Stiftung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche gegründet

Potsdam (epd). Zum 40. Jahrestag der Sprengung der Ruine der Potsdamer Garnisonkirche ist am Montag eine kirchliche Stiftung zum Wiederaufbau des Barockbauwerks gegründet worden. In einem Gedenkgottesdienst in der brandenburgischen Landeshauptstadt nannte der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche und Berliner Bischof, Wolfgang Huber, den Abriss vom 23. Juni 1968 als "Kulturfrevel". Er rief dazu auf, Begeisterung für den Wiederaufbau zu wecken.

Zugleich erinnerte Huber an das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944, an dem auch Offiziere aus der Gemeinde der Garnisonkirche beteiligt waren. Gerade an diesem Ort könne eine "Schule des Gewissens" entstehen, in der Menschen für ihr Handeln Rechenschaft ablegen, betonte der Bischof.

Mit der Stiftungsgründung sei der Weg zur Umsetzung des "Jahrhundertvorhabens" nun frei, erklärten Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). "Kaum ein Ort dürfte für die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Schuld und Vergebung geeigneter sein als die neu zu errichtende Garnisonkirche", sagte der Ministerpräsident in einem Grußwort. Platzeck hatte seine Teilnahme an dem Festakt aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt.

Träger der Stiftung sind die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die Stadt Potsdam, der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein und der evangelische Kirchenkreis Potsdam. Die kirchlichen Träger bringen zusammen 400.000 Euro als Stiftungskapital ein, die Stadt Potsdam will das knapp 1.300 Quadratmeter große Baugrundstück am historischen Standort beisteuern. Das Land Brandenburg soll sich als Zustifter beteiligen und 100.000 Euro in die Stiftung einbringen. In dem Gebäude soll an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnert werden sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit stattfinden.

Die Kosten für den Wiederaufbau werden derzeit auf bis zu 100 Millionen Euro geschätzt. Zunächst soll bis 2017 der Turm der Garnisonkirche für 25 Millionen Euro wieder errichtet werden. Damit soll zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation und zum 200. Jahrestag der Vereinigung von lutherischen und reformierten Gemeinden zu einer unierten evangelischen Kirche ein bedeutender Bauabschnitt bewältigt sein. Der Zusammenschluss zur preußischen unierten Kirche wurde am 31. Oktober 1817 in der Garnisonkirche gefeiert.

Knapp 50 Mitglieder der Potsdamer Antifa- und Alternativszene demonstrierten während des Gottesdienstes und des anschließenden Festaktes friedlich gegen das Bauvorhaben. Preußische Traditionssymbole dürften nicht weiter gepflegt werden, hieß es.

Die Garnisonkirche wurde 1732 eingeweiht und im April 1945 bei einem alliierten Bombenangriff weitgehend zerstört. Auf Beschluss der SED wurde die Kriegsruine am 23. Juni 1968 gesprengt. Das Vorhaben des Wiederaufbaus war wegen der Nutzung der Kirche durch die Nationalsozialisten zur Inszenierung des "Tages von Potsdam" im März 1933 lange Zeit äußerst umstritten.

23. Juni 2008

Garnisonkirche Potsdam


"Wenn es von Gott ist, wird es was werden"

Stiftung soll den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ermöglichen

Von Yvonne Jennerjahn (epd)

Potsdam (epd). Nach mehreren misslungenen Anläufen war es ausgerechnet an einem Sonntag soweit. Experten des DDR-Autobahnbaukombinats Magdeburg vollendeten am 23. Juni 1968 mit Sprengladungen an den Turmresten den Abriss der Potsdamer Garnisonkirche. "Es war beeindruckend, wie dieser Turm widerstand", erinnert sich Brandenburgs früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), seinerzeit als Kirchenjurist für Bauwerk und Gemeinde zuständig. "Ich habe das miterlebt und miterlitten."

Monate zuvor war sogar noch im Gespräch gewesen, die Turmruine der bei einem alliierten Bombenangriff im April 1945 zerstörten Barockkirche als Kriegsmahnmal zu erhalten. "Wir bekamen Baukapazitäten und Geld, auch Geld vom Staat", erzählt Stolpe. Doch dann wurde im SED-Politbüro anders entschieden, und Ende April 1968 stimmten etwa zwei Drittel der Potsdamer Stadtverordneten dem Abriss zu.

"Ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, dass die Ernst machen", erzählt Stolpe und klingt ungeachtet der vielen vom DDR-Regime gesprengten Kirchen immer noch überrascht. Der Wiederaufbau wäre ein Zeichen der "Wiedergutmachung für einen Willkürakt gegen den Willen der Bevölkerung", betont der frühere Bundesbauminister. Doch 40 Jahre später steht trotz langjähriger Bemühungen noch immer keine neue Kirche am historischen Standort in der Innenstadt. Erbitterter Streit um die Geschichte des Bauwerks im Nationalsozialismus, über preußischen Militarismus und die künftige Nutzung hat das Vorhaben nachhaltig gelähmt.

Anders als bei der Dresdner Frauenkirche kamen für den Wiederaufbau der Garnisonkirche seitdem kaum Spenden zusammen. Jetzt soll das Bauvorhaben energischer vorangetrieben werden. Am Montag, dem 40. Jahrestag der Sprengung, wird eine kirchliche Trägerstiftung gegründet.

400.000 Euro wollen die evangelische Landeskirche, der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein und der Kirchenkreis Potsdam als Stiftungskapital für den Nachbau der einstigen Kirche der preußischen Militärgarnison einbringen. Das Land Brandenburg soll als Zustifter weitere 100.000 Euro beisteuern, die Stadt Potsdam will das Baugrundstück am historischen Standort mit einem Wert in Millionenhöhe kostenlos zur Verfügung stellen.

Doch die Probleme sind damit noch längst nicht gelöst. Zwar hat die Stadt mit Wirkung ab 2010 die einst von der Treuhand an eine Versicherung verkaufte Fläche zurückgekauft. Doch bevor die 1732 eingeweihte Kirche mit knapp 1.300 Quadratmetern Grundfläche wieder aufgebaut werden kann, müssen Gebäude aus DDR-Zeiten abgerissen und die Straße davor verkleinert werden.

Die Baukosten für die gesamte Kirche werden inzwischen auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Zunächst soll deshalb nur der 88 Meter hohe Turm bis zum Reformationsjubiläum 2017 wieder errichtet werden. Aber auch dafür sind die benötigten 25 Millionen Euro nicht in Sicht - und öffentliche Mittel soll es dafür nicht geben. Allein für die Finanzierung einer betriebsfähigen Stiftung sei eine Kapitalerhöhung auf zwei bis drei Millionen Euro nötig, rechnet der Vorsitzende der Fördergesellschaft, Johann-Peter Bauer, vor.

Mit der Gründung der Stiftung hofft man nun, endlich ernsthaft auf die Suche nach finanzstarken Sponsoren gehen zu können. "Ich bin da durchaus hoffnungsfroh", formuliert Bauer vorsichtig. "Wenn es von Gott ist, wird es was werden, wenn es nicht von Gott ist, wird es nichts", zitiert der Potsdamer Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz aus der Bibel.

20. Juni 2008


Mit Dynamit und Presslufthammer

Kirchensprengungen in der DDR

Berlin (epd). Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche Ende Mai 1968 war die wohl spektakulärste Aktion der DDR-Behörden gegen ein völlig intaktes Kirchengebäude. Wenige Wochen später folgte am 23. Juni die Zerstörung der Potsdamer Garnisonkirche, in der kurz zuvor mit der Beseitigung von Kriegsschäden begonnen worden war. Auch in diesem Fall begründete die SED die Sprengung einer Kirche mit städtebaulichen Vorhaben in einer damaligen Bezirksstadt.

Als Leitlinien für die sozialistische Stadtplanung in der DDR nach sowjetischem Vorbild galten seit 1950 die "16 Grundsätze des Städtebaus". Darin waren Kirchen nicht vorgesehen. Stattdessen sollten "die wichtigsten politischen, administrativen und kulturellen Stätten" die Stadtzentren prägen. Darüber hinaus war festgelegt: "Die Bestimmung und Bestätigung der städtebildenden Faktoren ist ausschließlich Angelegenheit der Regierung."

Drei Jahre später wurde SED-Chef Walter Ulbricht (1893-1973) deutlicher. Bei der Eröffnung der damaligen Stalinstadt (heute: Eisenhüttenstadt) am 7. Mai 1953 erklärte er: "Ja! Wir werden Türme haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen." Diese "Turmrede" bestimmte künftig die Planungen, die vor allem in den Bezirksstädten nicht selten mit Dynamit und Presslufthammer durchgesetzt wurden.

Allein Magdeburg verlor nach dem Zweiten Weltkrieg sechs seiner Kirchen. In Rostock musste zwischen 1958 und 1960 die beschädigte Jacobikirche dem Neubauvorhaben Lange Straße weichen. Am 12. August 1971 wurde die nach dem Krieg wiederentstandene katholische Christuskirche für ein geplantes Neubaugebiet beseitigt. Der Stadtteil wurde jedoch nie gebaut.

Die Johanniskirche in Leipzig, an deren Mauer einst Johann Sebastian Bach (1685-1750) beigesetzt worden war, verschwand am 9. Mai 1963 endgültig aus dem Stadtbild. Vorangegangene Planungen für ein Bach-Mausoleum in der kriegsbeschädigten Kirche hatten sich damit erledigt.

Laut einer Dokumentation von 1978 wurden nach 1945 auf DDR-Gebiet mehr als 60 Kirchen gesprengt oder abgetragen. Die meisten von ihnen hätten nach der Einschätzung von Fachleuten gerettet werden können.

20. Juni 2008