(v.l.n.r.) Daniela Fricke, Angela Marquardt, Dr. Anne Gidion, Dr. Christine Bergmann, Ulrich Lilie, Kerstin Claus, Detlev Zander, Nancy Janz, Dr. Christoph Meyns, Karl Haucke

Gemeinsame Erklärung und Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen

Gemeinsame Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards

Am 13.12.2023 wurde die „Gemeinsame Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards“ durch die Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union – als Vertretung der EKD –, den Präsidenten der Diakonie Deutschland – als Vertretung der Diakonie Deutschland – und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) unterzeichnet.

Ziel der Gemeinsamen Erklärung ist die umfassende, vergleichbare und transparente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den evangelischen Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden. Wesentlicher Bestandteil für die Erreichung dieses Ziels ist die Einrichtung Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen. Diese sollen eine niedrigschwellige Erreichbarkeit auch für Betroffene im Kontext der evangelischen Kirche und der Diakonie sicherstellen. Teilweise haben sich Landeskirchen hierfür auch zu Verbünden zusammengeschlossen, in denen die entsprechenden diakonischen Landesverbände beteiligt sein werden.

Ulrich Lilie, Kerstin Claus, Anne Gidion
Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie, Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Prälatin Anne Gidion, Beauftragte des Rates der EKD (v.l.n.r.)
Gemeinsame Erklärung

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  • Was heißt Aufklärung und unabhängige Aufarbeitung im Rahmen dieser Gemeinsamen Erklärung?
    • Benennung der Taten, Ursachen und Folgen von sexualisierter Gewalt im Raum der Evangelischen Kirche und Diakonie sowie die Erfassung von Erfahrungen betroffener Menschen sowohl bezogen auf die Taten als auch im Kontext von Aufklärung und Aufarbeitung,
    • Identifikation von Strukturen, die sexualisierte Gewalt ermöglicht, begünstigt oder deren Aufdeckung erschwert haben, 
    • Anerkennung des geschehenen Unrechts und des verursachten Leids und der oft lebenslangen Folgen für Betroffene sowie die Ermöglichung einer Umsetzung des Rechts auf individuelle Aufarbeitung, 
    • Untersuchung des administrativen und verfahrensrechtlichen Umgangs mit Vorfällen sexualisierter Gewalt, sowohl mit Blick auf Betroffene sowie auf Täter*innen bzw. Beschuldigte.
       
  • Welches Ziel hat institutionelle Aufarbeitung?
    • einen institutionellen und gesellschaftlichen Reflexionsprozess anregen und aufrechterhalten,
    • Betroffenen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Zugang zu den sie betreffenden Informationen und Unterlagen ermöglichen, sie an Prozessen der Aufarbeitung beteiligen und sie zum erfahrungsgeleiteten Diskurs befähigen,
    • dazu beitragen, aus gewonnenen Erkenntnissen weitere Schlussfolgerungen für den Schutz vor sexualisierter Gewalt zu ziehen, 
    • einen Beitrag zur gesamten kirchlichen, diakonischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung leisten,
    • den Schutz von Kindern, Jugendlichen und allen Menschen vor sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie sowie Gesellschaft unter Einbezug der sich entwickelnden Aufarbeitungsexpertise fokussieren und stärken.
       
  • Wie wurde die Gemeinsame Erklärung erarbeitet?

    Die Gemeinsame Erklärung wurde durch die UBSKM, die bei ihr angesiedelte AG Kirchen und die AG Aufarbeitung des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt innerhalb eines intensiven Aushandlungsprozesses entwickelt.

  • Wofür gibt es eine Auslegungshilfe?

    Die Auslegungshilfe ist als Begleitdokument zur Gemeinsamen Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards zu verstehen. In dem Dokument werden einzelne, innerhalb der Gemeinsamen Erklärung angeführte Punkte erläutert.
    Dies bezieht sich vor allem auf die Struktur und Aufgaben der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen sowie die strukturelle Beteiligung von Betroffenen und deren Mitarbeit in diesen Kommissionen. Nach fachlicher Notwendigkeit kann die vorliegende Auslegungshilfe gemeinsam durch die Unterzeichner*innen der Gemeinsamen Erklärung und die bei ihnen angesiedelten Strukturen angepasst werden.

Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen

Die Gemeinsame Erklärung über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards  stellt die Arbeitsgrundlage der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen dar. Zum Stand des Abschlusses der Gemeinsamen Erklärung (13.12.2023) haben sich die Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie zu neun Verbünden zusammengeschlossen, die jeweils eine Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission bilden. 

  • Was sind die Aufgaben der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen?
    • Quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um deren Ausmaß in den beteiligten Landeskirchen und den Gliederungen der diakonischen Landesverbände zu erkennen,
    • Qualitative Analysen zur Identifikation von Strukturen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen, begünstigen, deren Aufdeckung erschweren oder dies in der Vergangenheit getan haben,
    • Untersuchung und Evaluierung des administrativen und verfahrensrechtlichen Umgangs mit Betroffenen und weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden und Ermöglichung der individuellen Aufarbeitung Betroffener, 
    • Unterstützung, Evaluierung und Beratung der beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände im Hinblick auf die institutionelle Aufarbeitungspraxis und die unabhängige Aufarbeitung konkreter Fälle sowie deren quantitative und qualitative Analyse. 
       
  • Wie setzen sich die Mitglieder der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen zusammen?

    Die Mitglieder der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen setzen sich aus

    • (mind. zwei) Betroffenen (aus dem Raum der evangelischen Kirche oder Diakonie),
    • Expert*innen, die gesellschaftliche Verantwortung tragen (bspw. aus der Geschichtswissenschaft, Archivwesen, Rechtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Pädagogik oder Theologie)
    • sowie Vertreter*innen der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie zusammen.

     

    Erst mit Benennung und Berufung aller Mitglieder der jeweiligen Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission findet die erste Sitzung statt. Dadurch wird sichergestellt, dass von Beginn an alle Mitglieder gleichberechtigt ihre Arbeit aufnehmen und die Arbeitsstrukturen gemeinsam gestalten.

     

  • Wie werden Betroffene beteiligt?

    Bereits bei der Ausarbeitung der Gemeinsamen Erklärung und der Auslegungshilfe waren während des gesamten Arbeitsprozesses Betroffenenvertreter*innen aus der AG Kirchen Aufarbeitung und aus der AG Aufarbeitung des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt beteiligt. Die Zustimmung der EKD zur Gemeinsamen Erklärung basiert auf einem Beschluss des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt.

    Auch in den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen ist die Betroffenenpartizipation ein entscheidendes Kernelement. Dafür wurde gemeinsam ein Modell der Betroffenenpartizipation entwickelt, das zum einen eine grundlegende Vernetzung betroffener Personen im Bereich der evangelischen Kirche und Diakonie zu sexualisierter Gewalt sichern soll als auch die Bildung der Betroffenenvertretungen in den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen regelt.

  • Wie bilden sich die Betroffenenvertretungen in den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen?

    Es werden neun Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen gebildet. In jeder dieser Kommissionen werden Betroffenenvertreter*innen als Mitglieder arbeiten. Die Bildung der Betroffenenvertretungen der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen findet nach einem Stufenmodell statt:

     

    Forum für Betroffene

    Die in der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission beteiligten Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie – allein oder in Verbünden – rufen jährlich und öffentlich zu einem Forum für Betroffene auf. Im ersten Forum für Betroffene wird umfassend zu den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen informiert (Arbeit und Struktur der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen, Aufgaben der Kommissionsmitglieder, zeitliche Belastung) und die bereits benannten kirchenexternen und kircheninternen Mitglieder der Kommissionen vorgestellt.

     

    Workshop

    Im Anschluss an das erste Forum für Betroffene werden alle an einer Mitarbeit in den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen Interessierten zur Teilnahme an einem Workshop eingeladen. An dem Workshop nehmen neben interessierten Betroffenen die bereits benannten kirchenexternen und kircheninternen Mitglieder der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen, ein Begleitteam (Supervision, Moderation) und ggf. weitere Fachkräfte teil. Mindestens eine Person des Begleitteams sollte über Expertise in der Begleitung Betroffener von sexualisierter Gewalt verfügen.

    Die Inhalte des Workshops sind

    • Kennenlernen der Teilnehmenden
    • Klare und transparente Vorstellung der Arbeit der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen und Arbeit der Mitglieder
    • Austausch
    • Klärung von Fragen

     

    Betroffenenvertreter*innen für die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission

    Die Betroffenenvertretung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission setzt sich aus den betroffenen Personen zusammen, die im Anschluss an den Workshop Interesse an einer Mitarbeit in der Betroffenenvertretung zeigen. Für die direkte Mitarbeit in der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission benennt die Betroffenenvertretung selbst die Mitglieder aus der Gruppe der Betroffenen. Sollten so viele Personen nach dem Workshop Interesse an einer Mitarbeit in der Betroffenenvertretung zeigen, dass eine Arbeitsfähigkeit nicht sichergestellt ist, erfolgt eine Auswahl durch externe Expert*innen.

    Für eine Vernetzung der Betroffenen berichtet die Betroffenenvertretung an das Forum für Betroffene und nimmt Anliegen auf. Außerdem soll perspektivisch auch die digitale Vernetzungsplattform BeNe die Vernetzung betroffener Personen unterstützen und zur Arbeit der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen informieren.

  • Welche neun Verbünde gibt es und wie setzen sich die Verbünde zusammen?

    Zum Stand des Abschlusses der Gemeinsamen Erklärung haben sich die Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie zu neun Verbünden zusammengeschlossen, die jeweils eine Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission bilden.

    Verbund „Konföderation und Bremen“

    • Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig
    • Bremische Evangelische Kirche
    • Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers
    • Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg
    • Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe
    • Evangelisch-reformierte Kirche
    • Diakonisches Werk Bremen
    • Diakonisches Werk Niedersachsen
    • Diakonisches Werk Oldenburg
    • Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe
    • Diakonisches Werk der Ev.-reformierten Kirche


    Verbund „Nordost“

    • Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland
    • Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
    • Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
    • Diakonisches Werk Hamburg
    • Diakonisches Werk Mecklenburg-Vorpommern
    • Diakonisches Werk Schleswig-Holstein


    Verbund „Südwest“

    • Evangelische Landeskirche in Baden
    • Evangelische Kirche in der Pfalz
    • Diakonisches Werk Baden
    • Diakonisches Werk Pfalz


    Verbund „Bayern“

    • Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
    • Diakonisches Werk Bayern


    Verbund „Württemberg“

    • Evangelische Landeskirche in Württemberg
    • Diakonisches Werk Württemberg


    Verbund „West“

    •  Lippische Landeskirche
    • Evangelische Kirche im Rheinland
    • Evangelische Landeskirche von Westfalen
    • Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe


    Verbund „Hessen“

    • Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
    • Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
    • Diakonisches Werk Hessen


    Verbund „Ost“

    • Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
    • Evangelische Landeskirche Anhalts
    • Diakonisches Werk Mitteldeutschland


    Verbund „Sachsen“

    • Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens
    • Diakonisches Werk Sachsen
       
  • Wodurch wird die Unabhängigkeit der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen gewährleistet?

    Um die Unabhängigkeit der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen zu gewährleisten, dürfen weniger als 50 Prozent der Mitglieder Beschäftigte der evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören.

    Die Mitglieder der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen aus dem Kreis der Betroffenen werden durch die Betroffenenvertreter*innen selbst benannt. Die Benennung der externen Expert*innen erfolgt unabhängig durch die jeweiligen Landesregierungen.