Kommunitäten haben Konjunktur - Neuer Trend zur Lebensgemeinschaft

Von Bettina von Clausewitz (epd)

Essen (epd). Die christliche Wohngemeinschaft in Essen besteht aus sechs jungen Singles im Alter von 20 bis 35 Jahren. Die WG im "Weigle-Haus" ist anders als andere. Bis zu zehn Mal am Tag kommt jemand einfach so vorbei. Darunter etliche Kids, die zur Hausaufgabenhilfe, ins Internetcafé, in die Turnhalle oder zum Jugendgottesdienst kommen und aus schwierigen Familienverhältnissen stammen. Sie suchen ein wenig Geborgenheit und finden nicht selten eine spirituelle Heimat.

Kommunitäten und geistliche Gemeinschaften haben Konjunktur. Sie seien ein "Schatz der evangelischen Kirche, den es zu fördern und zu festigen gilt", heißt es in einem Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Jahr 2007. Angesichts schwindender Mitgliederzahlen und im Rahmen ihres Reformprozesses machte sich die EKD auf die Suche nach "protestantischen Profilgemeinden".

"Nach einer Phase, in der wir sehr stark die politische und gesellschaftliche Dimension des Protestantismus betont haben, geht es jetzt darum, die geistliche Tiefe neu zu entdecken", erläutert EKD-Oberkirchenrat Thies Gundlach, der das Votum "Verbindlich leben" betreute. "Wir stehen am Anfang eines neuen Trends." In dem 50-seitigen Papier, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, werden rund 120 Gemeinschaften mit Adressen aufgeführt.

Dabei sind so traditionsreiche Zentren wie Selbitz, Imbshausen oder Gnadenthal. Hinzu kommen rund hundert diakonische Einrichtungen aus dem 19. Jahrhundert. "Allen gemeinsam ist der Selbstanspruch einer verbindlichen Nachfolge im Glauben, auch wenn die Lebensformen ganz verschieden sind", hat Gundlach festgestellt.

Sie reichen von der gastfreien Lebensabschnitts-WG im Ruhrgebiet bis zur klösterlichen Gemeinschaft auf Lebenszeit im Augustinerkloster zu Erfurt. "Für uns sind feste Gebetszeiten vier Mal täglich das Kerngeschäft", sagt Schwester Ruth Meili. Seit 1996 leitet die resolute Benediktinerin in Erfurt eine Außenstelle der evangelischen Communität Casteller Ring aus Bayern. Mit öffentlichen Gebetszeiten und einem Café "Klosterstube" schufen die sechs Schwestern eine beliebte kirchliche Begegnungsstätte.

In der Kirche steht eine Pinnwand, an die viele Menschen ihre Herzensanliegen heften, damit die Schwestern für sie beten. Andere kommen zu Stillen Tagen, Exerzitien oder erproben "Kloster auf Zeit". "Immer mehr Menschen kommen, die ihre Spur noch nicht gefunden haben oder einfach mal eine Auszeit brauchen", bestätigt Schwester Ruth den Trend. Oft sind es junge Leute nach der Schule, andere sind in Ehe- oder Berufskrisen oder einfach ausgepowert.

Ähnliche Erfahrungen macht die 1975 entstandene ökumenische Familienkommunität "Laurentiuskonvent" in dem kleinen Dorf Wethen bei Kassel. "Wir versuchen gemeinsam ein Stück Spiritualität zu entdecken", sagt Gründungsmitglied Wolfgang Kelm. Dass Gemeinschaften wie der Laurentiuskonvent, das Augustinerkloster oder die Weigle-Haus-WG im EKD-Papier als "Leuchtfeuer evangelischer Spiritualität'" bezeichnet werden, quittiert der 75-Jährige mit einem Schmunzeln: "Wir würden uns selbst nicht so nennen, aber wenn wir für andere ein Licht in der Finsternis sind, dann freut uns das natürlich."

Internet: www.weigle-haus.de; www.ccr-erfurt.de; www.laurentiuskonvent.de; www.ekd.de/presse/pm121_2007_kommunitaeten.html.


03. Januar 2008