Grußwort: 125 Jahre Bahnhofsmission für das Licht der Welt

Der Ratsvorsitzender der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm

Liebe Schwestern und Brüder,

„Ihr seid das Licht der Welt!“ Was für eine Verheißung, die Jesus seinen Jüngern da zuspricht! Alle waren sie um ihn damals, und hörten, was Jesus ihnen zu sagen hatte. Und dann dies: Keine theologischen Formeln, keine Versuche der Welterklärung, keine Ermahnungen – nein ganz einfache Sätze und Zusagen. Seligpreisungen. Und danach eben dieses starke Wort: „Ihr seid das Licht der Welt!“ 

 „Licht“! Ein urbiblisches Thema! Licht gehört zu Gott, ist geradezu eine Eigenschaft Gottes. „Gott lasse sein Angesicht leuchten über euch“, so hören wir bis heute in dem Segen, der am Ende unserer Gottesdienste gesprochen wird. Jesus sagt von sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt!“ Und am Ende aller Zeiten, im himmlischen Jerusalem, so hören wir, wird Gottes Gegenwart diese Stadt so hell machen, dass alle Lichter überflüssig sind. 

„Ihr seid das Licht der Welt“: welch ein Satz! Jesus gibt das göttliche Licht weiter an uns, die wir ihm nachfolgen wollen. Wir tragen das göttliche Licht in uns. Und wir strahlen es aus: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Das Licht, die Strahlkraft des Glaubens, soll nicht ungesehen unter dem Scheffel stehen, sondern von allen gesehen werden können.

Wenn ich mir die vielen Menschen, die sich nun seit 125 Jahren in der Bahnhofsmission engagieren, vor Augen halte, dann habe ich sie vor mir, diese Strahlkraft des Glaubens. Das Licht in die Welt zu tragen ist ja nicht nur ein spiritueller Akt. Die Kerzen, die wir im Gottesdienst entzünden, die wir in der Osternacht oder auch im Advent und an Weihnachten entzünden, sind ja nur symbolische Zeichen. Das Licht in die Welt zu tragen, hat eine sehr konkrete Gestalt: Menschen helfen ihren Nächsten. Helfen, dass sie aus dem Dunkel ihrer Angst und Hoffnungslosigkeit ins Helle kommen. 

In den Bahnhofsmissionen legen Christen Zeugnis ab: Wir Christen sind da! Wir engagieren uns für die Gemeinschaft. Und wir gehen mit Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft.

Die Nächstenliebe ist kein Nebenprodukt des Christentums, sondern sie gehört zum Kern des Christentums. Gottesliebe und Nächstenliebe sind untrennbar miteinander verbunden. Die im Zusammenhang mit dem Gebot der Nächstenliebe von Jesus aufgestellte „Goldene Regel“ heißt: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ Das ist keine Sonderethik der Christen, sondern zugänglich für alle Menschen guten Willens. Es leuchtet doch ein: Wenn ich mich in einer Situation besonderer Verletzlichkeit befinde, hoffe ich auf einfühlsame Mitmenschen. Also handele ich an ihnen auch so.

Bahnhöfe sind Orte mit und für Menschen, an denen – manchmal im scheinbar Kleinen - die großen Themen des Lebens ihren Platz haben: Ankommen – und bleiben. Empfangen werden – und Abschied nehmen. Und die Liebe.

Immer wieder rührt es mich an, wenn ich am Gleis stehe und auf einen Zug warte und dann sehe ich Menschen mit Tränen in den Augen, die für wie auch immer lange Abschied zu nehmen haben. Oder ich sehe Menschen, die voller Glück auf jemanden, der ankommt, zurennen und ihn umarmen. Oder es sind ganz banale Gefühle des Ärgers, wenn die Bahnverbindung nicht wie geplant funktioniert. Aber auch das Lächeln auf vielen Gesichtern, wenn ein Bahnansager durch den Lautsprecher eine pfiffige Ansage macht.

Und ab und zu sehe ich Menschen, die das Symbol der Bahnhofsmission tragen. Man braucht das Symbol gar nicht sehen. Man merkt es schon an der liebevollen Begleitung, die etwa Menschen im Rollstuhl erfahren, dass hier die Bahnhofsmission unterwegs ist.

Die vielen Menschen, die für die Bahnhofsmission tagtäglich ihren Dienst tun, die nicht zögern und fragen sondern anpacken und zupacken, geben den Menschen Hilfe, schaffen Orientierung und Wegweisung. Sie geben Wärme, Solidarität und Liebe. Und sie geben damit das Licht Gottes weiter. 

„Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Die Menschen, die in der Bahnhofsmission Dienst tun, sind nichts weniger als ein Hinweis auf den Gott, der uns aus Liebe geschaffen hat, der in Jesus Christus die Liebe hat Mensch werden lassen, und von dem am Ende alle Liebe, die wir zeigen, ausgeht. 

Und weil es keinen katholischen oder evangelischen Christus gibt, sondern nur den einen Herrn Jesus Christus, deswegen tun Sie diesen Dienst in ökumenischer Geschwisterlichkeit und versuchen damit, dieses Wort Jesu ernst zu nehmen. „Ihr seid das Licht der Welt“. 

Liebe Schwestern und Brüder in der Bahnhofsmission: Danke für dieses Zeugnis! Lob und Preis unserem Gott für 125 Jahre Bahnhofsmission!

Amen.