Keine Lockerung des Embryonenschutzes

Kock fordert Debatte über Menschenwürde

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, hat davor gewarnt, den Embryonenschutz in Deutschland zu lockern. Das weitgehende Verbot der Forschung an menschlichen Embryonalzellen müsse aufrecht erhalten werden, sagte Kock am Sonntag, 2. November, in seinem Bericht vor der EKD-Synode in Trier. Der Begriff der Menschenwürde müsse die Grundlage des Schutzes menschlicher Embryonen bleiben.

Der Ratsvorsitzende mahnte, den in Deutschland geltenden Schutz menschlicher Embryonen nicht durch Regelungen auf europäischer Ebene aufzuweichen. Voraussichtlich noch in  diesem Jahr werde der EU-Ministerrat darüber entscheiden, die Förderung von Forschungsarbeiten mit menschlichen embryonalen Stammzellen auszuweiten. Die EKD habe sich ebenso wie die katholische Kirche dagegen ausgesprochen. Durch eine solche Neuregelung werde nicht nur "dieser ethisch hoch problematische Forschungsbereich" weiter ausgebaut. Auch das vergleichsweise strenge Verbot, in Deutschland mit menschlichen Embryonalzellen zu arbeiten, ließe sich auf Dauer kaum aufrecht erhalten.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries habe in jüngsten Äußerungen zu erkennen gegeben, dass sie den im Labor erzeugten Embryonen den durch das Grundgesetz garantierten Schutz der Menschenwürde nicht zuerkennen wolle. "Aber an welcher anderen Stelle der biologischen Entwicklung des Menschen soll der Schutz der Menschenwürde dann in plausibler Weise einsetzen?" fragte der Ratsvorsitzende. Kock sprach sich dafür aus, den Schutz künstlich erzeugter Embryonen auch zukünftig durch Bezug auf Artikel 1 des Grundgesetzes zu gewährleisten. Kock sieht die Gefahr, dass der Begriff der Menschenwürde in der Bioethikdebatte an Relevanz verliere. Dazu sei eine "breite juristische Debatte zu erwarten und zu fordern", zu der auch die EKD Stellung nehmen werde.

Die EKD trete für eine Weiterentwicklung der Medizintechnik ein und bejahe medizinische Forschung, die der Vermeidung, Linderung oder Heilung von Krankheiten und Schmerzen diene. Abzulehnen seien aber "alle Methoden der Forschung oder Therapie, durch die Menschen, von ihrer embryonalen Gestalt an, bloß als Mittel zur Verbesserung der Heilungschancen anderer Menschen gebraucht werden". Heilung drohe zum Vorwand für Selektion zu werden. Im Bereich der Bioethik sei zu beobachten, dass "mit ideologischem Pathos eine dauerhafte Erlösung von Krankheit suggeriert" werde. Spätestens, wo ökonomische Interessen den Vorrang vor besonnener Abwägung der Folgen und Risiken erhielten, sei "die vom Gebot Gottes gesetzte Grenze" erreicht.

Auch zum Erhalt des Sozialstaates seien "tiefgreifende Veränderungen" notwendig. Der Ratsvorsitzende wies auf die Situation von Senioren hin, die "eine äußerst geringe Rente haben und daher wirklich jeden Cent umdrehen müssen". Sie würden von einer Aufschiebung des Inflationsausgleiches "sehr hart getroffen". In Detailfragen könne man unterschiedlicher Meinung sein. Aber bei der grundsätzlichen Frage, in welche Richtung sich das Gemeinwesen bewege, "geht es an die Substanz unserer christlichen Ethik". Die EKD werde nicht nachlassen, bei allen Veränderungen im Sozialsystem ihre ethischen Grundsätze zu betonen. "Eben weil nach uns nicht die Sintflut kommt und gerade weil wir uns als Kinder Gottes in der Gemeinschaft mit allen Menschen auf der Welt und mit den noch nicht Geborenen wissen, zählt das Eintreten für Generationengerechtigkeit zu den Kernbereichen öffentlicher Verantwortung der Kirche", so Kock.

Zur dauerhaften Stabilisierung des Gesundheitswesen seien ebenfalls Strukturreformen unausweichlich. Die Entwicklung in der medizinischen Forschung ermögliche immer bessere, aber auch immer kostspieligere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Auch eine älter werdende Bevölkerung bedeute höhere Aufwendungen für das Gesundheitssystem. Bei der Reform müsse aber ein Weg beschritten werden, "der die Eigenverantwortung stärkt, gleichzeitig aber nicht aus dem Auge verliert, dass es Kranke gibt, die in besonderer Weise auf die Solidarität der Gemeinschaft angewiesen sind."

In seinem Bericht, der den Abschluss der sechsjährigen Amtszeit des Rates und seines Vorsitzenden markiert, ging Kock auch auf die Entwicklungen im ökumenischen Dialog ein. Der Ökumenische Kirchentag in Berlin sei "ein Meilenstein in der Geschichte der Ökumene" gewesen, ein Ereignis, das 200.000 Teilnehmende zum Feiern und Beten zusammen gebracht und begeistert habe. Kock sagte, er bedauere es sehr, dass einige römisch-katholische Kardinäle und Bischöfe in der Folge von einer "oberflächlichen, verwirrenden und unbotmäßigen" Veranstaltung gesprochen und vor einer "Protestantisierung der römischen Kirche" gewarnt haben. Diese "Versuche, die Ökumene zurückzudrehen" bedeute, die Trennung der Getauften zementieren zu wollen. "Dies wäre ein neuer Skandal", so Kock.

Im Dialog mit nichtchristlichen Religionen sei es wichtig, deutlich Auskunft zu geben über die eigene Glaubensüberzeugung. Der vom Rat der EKD im August 2003 veröffentlichte Text "Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen" sei zum Teil heftig kritisiert worden, weil er anderen Religionen "die Grundaussagen evangelischer Theologie als einen unaufgebbaren Maßstab gegenüberstellt". Solche Kritik sei nach Ansicht Kocks nicht nur unberechtigt, sondern als Ausdruck von Indifferenz "geradezu schädlich" für das Miteinander der Religionen. Bei allem Streben nach Verständigung "können wir die zentrale Wahrheit des christlichen Glaubens nicht außer Acht lassen." Im Dialog mit dem Islam gelte es, sich um eine ausgewogene Haltung zu bemühen. Trotz der Unklarheiten und neuer Verdachtsmeldungen über islamische Vereinigungen warnte Kock davor, "dem Islam insgesamt eine Gewalt verstärkende Rolle zuzuschreiben."

Den auf der Synodentagung neu zu wählenden Rat ermutigte Kock, dem Gebiet evangelischer Publizistik "erneut große Aufmerksamkeit zu widmen". Hier seien in den vergangenen Jahren Ergebnisse erzielt worden, "die es lohnt hervorzuheben". Kock nannte die Umwandlung des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblattes in das Monatsmagazin Chrismon, die Entwicklung und Umstrukturierung des Gemeinschaftswerkes Evangelischer Publizistik (GEP) und die erfolgreiche Internetarbeit. So habe sich das Internetangebot der EKD (www.ekd.de) mit etwa 6 Millionen Zugriffen pro Monat als das unbestrittene "Portal" für das Gesamtangebot des deutschen Protestantismus durchgesetzt. "Hier sind die bisherigen Anstrengungen genauso zu loben wie künftige zu ermöglichen."

Trier, 1. November 2003
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Hinweis: Die Synode der EKD tagt vom 2. bis 7. November in der Europahalle in Trier. Im Mittelpunkt steht die Wahl des neuen Rates. Informationen zur Synodentagung finden Sie im Internet unter www.ekd.de/synode2003. Die EKD-Pressestelle erreichen Sie während der Tagung unter der Rufnummer 0651-146 09 56. Unter dieser Nummer oder unter pressestelle@ekd.de können Sie den Ratsbericht im Wortlauf anfordern. Nach Ablauf der Sperrfrist können Sie ihn auch im Internet nachlesen.

Wortlaut des Ratsberichtes

Videofilme vom Ratsbericht (Ausschnitte)