Geistlicher Impuls zum Fasten

Frei für Gott und den Nächsten

Segelboot in der Ostsee vor blauem Horizont

Zum Fasten gehört immer auch eine spirituelle Dimension: Es bietet die Chance zur Selbsterkenntnis, zur Umkehr und zum Aufbruch.

Der Protestantismus hat das Fas­ten wiederentdeckt! Seit den 60er Jahren entwickelte sich die Überernährung mehr und mehr zu einem Gesundheitsproblem. Diät­ und Fastenkuren boten sich als Ausweg an. Der Boden war bereitet für das Fasten als geistliche Übung. Damit müssen sei­ne nichtspirituellen Aspekte keineswegs ausgeblendet werden. Vielmehr stellt das Fasten eine ganzheitliche Übung dar, die gesundheitliche, spirituelle und sozial­politische Aspekte umfasst. Fas­ten gibt es nur im Dreierpack!

Zum Fasten gehört die Ausrichtung auf den Nächsten

Es ist hier nicht der Ort, um die posi­tiven Auswirkungen des Fastens auf den menschlichen Organismus zu entfalten, die weit über das Moment der Entschla­ckung hinausgehen. Auch der sozial­-politische Aspekt des Fastens soll nur kurz bedacht werden: Schon das Alte Testament warnt davor, das Fasten los­gelöst vom Dienst am Nächsten zu be­trachten (Jes 58,1–12). Jesus verschärft diese Kritik am Fasten als selbstzentrier­te religiöse Übung noch (Mt 6,16–18). Zum Fasten gehört untrennbar die Ausrichtung auf den Nächsten. Fasten als politisches Mittel, um gegen gesell­schaftliches Unrecht zu protestieren, besitzt also durchaus eine biblische Be­gründung. Allerdings verkommt es ohne die Berücksichtigung der spirituellen Di­mension zum Druckmittel in der tages­politischen Auseinandersetzung.

Fastende gewinnen einen Raum, in dem Neues wachsen kann

Welche spirituellen Konsequenzen besitzt das Fasten? Beim Fasten legt der Mensch die vielen Ersatzbefriedigungen aus der Hand, die ihn betäuben und blind machen gegenüber seiner eigenen Realität. Fastende lernen, sich so zu se­hen, wie sie wirklich sind, und brauchen nicht länger vor sich selbst davonzu­laufen. Indem Fastende ihre Wünsche und Begierden aus der Hand geben, machen sie deutlich, dass letztlich nur Gott selbst ihren Hunger und ihre Sehn­sucht nach Leben zu stillen vermag. „Im Fasten erkennt der Mensch seine Ge­schöpflichkeit an, den Spalt des Nichts, der in seiner Existenz klafft, und betet Gott als seinen Schöpfer an, der allein seinen Mangel an Sein beheben kann als das unendliche und ewige Sein“ (Søren Kierkegaard). Indem Fastende das Selbstverständliche durchbrechen, werden sie vor Lebensüberdruss be­wahrt. Sie gewinnen einen Raum, in dem Neues wachsen kann. Sie werden frei zur Buße, zum Umdenken und zur Umkehr als Grundakte des Evangeli­ums.

Die Bewohner von Ninive reagie­ren auf die Bußpredigt des Propheten Jona, indem sie fasten, und erleben so Gottes Barmherzigkeit (Jona 3,5). Fasten verändert die Wahrnehmung der Welt. Es stellt einen Protest gegen jede Form von Materialismus und da­mit gegen die Tyrannei des Sichtbaren dar. Indem es Distanz zur sichtbaren Welt bringt, verschafft es den nötigen Freiraum, um sich mit den Dingen der unsichtbaren Welt Gottes zu beschäfti­gen. Die Evangelien gehen davon aus, dass das Fasten die Ernsthaftigkeit des Gebets unterstützt (Mk 9,29), ja sogar seine Wirksamkeit erhöht. Fasten för­dert die Sensibilität für Gottes Wort und seinen Willen und bereitet so auf die Begegnung mit Gott vor (Dtn 9,9; Mt 4,1–17).

Prof. Dr. Peter Zimmerling


Der Text stammt aud dem Magazin „Grüße aus dem Kirchenjahr. Kirchliche Feiertage als kultureller Reichtum“ der EKD.

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Die Fastenaktion der evangelischen Kirche