Gottesdienst in Santiago de Chile erinnert an die „Friedliche Revolution“ in der DDR

Bewegende Berichte von Zeitzeugen aus dem Jahr 1989

Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Versöhungsgemeinde in Santiago de Chile zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution

Die Kirche „Zum Guten Hirten“ der evangelisch-lutherischen Versöhnungsgemeinde in Santiago de Chile war am 29. September gut besucht. Die Gemeinde feierte einen besonderen Gottesdienst, bei dem Zeitzeugen der Friedlichen Revolution von ihren Erinnerungen an 1989 berichteten.

Wer am Sonntagvormittag in der chilenischen Hauptstadt Santiago zum Gottesdienst geht, erwartet wohl kaum, mit Ereignissen, die sich vor 30 Jahren in 12.000 Kilometer Entfernung ereignet haben, konfrontiert zu werden. Doch am 29. September kamen viele Menschen gerade deswegen in die evangelisch-lutherische Versöhnungsgemeinde. Die Kirche „Zum Guten Hirten“ war jedenfalls gut besucht. Viele der Anwesenden sagten hinterher, dass sich das Kommen mehr als gelohnt habe.

Berichte von Zeitzeugen berühren noch heute

Worum ging es also? Auch in Santiago de Chile leben Zeitzeugen, die die „Friedliche Revolution“ von 1989 miterlebt haben und denen sie noch heute wichtig ist. Auch in der chilenischen Hauptstadt lassen sich Menschen von den einschneidenden Transformationsprozessen in Osteuropa bewegen und inspirieren.

So lauschte die Gemeinde sehr bewegt den Worten einer Lehrerin der Deutschen Schule, die als Kind über die deutsch-deutsche Grenze geschmuggelt worden war. In einer umgebauten Isetta konnte sie mit ihrer Mutter versteckt und unbemerkt über den Todesstreifen gebracht werden. Danach waren sie mit dem Vater  wiedervereinigt – aber die Großeltern und Freunde lebten plötzlich auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“.

Pastor Johannes Merkel erlebte als 12jähriger Friedensgebete und Demonstrationen in seiner sächsischen Heimat. „Damals konnte man sich den Mauerfall noch nicht vorstellen und wusste nicht, dass es am Ende gut ausgeht“ sagte der von der EKD nach Chile entsandte Theologe. „Es ist eine Zeit, die ich nie vergessen werde und die auch mein Verständnis vom Christsein geprägt hat.“

Um den Beitrag der Evangelischen Kirche zur „Friedlichen Revolution“ noch genauer in den Blick nehmen zu können, hatte die Versöhnungsgemeinde zusammen mit dem ortsansässigen Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung außerdem Professor Richard Schröder eingeladen, der vor 30 Jahren am Runden Tisch und in der ersten frei gewählten Volkskammer saß. Und auch Botschafter Christian Hellbach konnte persönliche Erfahrungen in seinem Statement einbringen. Er arbeitete 1990 am Einigungsvertrag mit und gewann später durch seine berufliche Tätigkeit einen besonderen Blick auf die Entwicklungen im gesamten Osteuropa.

Gerufen zur Freiheit im Großen und Kleinen

Neben dem Staunen darüber, was sich alles in so kurzer Zeit verändert hatte, erfüllte Dankbarkeit die Anwesenden. Und Pastorin Hanna Schramm von der Erlösergemeinde sprach in ihrer Reflexion passend zu den damaligen Ereignisssen von der Freiheit, zu der wir auch heute im Großen und Kleinen gerufen sind.

Für den festlichen Rahmen sorgten die Chöre „Divertimento“ und „Ex-Alumnos del Colegio Alemán“ mit Stücken aus Joseph Haydens „Schöpfung“ und ein sich anschließender Empfang mit Sekt und deutschen Brezeln. Dort wurde auch auf die neue Kirchenbeleuchtung und die Eröffnung einer Ausstellung mit dem Titel „Die ‚Wende‘ begann von unserer Haustür“ angestoßen.

Johannes Merkel


Der Autor ist Pastor an der evangelisch-lutherischen Versöhungsgemeinde in Santiago de Chile.