Bundespräsident ruft zu gesellschaftlichem Dialog auf

Bei der Aktion „Deutschland spricht“ wendet sich Frank-Walter Steinmeier gegen Dauerempörung und ermutigt zum Gespräch

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum gesellschaftlichen Dialog und zur Stärkung der Demokratie aufgerufen. Die zwischen den verschiedenen Lebenswelten im Land entstandenen Mauern, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt „inzwischen für alle spürbar im Wege stehen“, müssten überwunden werden, sagte Steinmeier laut Redemanuskript bei der Veranstaltung „Deutschland spricht“ des Nachrichtenportals „Zeit online“ in Berlin. Es müsse mehr darüber gesprochen werden, was gut sei in diesem Land.

„Die Fliehkräfte wirken lange nicht mehr nur in Internetforen, sondern auf offener Straße“, betonte der Bundespräsident: „Aus gesellschaftlichen Haarrissen sind tiefe Gräben geworden.“ Auf deutschen Straßen zeigten sich Wut und Protest, Hass und Gewaltausbrüche.

Frontalangriff auf die Demokratie

„Wir erleben Dauerempörung, eine sozialmoralische Rage, mit der Gruppen regelrecht gegeneinander in den Kulturkampf ziehen“, führte Steinmeier aus: „Und wir erleben sogar, dass dabei die Existenzberechtigung des Anderen in Abrede gestellt wird.“ Die Verächtlichmachung der demokratischen politischen Ordnung als „System“ sei dabei in der Regel ein Frontalangriff auf die liberale Demokratie und ihre Institutionen.

„Krawallprofis machen in immer mehr deutschen Städten Schlagzeilen“, kritisierte der Bundespräsident: „Chemnitz und Köthen haben uns in den letzten Tagen besonders beschäftigt.“ Nur Ostdeutschland in den Blick zu nehmen, sei jedoch unredlich. Ebenso einseitig sei es, den Blick nur nach rechts zu richten. Die Gewalttätigkeiten beim G20-Gipfel in Hamburg seien „sicherlich auch kein Angebot zum respektvollen, ergebnisoffenen Dialog“ gewesen.

Drahtzieher aus dem Westen

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnte mit Blick auf die rechtsextremen Vorfälle in Chemnitz und Köthen davor, den Radikalismus auf die Prägungen der ehemaligen DDR-Bevölkerung zurückzuführen. „Ich akzeptiere nicht, dass daraus ein Ost-West-Problem gemacht wird“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag“: „Ein erheblicher Teil der Drahtzieher dieses Gedankenguts kommt aus dem Westen.“

Auch die Einwohner der pfälzischen Stadt Kandel, wo eine 15-Jährige mutmaßlich von ihrem afghanischen Ex-Freund erstochen wurde, erlebten in letzter Zeit ständig Demonstrationen von Rechten, betonte Schäuble. Kein Mensch komme deshalb auf die Idee zu fragen, was die Pfalz falsch gemacht habe, weil es dort zu derartigen Kundgebungen komme. „Ich sehe keinen Unterschied zwischen Kandel und Köthen“, sagte Schäuble.

Bei „Deutschland spricht“ hatten sich rund 28.000 Menschen angemeldet, um mit Menschen gegenteiliger Meinungen ins Gespräch zu kommen. Die Aktion wird von „Zeit Online“ organisiert, die gemeinsam mit 11 deutschen Medienpartnern – darunter auch evangelisch.de und chrismon – zum Gespräch geladen haben. Deutschlandweit sind daraus 8.740 vermittelte Gespräche geworden. (epd/evangelisch.de)