Predigt zu Matthäus 4,1-11 im ökumenischen Gottesdienst zum DFB-Pokalfinale 2017 in der Gedächtniskirche Berlin

Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Gemeinde,

Zeiten der Vorbereitung sind Zeiten voller Anspannung. Das ist in der Vorbereitung auf Prüfungen so, in der Vorbereitung auf besondere Veranstaltungen und Auftritte. Das ist natürlich im Sport so – vor dem Wettkampf. Die beiden Mannschaften, die heute im Pokalendspiel aufeinandertreffen, haben sich vorbereitet. Sie haben sich zurückgezogen, von der Öffentlichkeit abgeschirmt, um sich zu konzentrieren oder – wie man heute zu sagen pflegt - zu fokussieren. Auch die Fans haben sich vorbereitet und bereiten sich vor – manche gehen sogar in einen Gottesdienst. Toll, dass Sie alle hier sind!

In Zeiten der Vorbereitung geht Menschen vieles durch den Kopf. Die Anspannung ist oft körperlich zu spüren. Und sie geht manchmal bis in die Träume hinein. Oft schwanken die Gefühle hin und her – zwischen der Angst zu versagen und dem Hochgefühl eines möglichen triumphalen Sieges. Sportler wären keine Sportler, wenn sie sich nicht den eigenen Sieg wünschen würden. Und in Gedanken und Phantasien der Vorbereitung freut man sich nicht nur an einer möglichen Niederlage des Gegners. Manche motivieren sich auch, indem sie sich die leidenden Gesichter des Gegners bildlich vorstellen. Auch die Fans bereiten sich natürlich vor und bewegen sich in dieser Gefühlswelt. Konkurrenz gehört dazu – keine Frage. Und es gehört auch dazu, dies zu zelebrieren. Das

geschieht ja oft sehr kreativ und humorvoll. Schwierig wird es, wenn sich das alles steigert bis zu Hass und Gewalt. Wichtig ist erst einmal zu sehen: Ja – wir sind Menschen inmitten dieser Gefühlswelt, mit allem, was das lebend prickelnd und schön macht, und mit allem, was es auch schwierig macht. Manche Phantasien, die ja auch schnell wirklich werden können, nennt die Bibel „Versuchung“. Und es geht dabei um mehr "als die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt".

Die Geschichte von Jesus in der Wüste erzählt von drei großen Versuchungen. Machen wir uns klar: Die Zeit in der Wüste ist für Jesus eine Vorbereitungszeit. Etwas salopp und sportlich gesprochen ein "Trainingslager". Er hat sich zurückgezogen, um sich auf die Zeit seines öffentlichen Wirkens vorzubereiten. So erzählt es uns der Evangelist Matthäus. Es ist die Zeit, in der er für sich selbst klärt, wie er den Menschen gegenüber auftreten will – er der Sohn Gottes.

In seine Gedanken, in seine Phantasiewelt kommt plötzlich der Teufel hinein. Der Teufel tritt hier im Grunde In genommen auf wie so eine Art besonderer PR-Berater. Und er bietet Jesus drei Konzepte an.

Das erste Konzept: Mache aus Steinen Brot. Das heißt: Mache sie alle satt. Eigentlich geht es noch um mehr: Sorge dafür, dass es allen materiell gutgeht. Mach es einfach und die Menschen werden dich verehren! Sie werden dir zu Füßen liegen und ich anbeten. Das willst du doch, oder? Die Antwort Jesu: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes geht.“ Er sagt damit nicht, dass es nicht wichtig wäre, wenn alle Menschen satt werden würden. Aber: das ist nicht alles! Die

Menschen sollen erkennen, dass es da noch etwas anderes gibt, was sie zum Leben brauchen.

Das zweite Konzept: Zeige den Menschen, dass Gott auf deiner Seite ist. Zeige ihnen, dass Gott das macht, was du willst. Dazu bietet er ihm eine Art Showeinlage an. Steige auf die Zinne des Tempels und stürze dich hinunter. Dann wird Gott seine Engel schicken. Die werden dich auffangen. Die Antwort Jesu: Nein. Du sollst Gott nicht versuchen. Die Menschen sollen verstehen: Gott bleibt Gott. Gott lässt sich nicht einfach von Menschen für ihre Interessen einspannen.

Das dritte Konzept: Der Teufel führt ihn auf einen hohen Berg und sagt Jesus: Das alles gehört dir. Das sollst du beherrschen. Trete an mit dem Anspruch, die Macht zu wollen und alles zu beherrschen zu wollen. Es ist spannend zu sehen, dass dieser Anspruch, alles und alle zu beherrschen, mit dem ja auch weltliche Herrscher immer wieder in der Geschichte angetreten sind, gleichgesetzt wird mit der Anbetung des Teufels. Jesus weist dies zurück: So will er nicht auftreten, nicht mit dem Anspruch, alle Welt beherrschen zu wollen.

Ich finde es immer sehr hilfreich, mir diese drei Versuchungen klar zu machen. Sie tauchen immer wieder auf: In allen Bereichen unseres Lebens. Das wird schnell klar, wenn wir sie mal probeweise auf den Fußball anwenden.

Die Sache mit den Steinen und dem Brot. Natürlich ist es erstrebenswert, dass  es allen gut geht. Und es bleibt eine große Aufgabe der Menschheit dafür zu sorgen, dass es allen Menschen gutgeht und alle Menschen auf

dieser Welt eine faire Chance haben, an den Gütern dieser Welt teilzuhaben. So wichtig ist es aber auch zu begreifen – vor allem für die, die genug haben: Das Materielle ist nicht alles und Geld schon gar nicht. Und es ist ja eine der großen Versuchungen im Profisport, besonders auch für die Spieler, alles am Geld festzumachen. Mancher Spieler und viele, die für diesen Sport Verantwortung tragen, täten sicher gut daran, nicht nur auf das große Geld zu schauen. Das Geld ist und bleibt allerdings eine große Versuchung – für die allermeisten Menschen. Dabei geht uns gerade beim Sport das Herz auf, wenn wie spüren: Hier geht es jetzt nicht ums Geld oder darum, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Hier geht es um die Freude am Sport oder um Fairness und Gemeinschaft.

Dann die Sache mit der Versuchung Gottes. Sie taucht immer dann auf, wenn Menschen Gott gegenüber sagen: Gott, wenn du dies oder jenes für mich tust, dann glaube ich an dich. Tut mir Leid, liebe BVB-Fans, liebe Eintracht-Fans! Gottes Farben sind weder schwarz-gelb noch rot-weiß-schwarz! Und es wäre eben unangemessen zu beten: Gott, wenn es dich gibt, dann lass den BVB oder die Eintracht gewinnen. Das sollen wir wissen: Gott lässt sich so nicht für unsere Interessen und Zwecke einspannen. Wir können vor ihm ausbreiten, was unser Herz bewegt, auch das Fan-Herz, aber wir sollten ihm überlassen, was er daraus macht. Ein Trainer einer Bundesliga-Mannschaft wurde einmal in einem Gespräch gefragt, ob er weiß, wofür einige seiner Spieler vor dem Spiel beten: Ja, sagte er, wir haben mal darüber geredet. Und sie haben gesagt: Wie beten nicht um den Sieg. Wir beten dafür, dass wir eine gute Leistung bringen, dass wir uns nicht verletzen und wir auch unseren Gegner nicht verletzen.“ Mich hat das ziemlich beeindruckt.

Es bleibt die Sache mit der Macht. Der Teufel sagt Jesus auf dem Berg mit Blick auf die Welt unter ihm: Darüber sollst du herrschen. Alles und alle beherrschen zu wollen, ist und bleibt eine der großen Versuchungen. Und vielleicht fällt uns bei dieser Versuchung im Blick auf den Fußball am ehesten der Weltfußballverband ein. Es gibt ja den schönen kleinen Witz: „Was ist der Unterschied zwischen Gott und dem FIFA-Präsidenten? – Na ja, Gott weiß, dass er nicht FIFA-Präsident ist.“ Vielleicht ist das auch ganz ungerecht. Aber es ist schnell klar, wo eine Gefahr liegt. Manches kann aus dem Lot geraten, wo Menschen Macht um der Macht willen anstreben, und zwar um über andere zu herrschen. Die Bibel nennt das eine Versuchung, weil diese Gefahr da ist – im Großen und im Kleinen. Es ist eine Gefahr, wenn Menschen sich machtvoll über andere erheben. Das geschieht eben auch, wo Menschen andere beleidigen, kränken oder gar verachten.

Jesus gibt diesen Versuchungen nicht nach. Er will Menschen nicht dadurch beeindrucken, dass er mit einem Schlag alle materielle Not beseitigt. Natürlich geht es ihm darum, dass Menschen nicht in ihrer Not bleiben. Aber mit damit will er nicht seine göttliche Macht demonstrieren. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Jesus will auch nicht von den Menschen verehrt werden, indem er zeigt, dass Gott alle Wünsche erfüllt. Und Jesus will nicht mit Macht über Menschen herrschen. Das wurde leider in der Geschichte nicht von allen Mächtigen verstanden.

Wofür Jesus steht, was er Menschen nahebringen möchte, zeigt er dann nach seiner Zeit der Vorbereitung. Jesus redet davon, dass Gott Menschen liebt. Und was dies heißt, zeigt er dadurch, wie er Menschen begegnet: Mit viel Respekt! Er ist nicht unkritisch. Keineswegs. Oft kritisiert er, wie Menschen miteinander umgehen. Was sich Menschen antun. Aber er tut das nicht, um Menschen fertigzumachen, sondern um Menschen zu helfen – zu einem guten Leben miteinander mitten in all den Spannungen und Anspannungen des Lebens. Dazu gehört, dass wir erkennen, wo Gefahren sind, die das Leben zerstören.

Und wie so oft ist der Fußball eine wunderbare Schule, um das zu sehen und zu lernen. Das Leben kann so schön sein, der Fußball kann so schön sein.  Deshalb: Achtet darauf, wie ihr miteinander umgeht - im Fußball und im Leben, als Spieler und als Fans, als Schiedsrichter und Funktionäre. Und so möge dieser Finaltag ein guter, ein schöner Fußballtag werden. Gebe Gott dazu seinen Segen!

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen