„Bleiben wir friedensfindig“
Dialogpredigt auf dem Kirchentag wird zu friedensethischem Verhandlungsort
In einem Friedensgottesdienst auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag haben die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Friedensbeauftragte des Rates der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer, mit einer Dialogpredigt am Freitag ein Beispiel der Verständigung verschiedener friedensethischer Perspektiven gesetzt. In der vollbesetzten Neustädter Hof- und Stadtkirche Hannover wurde deutlich: Kirche kann ein Ort sein, an dem unterschiedliche Sichtweisen nicht nur nebeneinanderstehen, sondern aktiv ins Gespräch gebracht werden.
„Die Zahl der Kriegsopfer hat sich verdoppelt – wir erleben weltweit ein Maß an Gewalt, das seit 30 Jahren nicht mehr erreicht wurde“, erinnerte Bischöfin Fehrs unter Berufung auf das aktuelle Friedensgutachten. Auch der Klimawandel, an dem Europa mittelbar und unmittelbar mitwirke sei ein Kriegstreiber.
Fehrs stellte die Frage nach der persönlichen und politischen Verantwortung, besonders im Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine: „So sehr das Gebot der Gewaltlosigkeit Jesu mich immer geprägt und überzeugt hat, so sehr ringe ich doch mit der Verantwortung, die man auch für andere hat. Man kann für sich selbst Pazifist sein. Aber kann man es auch für andere? Wer Verantwortung trägt, kann nicht ohne Weiteres entscheiden, sich nicht zu wehren und Menschenleben nicht zu schützen.“ Denn liefere man die anderen aus und mache sich mitschuldig, wenn sie verletzt oder getötet werden. Kramer entgegnete: „Ich bleibe bei dem klaren Nein zu Waffen und Hochrüstung.“ Er unterstrich: „Ich weiß, dass Du für den Frieden brennst. Und ich bin auch nicht gegen Landesverteidigung mit Augenmaß – aber es braucht viele kluge Ideen über Waffen hinaus.“
Beide machten deutlich, wie notwendig es ist, die verhärteten Fronten auch in der Debatte zu hinterfragen. „Pazifisten sind nicht zwangsläufig naiv. Aber auch wer sich für militärische Verteidigung einsetzt, ist nicht gleich ein Kriegstreiber“, so Fehrs. „Der erste Schritt ist, aus diesen Zuschreibungen herauszukommen.“
Kramer schloss mit einer Frage, die an den Predigttext 1. Samuel 25,32f anschloss: „Wie kann es gelingen, uns mit ganz anderen Ideen ohne Waffen zu verteidigen? Es geht um Friedensfindigkeit.“ Dazu komme „dass zu einfache ‚Deals‘ ganz sicher keinen nachhaltigen Frieden schaffen können, sondern immer auf Kosten des Schwächeren gehen, wie wir es in der Ukraine gerade befürchten.“
In der Form der Dialogpredigt, einer lebendigen protestantischen Tradition, kamen die unterschiedlichen Sichtweisen zur Sprache – nicht um Einigkeit zu erzwingen, sondern um die gemeinsame Verantwortung für Verständigung im Ringen um gerechten Frieden sichtbar zu machen. „Wir bleiben im Gespräch – das ist evangelisch!“, betonten beide.
Hannover, 2. Mai 2025
Pressestelle der EKD
Lisa Schaube