Auftakt des Reformationsjubiläums im Zeichen der Ökumene
Papst Franziskus und Lutheraner feiern gemeinsam Gottesdienst – Gauck: Staat in vielfacher Weise von Reformation geprägt
Mit Gottesdiensten und einem Festakt hat das Reformationsjubiläum begonnen. Bundespräsident Joachim Gauck hob die Bedeutung der reformatorischen Ideen für die heutige Welt hervor. „Wir haben Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen“, sagte Papst Franziskus im schwedischen Lund.
Im Zeichen der Ökumene hat das Festjahr zum 500. Reformationsjubiläum begonnen. Als erster Papst erinnerte Franziskus am Reformationstag in einem gemeinsamen Gottesdienst mit Lutheranern an den Beginn der Reformation im 16. Jahrhundert. Bei seinem historischen Besuch im schwedischen Lund rief er die Christen zur Einheit auf: „Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden.“ Bundespräsident Joachim Gauck würdigte bei einem staatlichen Festakt in Berlin die von Martin Luther angestoßenen Veränderungen.
Auch der Staat sei in vielfacher Weise von der Reformation geprägt, sagte Gauck in seiner Rede im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt: „Die heutige Gestalt unseres Gemeinwesens ist ohne die christlichen Kirchen nicht denkbar.“ Das Staatsoberhaupt erinnerte an Luthers Lehre von der Gnade Gottes. Gerade heute habe die Gesellschaft „nichts so nötig wie Gnade“. Gauck beklagte, es mache sich „ein Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit und Verachtung“. Er forderte „Agenten der Entängstigung“.
Verantwortung beider Konfessionen
Das Festjahr endet am 31. Oktober 2017, genau 500 Jahre nach dem legendären Thesenanschlag Luthers in Wittenberg. Die Veröffentlichung der Thesen gegen die Missstände der Kirche jener Zeit gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
„Das heutige Gemeinwesen ist ohne die Kirchen nicht denkbar.“
Der Papst und der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Munib Younan, unterzeichneten im gemeinsamen Gottesdienst in der Kathedrale von Lund eine Ökumene-Erklärung, in der sie die Verantwortung beider Konfessionen für die nach der Reformation entstandenen Kirchenspaltungen eingestehen. Zudem bekräftigen Katholiken und Lutheraner darin ihren Wunsch, gemeinsame Abendmahlsfeiern für Eheleute unterschiedlicher Konfession zu ermöglichen. „Wir erfahren den Schmerz all derer, die ihr ganzes Leben teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart im eucharistischen Mahl nicht teilen können“, heißt es in dem gemeinsamen Wort.
Dass „diese Wunde geheilt wird“
Hoffnungen, dass Franziskus stärker auf die Lutheraner zugehen könnte, erfüllten sich nicht. Zum gemeinsamen Abendmahl betonten der Papst und der LWB-Präsident, dass sich beide Seiten danach sehnten, dass „diese Wunde geheilt wird“. Das sei das Ziel der ökumenischen Bemühungen. Nach der Unterzeichnung der Erklärung umarmten sich Papst Franziskus und Bischof Younan.
Franziskus sagte im Gottesdienst: „Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten.“ Zugleich würdigte er den Beitrag Luthers für die Kirchengeschichte. Anschließend feierten rund 10.000 Besucher in der Malmö Arena gemeinsam mit Papst Franziskus und zahlreichen lutherischen Bischöfen eine ökumenische Gedenkveranstaltung. Dabei forderten sie mehr Anstrengungen für den Klimaschutz, Flüchtlinge und Frieden.
„2017 ist eine historische Chance auf dem Weg zur Einheit der Kirchen.“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, die Worte des Papstes hätten ihn sehr berührt. Franziskus spreche mit seinem Wunsch nach mehr Einheit der Kirchen vielen Christen in Deutschland aus dem Herzen. Die Erklärung von Lund unterstreiche die gemeinsame Verantwortung beider Kirchen für die noch ausstehende volle Abendmahlsgemeinschaft. „2017 ist eine historische Chance auf dem Weg zur Einheit der Kirchen.“
Signal der Versöhnung und des Aufbruchs
In einem Festgottesdienst in der Berliner Marienkirche nannte Bedford-Strohm vor mehr als 750 Gästen aus Politik, Kirchen und Gesellschaft das Reformationsjubiläum ein Signal der Versöhnung und des Aufbruchs. Er unterstrich zugleich die ökumenische Dimension des Festjahres. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, rief dazu auf, in der Reformation immer wieder neu eine Kraft zu entdecken, „die bewegt und verändert“.
Erstmals wurde in dem Gottesdienst ein Katholik mit der Martin-Luther-Medaille der EKD geehrt. Bedford-Strohm überreichte dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, die Auszeichnung für dessen Verdienste um die Ökumene. „Heute sehnen sich evangelische und katholische Christen nach der Gemeinschaft“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Man sei dankbar „für viele Schritte aufeinander zu“.
Auch in zahlreichen anderen Städten wie Wittenberg, wo der Thesenanschlag Luthers der Überlieferung zufolge stattfand, erinnerten Gottesdienste an die Reformation.