verpflichtet sich in dem Papier zur Begleitung und Unterstützung bei dem Versöhnungsprozess zwischen Namibia und Deutschland, sollte sie angefordert werden. „Als eine Gemeinschaft, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einsetzt, sehen wir den Prozess zwischen Namibiern und Deutschen als Kernstück unserer Berufung“, heißt es in dem Papier.

Den „Geist dieses Prozesses begleiten“

Der LWB-Vizepräsident und Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, begrüßte die Erklärung. Es sei gut, dass der LWB weder den Namibiern noch den Deutschen vorschreibe, wie der Versöhnungsprozess auszusehen habe, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber der LWB wolle den „Geist dieses Prozesses begleiten“ . Dass jetzt just bei der Vollversammlung in Namibia der Genozid „deutlich unterstrichen“ werde, sei ein historischer Moment, fügte July hinzu.

Gerhard Ulrich (Schwerin), Landesbischof der Nordkirche und zugleich leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, würdigt die Erklärung in Windhuk als „historisch“ und als „mutigen Schritt“. Das Papier sei ein „unglaublicher Rückenwind“ für die weiteren Verhandlungen, sagte er dem epd. Die Erklärung werde von allen Beteiligten unterstützt, auch von den drei lutherischen Kirchen in Namibia.

Ende April hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Schuldbekenntnis zum Völkermord veröffentlicht. Darin bat sie die Nachkommen der Opfer der Kolonialverbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor mehr als 100 Jahren um Vergebung. „Dies ist eine große Schuld und durch nichts zu rechtfertigen“, heißt es in der Erklärung.

Deutsche Kolonialtruppen hatten in Reaktion auf Aufstände zwischen 1904 und 1908 einen Vernichtungskrieg im Südwesten Afrikas geführt, der als Völkermord gewertet wird. Schätzungen zufolge wurden bis zu 100.000 Herero und Nama getötet oder in den sicheren Tod in der Wüste getrieben.

LWB-Vollversammlungen finden alle sieben Jahre statt, zuletzt 2010 in Stuttgart. An der Vollversammlung in Namibia nahmen rund 800 Theologen, Kirchenvertreter und lutherische Christen aus den 145 Mitgliedskirchen teil. Der LWB wurde 1947 in Schweden gegründet.