„Religion: Evangelisch“

Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen zeigt eine Ausstellung über protestantische Häftlinge

Eingang der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen
Das Schicksal der protestantischen Häftlinge im KZ Sachsenhausen ist Thema der Ausstellung „Religion: Evangelisch“ in der Gedenkstätte Sachsenhausen.

„Wir unterlagen äußerst schweren Lebensbedingungen und wurden von den übrigen Häftlingen streng isoliert“, erinnert sich 1946 Propst Heinrich Grüber (1891-1975). Der evangelische Theologe, der zur NS-kritischen Bekennenden Kirche gehörte und unter anderem verfolgten Christen und Juden half, wurde 1940 im KZ Sachsenhausen in Oranienburg inhaftiert. „In der Baracke, in der die geistlichen Würdenträger untergebracht waren, war es sehr kalt“, erinnert sich Grüber, der 1941 nach Dachau verlegt wurde. Und: „Uns war es kategorisch verboten, unter uns Gespräche über religiöse Themen zu führen.“

Das Schicksal der protestantischen Häftlinge im KZ Sachsenhausen ist Thema der neuen Ausstellung „Religion: Evangelisch“, die am 18. März in der Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet wurde. Im Mittelpunkt der in Kooperation mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz erarbeiteten Wanderausstellung stehen die Biografien von 13 Männern, darunter von Pfarrer Martin Niemöller (1892-1984) und dem polnischen Bischof Juliusz Bursche (1862-1942), die wegen ihrer christlichen Überzeugungen in Konflikt mit den Nationalsozialisten geraten waren, sowie von zwei SS-Angehörigen, die aktive Mitglieder der evangelischen Kirche waren.

Als politische Häftlinge registriert

Auch die Rolle von Hans Helwig (1881-1952), der 1937 und 1938 Kommandant von Sachsenhausen war, wird so in den Blick gerückt: 1923 trat er der SA bei, ab 1927 war er Kirchenältester in seiner Heimatgemeinde im Schwarzwald, 1929 ging er zur SS, bis 1942 gehörte er der evangelischen Kirche an. Helwig starb später in seinem Geburtsort, ohne dass er sich jemals strafrechtlich für seine Tätigkeiten in Konzentrationslagern verantworten musste.

Wer aufgrund seiner christlichen Überzeugung nach Sachsenhausen kam, wurde meist als politischer Häftling registriert, heißt es in der kleinen Ausstellung, die bis zum 27. Mai in der Gedenkstätte zu sehen ist und danach in Einrichtungen der evangelischen Kirche gezeigt werden soll. Bis zum Kriegsbeginn 1939 hätten sich nur wenige evangelische Geistliche unter den Häftlingen befunden. Mit der Besetzung von stark protestantisch geprägten Ländern wie den Niederlanden und Norwegen habe sich das im Krieg geändert.

Zusammenhalt der Pfarrer sollte geschwächt werden

Die meisten der protestantischen Pfarrer seien von der SS auf unterschiedliche Häftlingsbaracken verteilt worden, auch um ihren Zusammenhalt zu schwächen, heißt es in der Ausstellung. Von Beginn an habe jedoch der Pfarrer in der unmittelbar an das KZ angrenzenden Kirchengemeinde und spätere Berliner Bischof Kurt Scharf (1902-1990) versucht, den Häftlingen seelischen Beistand zu leisten.

„In unserem Häftlingskommando machen wir jetzt eine Aufstellung, was Christus alles für Winkel im KZ bekommen würde.“ So beschreibt Emil Büge, Häftlingsschreiber in der politischen Abteilung der KZ-Kommandantur, einen Ausschnitt aus dem Alltag im Konzentrationslager, in dem die Häftlinge mit farbigen Winkelzeichen an der Kleidung unterschiedlichen Gruppen zugeordnet wurden.

Gründung einer „illegalen Organisation von zwölf Jüngern“

Und dann folgt eine lange Liste, die auch in der Ausstellung dokumentiert wird: Roter Winkel für politische Häftlinge unter anderem für staatsfeindliches Treiben wegen der Gründung einer „illegalen Organisation von zwölf Jüngern“ und als Wirtschaftssaboteur, denn „aus ein paar Broten und einigen Fischen speiste er 5.000, sagt aber nicht den Trick, wie man das macht“. Schwarzer Winkel als „Arbeitsscheuer“, denn „wegen Landstreicherei wäre er bestimmt festgenommen worden“, für „illegale Betätigung“ wegen des Abhaltens von Versammlungen unter freiem Himmel und als Asozialer, „weil er nicht ans Heiraten denkt und sich der Unterhaltspflicht seinen Eltern gegenüber entzieht“. Gelber Winkel als „Judenkönig“.

„Man lacht vielleicht darüber“, erinnert sich Emil Büge später: „Aber ich frage einen ehemaligen Gestapobeamten, ob nicht schon ein einziger dieser Punkte genügt, ihn auf drei Jahre ins KZ zu bringen.“

Yvonne Jennerjahn (epd)


Die Ausstellung „‚Religion: Evangelisch‘. Protestanten im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936-1945“ in der Gedenkstätte Sachsenhausen ist bis zum 27. Mai täglich von 8 bis 18.30 Uhr zu sehen.