Breite „Allianz für das Klima“ in Chile

EKD-Auslandspfarrer Johannes Merkel berichtet im Vorfeld der Weltklimakonferenz aus Santiago de Chile

Lama in Chile

Die sonst prächtig verschneiten Anden zeigen selbst im Winter kaum noch Weiß, Gletscher schmelzen, Seen und Talsperren werden immer kleiner. Flora, Fauna und auch Leben und Arbeiten der Menschen sind in Chile durch den Klimawandel bedroht: Laut dem Global Climate Risk Index von 2017 gehört das südamerikanische Land zu den zehn am stärksten durch den Klimawandel betroffenen Ländern der Welt.

Der Klimawandel ist derzeit sehr präsent im Alltag der Deutschen und auch in den Medien: In ganz Europa erleben wir Hitzerekorde und Trockenheit, es gibt zahlreiche Berichte über protestierende Schüler und unentschlossene Politiker, Bilder von riesigen Eisfeldern, die in Polnähe herab brechen, bewegen die Menschen.

Am anderen Ende der Welt, in Chile, sieht es nicht anders aus. Auch hier leidet die Hauptstadtregion um Santiago herum zum Beispiel seit Jahren unter einer anhaltenden Phase von Trockenheit und Hitze. Die sonst so prächtig verschneiten Anden zeigen selbst im Winter kaum noch weiß, Gletscher schmelzen, Seen und Talsperren werden immer kleiner. Forscher haben zudem nachgewiesen, dass sich das hier anzutreffende mediterrane Klima jedes Jahr um fünf Kilometer weiter nach Süden ausdehnt – immerhin 150 Kilometer in den letzten 30 Jahren!

Chile gehört zu den zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern

„Mittelmeerklima“ mag für uns nach „Urlaub“ klingen - in der betroffenen Region stellt es Tiere und Pflanzen, aber auch Bauern und Waldbesitzer vor schwierige Herausforderungen. Dass Chile laut dem Global Climate Risk Index von 2017 zu den zehn am stärksten durch den Klimawandel betroffenen Ländern gehört, merkt man konkret. Und so passt es gut, dass die UNO-Klimakonferenz „COP25“ im Dezember 2019, auf der Politikerinnen und Politiker aus der ganzen Welt um Maßnahmen für den Klimaschutz ringen werden, in Santiago stattfinden soll.

Für die Menschen im lang gestreckten Land in Südamerika sind die Klimaveränderungen nicht mögliche Zukunft, sondern erlebte Gegenwart. Gleichzeitig sind der Staat und viele Einwohner – trotz des beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwungs in den letzten 30 Jahren – ärmer als zum Beispiel die Menschen und Länder in Westeuropa. Das heißt auch, dass die technischen und finanziellen Möglichkeiten, um dem Klimawandel zu begegnen oder sich auf seine Auswirkungen einzustellen, in vielen Fällen sehr begrenzt sind.

Reich an alternativen Energiequellen

Wie gut, dass Chile wenigstens reich an alternativen Energiequellen ist. Mehr als das Hundertfache des aktuellen Stromverbrauchs könnte aus so genannten erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden, also ohne dabei das Klima zu schädigen! Und während vor sechs Jahren ganze sechs Prozent des Landesverbrauchs auf diese Weise „grün“ produziert worden sind, gibt es heute nicht nur ambitionierte Pläne, sondern auch schon konkrete Fortschritte. Mittlerweile werden über 20 Prozent der Energie mittels Sonne und Wind, aus Wasserkraft oder Geothermie erzeugt.

Außerdem hat man sich vorgenommen, das erste OECD-Land zu werden, in dem keine Kohle zur Stromgewinnung verbrannt wird und den Anteil der Erneuerbaren in den nächsten 30 Jahren auf über 70 Prozent steigen zu lassen. Eine aktuelle Studie vom Juni hält es sogar für möglich, bereits im Jahr 2040 keinerlei Emission von Treibhausgasen für die Energieerzeugung zu verursachen.

Blick auf Santiago de Chile und die schneebedeckten Anden
Solarpanele auf dem Kirchendach der EKD-Auslandsgemeinde in Santiago de Chile
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gründungsveranstaltung von

Die COP25 steht nun vor der großen Aufgabe, weltweit den Wandel zu einem klimafreundlicheren Verhalten der Menschheit konkret politisch zu unterstützen, denn dabei sind noch weit mehr Bereiche als die Stromerzeugung betroffen. Die Auswirkungen für alles Leben auf der Erde könnten noch weit schlimmer sein, als sie derzeit in Santiago de Chile zu erleben sind.

Religiöse Vertreter gründen „Allianz für das Klima“

Während der Konferenz werden Mitglieder verschiedener religiöser Gemeinschaften die Politikerinnen und Politiker eindringlich daran erinnern, endlich ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, um das zu schützen, was wir in christlicher Tradition „Gottes Schöpfung“ nennen.

21 verschiedene Kirchen und religiöse Gruppierungen, darunter Katholiken, Muslime, Bahai, aber auch die beiden lutherischen Kirchen Chiles, haben Ende Juli in Santiago eine „Allianz für das Klima“ („Alianza Interreligiosa y Espiritual por el Clima“) gegründet und dazu aufgerufen, die notwendigen Veränderungen jetzt anzugehen. Die ökonomischen und politischen Transformationen müssen schnell stattfinden, damit „die Art wie wir leben, produzieren und konsumieren“ unseren Planeten nicht noch weiter zerstöre, heißt es im Gründungsaufruf.

Ökumenische Gebete für die Bewahrung der Schöpfung

Zur Begleitung der COP25 durch die Allianz soll ein „Interreligiöses und spirituelles Zelt für das Klima“ auf dem Gelände neben dem Konferenzort aufgebaut werden – „spirituell“, damit auch die indigenen Völker Chiles sich einbringen können, denn sie verstehen ihre in manchen Regionen noch sehr lebendigen Glaubensüberzeugungen und Traditionen nicht als „Religion“. Gleichzeitig leben sie oft noch viel mehr von und mit der Natur und sind von Veränderungen besonders betroffen.

Konkret soll es während der gesamten Zeit, in der die COP25 stattfindet, Tag und Nacht Gebete, Meditationen und Rituale geben, die an unsere Verantwortung erinnern, Missstände anklagen und den kulturellen und spirituellen Wandel, den unsere Erde braucht, unterstützen wollen – damit es bald in allen Teilen der Welt gute Nachrichten über das engagierte Handeln angesichts des Menschheitsproblems Klimawandel gibt.

Johannes Merkel


Pastor Johannes Merkel teilt sich seit 2014 mit seiner Frau Nicole Oehler die Pfarrstelle der Versöhnungsgemeinde (EKD-Auslandsgemeinde) in Santiago de Chile.