Mentoring für Frauen in der Kirche

Mentoring für Frauen in der Kirche

Das Rahmenkonzept

Frauenreferat der EKD
in Zusammenarbeit mit der Planungsgruppe
September 2000

"...Wir wollen, daß Wirklichkeit, Erfahrungen und Fähigkeiten von Frauen in Kirche und Theologie künftig ebenso zur Geltung kommen wie die von Männern..."
(Auszug aus dem Beschluß der 7. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bad Krozingen 1989)

Die evangelische Kirche hat sich in vielen Beschlüssen und Verlautbarungen zu einer neuen Gemeinschaft von Frauen und Männern, in der beiden Geschlechtern gleiche Lebens- und Entfaltungschancen zuteil werden, bekannt. Neben dem noch heute bedeutsamen und viel beachteten Beschluss der 7. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Bad Krozingen haben die Synoden vieler Landeskirchen das Leitbild der Chancengerechtigkeit bekräftigt.

Die faktische Situation im kirchlichen Arbeitsalltag hält mit dieser Entwicklung jedoch nicht Schritt. Vor allem in herausgehobenen Positionen haben Frauen bisher kaum Fuß fassen können. Überkommene Organisationsstrukturen und tradierte Rollenerwartungen führen zu einer "gläsernen Decke", die qualifizierten Frauen den Aufstieg in leitende Positionen in der Kirche verwehrt.

Mentoring-Programme für Frauen sind ein in öffentlichem Dienst und privater Wirtschaft erprobtes und etabliertes Instrument zur Förderung von Chancengleichheit im Berufsleben sowie ein Beitrag zur Organisationsentwicklung.

"Mentoring für Frauen in der Kirche" setzt an verschiedenen Ebenen der kirchlichen Organisation an. Das Konzept unterstützt den qualifizierten weiblichen Nachwuchs und bezieht darüber hinaus kirchliche Leitungskräfte, Personalverantwortliche und Mitarbeitervertretungen ein. Deshalb ist es besonders geeignet, Chancengerechtigkeit im kirchlichen Arbeitsalltag zu verankern.

Das vorliegende Rahmenkonzept möchte

  • über dieses Personalentwicklungsinstrument informieren

  • die Chancen von Mentoring in der evangelischen Kirche aufzeigen

  • die Diskussion über ein kirchliches Mentoring-Programm einleiten und anregen

  • Voraussetzungen für die Einführung von Mentoring in der evangelischen Kirche darlegen

  • Eckpunkte für ein kirchliches Mentoring-Programm entwickeln, dass sowohl den Gemeinsamkeiten der Landeskirchen als auch der Vielfalt kirchlicher Strukturen Rechnung trägt.
     

I. Was ist Mentoring?

"Mentoring" hat seine Wurzeln in der griechischen Mythologie. Der Begriff geht auf Odysseus zurück, der seinen Freund Mentor bat, sich um seinen Sohn Telemach zu kümmern, während er sich auf Reisen befand· . In Anlehnung an diese Sage versteht man unter einer Mentorin oder einem Mentor eine erfahrene, erfolg- und  einflussreiche Person, die anderen wichtige Kenntnisse und Fähigkeiten für das berufliche Fortkommen vermittelt, die Persönlichkeitsentwicklung unterstützt und Begabungen fördert.

Im angloamerikanischen Raum hat "Mentoring" als wirksame Personalentwicklungsmaßnahme seit langem einen festen Platz in der Arbeitswelt. Mit Mentoring-Programmen werden hier Beschäftigte aus Personenkreisen, die in spezifischen Berufsfeldern oder in Leitungsfunktionen unterrepräsentiert sind (Minoritäten, Frauen), gezielt gefördert, um ihre beruflichen Chancen zu verbessern.

Unterstützt durch die Europäische Union hat sich "Mentoring" als Personalentwicklungsstrategie für den beruflichen Aufstieg von Frauen im Berufsleben auch in deutschen Unternehmen und Verwaltungen etabliert. Mentoring-Programme werden z.B. bei der Deutschen Telecom AG, der Volkswagen AG, der Deutschen Lufthansa AG, der DaimlerChrysler AG, in Stadtverwaltungen, Stadtwerken und Verkehrsbetrieben durchgeführt.

Kern des Mentoring ist die von Mentorin bzw. Mentor und Mentee gestaltete Beziehung. Sie findet außerhalb der normalen Vorgesetzten-Untergebenenbeziehung statt, ist zeitlich begrenzt und wird durch ein spezifisches Fortbildungsprogramm flankiert.

Die Schlüsselrollen, die Mentoring beinhaltet, sind:

  • Coachen: Die Mentorin / der Mentor steht der Mentee bei der zielgerichteten Entwicklung beruflicher und persönlicher Fähigkeiten zur Seite.

  • Beraten: Die Mentorin / der Mentor leistet der Mentee bei der Lösung von Problemen und beim Treffen schwieriger Entscheidungen Beistand und hilft ihr, größere Zusammenhänge zu berücksichtigen und Handlungsmöglichkeiten zu eruieren.

  • Unterstützen: Die Mentorin / der Mentor gibt konkrete Hilfestellungen, ebnet Wege, eröffnet Kontakte und lehrt die Mentee, informelle Kontakte innerhalb und außerhalb ihres eigenen Arbeitszusammenhangs zu nutzen.

Mentoring-Programme können je nach Größe der einzelnen Einrichtungen innerhalb einer Landeskirche, innerhalb einer kirchlichen Organisation oder auch landeskirchenübergreifend - z.B. zwischen östlichen und westlichen Landeskirchen - konzipiert werden.


II. Was soll mit "Mentoring für Frauen in der Kirche" erreicht werden?

Mentoring für Frauen in der evangelischen Kirche

  • macht die beruflichen Potenziale und Fähigkeiten von Frauen sichtbar und erschließt sie für die Kirche

  • ermutigt Frauen, ihre Qualifikationen auf allen Hierarchieebenen aktiv in die "professionelle Kirchenarbeit" einzubringen

    überwindet tradierte Rollenmuster, die der Chancengleichheit von Frauen und Männern entgegenstehen

  • unterstützt Frauen bei der aktiven Berufs- und Lebensplanung

  • gewinnt langfristig mehr Frauen für Führungspositionen

  • setzt Impulse für eine erneuerte Kommunikations- und Kooperationskultur
    fördert die Identifikation mit der kirchlichen Institution und die Arbeitszufriedenheit der Beteiligten

  • festigt die neue Gemeinschaft von Frauen und Männern, in der beide Geschlechter gleiche Lebens- und Entfaltungschancen haben, im beruflichen Alltag der Kirche.

III. Wer kann Mentorin oder Mentor sein?

Personen mit langjähriger beruflicher Erfahrung, die sich in einer führenden Position befinden oder befunden haben, über gute Kontakte verfügen und von ihrem beruflichen Umfeld anerkannt werden, kommen als Mentorin oder Mentor in Betracht.

Die Mentorin / der Mentor:

  • hat Interesse, Frauen zu fördern und Erfahrungswissen weiterzugeben

  • ist bereit, Zeit für das Mentoring-Programm zu investieren

  • bringt Leitungserfahrung ein

  • ist bereit, sich auf einen gegenseitigen Lernprozess einzulassen

  • möchte eigene Führungs- und Coachingfähigkeiten vertiefen

  • ist sensibel für die strukturelle Problematik ungleicher Chancen von Frauen und Männern

Spielt das Geschlecht (k)eine Rolle?

Je nach Anlage des Mentoring-Programms kommen für die Mentorenrolle Frauen und Männer oder nur Frauen in Betracht. Beide Konzepte haben spezielle Stärken.

Mentoring-Konzepte, die nur Mentorinnen vorsehen, haben folgende Vorzüge:

  • Mentorinnen sind weibliches Vorbild und bieten die Chance der persönlichen Identifikation

  • Mentorinnen sind mit den besonderen Schwierigkeiten von Frauen in Führungspositionen aus eigenem Erleben vertraut

  • Mentorinnen verfügen aus persönlicher Erfahrung über individuelle Lösungsstrategien für das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Mentoring-Konzepte, die sowohl Mentorinnen als auch Mentoren vorsehen, bieten folgende Vorteile:

  • Männliche Führungskräfte werden für die Problematik ungleicher Chancen von Frauen und Männern sensibilisiert

  • Das Programm ist auf breiterer Basis verankert, weil Männer über die Mentorenrolle eingebunden sind

  • Es stehen mehr Personen für die Mentorenrolle zur Verfügung

IV. Wer kann Mentee sein?

Je nach Zielsetzung der Mentoring-Programme in den jeweiligen Landeskirchen können die Zielgruppen in Abstimmung mit den jeweiligen Frauenförderplänen und Gleichstellungsbeschlüssen bestimmt werden nach
- den Arbeitsfeldern wie z.B. Seelsorge, Verkündigung, Verwaltung, soziale Dienste und/oder
- den Berufsphasen: Berufseinstieg, Wiedereinstieg, Aufstieg in eine Führungsposition

Die Mentee:

  • möchte ihre Berufs- und Lebensplanung gezielt vorantreiben

  • möchte eigene Projekte mit den Zielen der Organisation verbinden

  • ist bereit, Engagement und Zeit zu investieren

  • hat Mut, neue Situationen kreativ zu gestalten

  • kann sich auf einen dialogischen Lernprozess einlassen

  • hat den Willen und die Fähigkeit, Macht und Risiko zu akzeptieren

V. Voraussetzungen für die Implementierung von "Mentoring für Frauen in der Kirche"

Erfolgreiche Gleichstellungsmaßnahmen brauchen in jeder Organisation die Zustimmung der Leitungsebene. Für das Gelingen des Programms "Mentoring für Frauen in der Kirche" ist es deshalb unerlässlich, dass die kirchlichen Leitungsorgane das Projekt befürworten und seine Durchführung beschließen.

Um das Projekt "Mentoring für Frauen in der Kirche" mit den Voraussetzungen der jeweiligen kirchlichen Organisation in Übereinstimmung zu bringen, setzt die Kirchenleitung in Kooperation mit dem Personalreferat, dem Frauen-/bzw.Gleichstellungsreferat und der Mitarbeitervertretung eine Projektgruppe ein.

Die Projektgruppe

  • konkretisiert die Zielsetzung des Mentoring-Programms

  • bestimmt den Kreis potentieller Mentees

  • legt den Kreis potentieller Mentorinnen und Mentoren fest

  • konzipiert das Rahmenprogramm für Mentees und Mentorinnen und Mentoren in Abstimmung mit dem Burckhardthaus

  • entscheidet über das Verfahren, über welches die Mentees und die Mentorinnen bzw. Mentoren zusammenfinden

  • ermittelt den Finanzbedarf

  • informiert auf breiter Ebene über das geplante Mentoringprogramm

  • begleitet das Programm während der gesamten Laufzeit

Das Planungsteam des Rahmenkonzepts steht zur Beratung und zur Unterstützung der landeskirchlichen Projektgruppen zur Verfügung.

VI. Der idealtypische Verlauf einer Mentoringbeziehung

· Die zuständige Projektgruppe legt ein Verfahren fest, nach dem die Mentoring-Paare gebildet werden. Es gibt drei Grundtypen für das Verfahren:

  1. Anhand von schriftlichen Profilen der Mentorinnen/Mentoren und der Mentees    entscheidet die Projektgruppe über die Zusammensetzung der Paare.

  2. Anhand von schriftlichen Profilen der Mentorinnen/Mentoren können die  Mentees ihre Mentorin / ihren Mentor wählen.

  3. Anhand von schriftlichen Profilen der Mentees können die Mentorinnen oder Mentoren ihre Mentee wählen.

· Nach Abschluss des Auswahlprozesses startet das Mentoring-Programm mit einer Einführungsveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Burckhardthaus. Ziel dieser Einführung ist es, Mentees sowie Mentorinnen und Mentoren in ihre Rollen einzuführen und die konkrete Gestaltung der Mentoringbeziehung vorzubereiten. Die Inhalte dieser Veranstaltung richten sich auch nach der spezifischen Zielsetzung des Programms.
 
· Mentee und Mentorin bzw. Mentor legen ihre Absprachen über die konkrete Ausgestaltung der Mentoring-Beziehung (Häufigkeit und Dauer der Treffen / Aufgaben der Mentee / Aufgaben der Mentorin bzw. des Mentors / mögliche gemeinsame Projekte) in einer Mentoring-Vereinbarung schriftlich fest.
 
· Das Burckhardthaus unterstützt Mentorinnen und Mentoren durch fakultative Seminare, in denen die persönlichen Führungs- und Coachingfähigkeiten vertieft werden.
 
· Die Mentees treffen sich in regionalen Gruppen zum Erfahrungsaustausch. Soweit gewünscht, gibt es auch regionale Treffen der Mentorinnen und Mentoren.

· Der Mentoring-Prozess endet mit einer Abschlussveranstaltung im Burckhardthaus.

· Der Mentoring-Prozess ist in der Regel auf 9 - 12 Monate angelegt.


VII. Pilotprojekt 2001

Ein Pilotprojekt "Mentoring für Frauen in der Kirche" ist für Ende 2001 unter Beteiligung einiger Landeskirchen geplant.
Um die Ergebnisse der Testphase für das Gesamtkonzept optimal nutzbar zu machen, wird eine wissenschaftliche Begleitung durch das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD angestrebt.

15.09.2000
 

Die Planungsgruppe:

für das Frauenreferat der EKD:   
Dr. Kristin Bergmann 
Petra Sprung

für die Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in der EKD:
Gundula Döring

für das Burckhardthaus e.V.:
Helga Riebe

in Kooperation mit den Frauen- und Gleichstellungsreferaten der
- Ev. Kirche in Hessen und Nassau
- Ev. -Luth. Kirche in Bayern
- Ev. -Luth. Kirche in Thüringen
- Nordelbische Ev.- Luth. Kirche
- Ev. Kirche der Pfalz
- Ev. Kirche von Westfalen