Evangelische Kirche will Bildungsgerechtigkeit fördern

Modellversuche sollen Sitzenbleiben abschaffen

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will die soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem stärker fördern. "Evangelische Schulen sollten dazu einen besonderen Beitrag leisten", heißt es in der am Mittwoch in Hannover vorgestellten Handreichung "Schulen in evangelischer Trägerschaft". Unter anderem sollen die Kosten, die das Sitzenbleiben verursachen, in die Förderung versetzungsgefährdeter Schüler investiert werden.

Internationale Schulvergleiche wie die PISA-Studie hatten gezeigt, dass besonders in Deutschland die soziale Herkunft den Schulerfolg von Kindern bestimmt. Neugründungen evangelischer Schulen sollen besonders Schüler fördern, die im staatlichen Schulwesen geringere Chancen als andere haben, heißt es in einer von zehn Thesen des Textes. Außerdem sollen schulische Bildungsangebote auch mehr Durchlässigkeit für leistungsstarke Schüler ermöglichen.

Die Möglichkeit, nicht versetzt zu werden, sei nach Ergebnissen der Schulforschung "eines der Kennzeichen des deutschen Schulwesens, das für die schlechte Förderung von Schülern strukturell verantwortlich scheint", heißt es in der Handreichung. Evangelische Schulen sollten daher mit Modellversuchen eine Nichtversetzung von Schülern vermeiden.

Der Text wende sich besonders der Frage zu, was heute die Qualität einer guten Schule ausmache, heißt es in dem Vorwort des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber: "Hier zeigt die Handreichung einerseits, was evangelische Schulen als besonderes Profil in das Bildungswesen einbringen können und wollen." Andererseits beschreibe sie einen allgemeinen Anspruch, der sich an alle Schulen richtet.

Die EKD fordert zudem eine angemessene finanzielle Unterstützung durch den Staat für evangelische Schulen. Schulen in evangelischer Trägerschaft leisteten ihren Teil an der Erfüllung des gesellschaftlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags und entlasteten das staatliche Schulwesen. Daher wäre es nur "recht und billig, wenn ihnen die gleiche Grundfinanzierung gewährt würde, wie sie Schulen in staatlicher Trägerschaft erhalten".

In Deutschland werden den Angaben zufolge in rund 1.000 evangelischen Schulen etwa 150.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Damit besuchten zurzeit rund 1,2 Prozent aller Schüler in Deutschland eine Schule in evangelischer Trägerschaft. Die aktuellste Statistik des Schuljahrs 2002/03 weist nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz für die Bundesrepublik 1.164 katholische Schulen mit 368.193 Schülern aus.

02. Juli 2008

Handreichung "Schulen in evangelischer Trägerschaft" als pdf

EKD-Pressemitteilung

Internetportal „Evangelische Schule“


In humanistischer Tradition - Evangelische Schulen finden immer größere Resonanz - EKD stellt Handreichung vor

Von Achim Schmid und Stephan Cezanne (epd)

Hannover (epd). Für viele Eltern scheint eine Schule in freier Trägerschaft die bessere Alternative. Gerade in Ostdeutschland gab es in den vergangenen Jahren einen Boom von neu eröffneten evangelischen Schulen. Im Interesse der Kinder und Jugendlichen dürfe die Kirche "im Engagement für eine gute Qualität unseres Schulwesens nicht nachlassen", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, im Vorwort der neuen Publikation "Schulen in evangelischer Trägerschaft", die am Mittwoch in Hannover vorgestellt wurde.

In ihrer Tradition gehen die evangelischen Schulen, insbesondere die Gymnasien, bis auf die Reformationszeit im 16. Jahrhundert zurück: Vor allem der Humanist und Luther-Freund Philipp Melanchthon setzte sich für eine breite Schulbildung ein, wie sie damals nur dem Adel und der städtischen Oberschicht zuteil wurde. Als das älteste evangelische Gymnasium gilt die 1544 in Hildesheim gegründete "evangelisch-lutherische Andreasschule".

Heute gibt es rund 1.000 allgemeinbildende, sonderpädagogische und berufsbezogene Schulen in evangelischer Trägerschaft, die von über 150.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Gemeinsam haben diese Schulen der EKD zufolge einen Bildungsauftrag, der sich an den christlichen Werten und einem christlichen Menschenbild orientiert. Großer Wert wird dabei auf ethische Orientierung für die jungen Menschen gelegt. Deshalb organisieren diese Schulen spirituelle Angebote wie regelmäßige Gottesdienste und Besinnungen.

An den evangelischen Schulen in Deutschland steht neben der Wissens-Vermittlung von Vokabeln und Formeln der Mensch in seiner Gesamtheit im Mittelpunkt - Behinderung bewusst nicht ausgeschlossen, betonen die Schulleiter. Diese besondere inhaltliche Ausrichtung der evangelischen Schulen macht sie für immer mehr Eltern attraktiv. Bei vielen Schulen übersteigt die Zahl der Anmeldungen offenbar deutlich die Zahl der Plätze.

Eine von der EKD in Auftrag gegebene Untersuchung auf Grundlage der PISA-Ergänzungsstudie aus dem Jahr 2000 gibt den evangelischen Schulen gute Noten: "Im Blick auf die Leistungsförderung zeigt die Studie, dass die Vermittlung der Lesekompetenz in konfessionellen Hauptschulen und Realschulen besser als an staatlichen Schulen gelang." Schulen in evangelischer Trägerschaft gelinge die Vermittlung von Grundbildung auch in schwierigen sozialen Gruppen besser, vor allem bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund, als im staatlichen Bildungswesen, hieß es weiter.

Die Befunde ließen erkennen, "dass Schulen in evangelischer Trägerschaft den Vergleich bzw. eine Qualitätsdebatte nicht scheuen müssen", so die Autoren der EKD-Handreichung. Sie machten jedoch auch deutlich, dass die Qualitätsanstrengungen, die zurzeit im staatlichen Bildungswesen unternommen werden, ebenso für Schulen in evangelischer Trägerschaft ein Ansporn sein sollten, ihre Qualität im internationalen Vergleich zu verbessern, wird eingeräumt.

Schulen in evangelischer Trägerschaft, wird in dem 95-seitigen Buch (Gütersloher Verlagshaus) zugleich betont, unterscheiden sich grundlegend von dem in Deutschland lange Zeit vorherrschenden Konfessionsschulwesen: "Damals standen die evangelischen oder katholischen Schulen nicht in kirchlicher, sondern in staatlicher Trägerschaft." Schulen in evangelischer Trägerschaft, unterstreicht die EKD, verstehen sich als "konfessionelle Schulen sowie in dem Sinne als öffentliche Schulen, dass sie sich an der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung für Kinder und Jugendliche beteiligen."

02. Juli 2008


Das aktuelle Stichwort: Evangelische Schulen

Hannover (epd). Evangelisch geprägte Schulen gibt es in Deutschland seit der Reformation im 16. Jahrhundert. Heute werden in rund 1.000 evangelischen Schulen knapp 150.000 Schüler unterrichtet. Damit besuchen rund 1,2 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland eine Schule in evangelischer Trägerschaft (Stand 2004). Dies geht aus der neuen Schul-Handreichung der evangelischen Kirche hervor, die am Mittwoch in Hannover vorgestellt wurde. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz gab es im Schuljahr 2002/03 mehr als 1.160 katholische Schulen mit rund 370.000 Schülern.

Es gibt evangelische Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien, evangelische berufliche Schulen, Förderschulen, Kollegs und Abendgymnasien. Etwas mehr als zwei Prozent aller Schulen in Deutschland befinden sich den Angaben zufolge in evangelischer Trägerschaft. Diese sind laut EKD "Ersatzschulen, wenn sie in ihren Lern- und Erziehungszielen den staatlichen Schulen entsprechen, die in dem jeweiligen Land vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen sind".

Als solche bedürfen konfessionelle Schulen der Genehmigung durch den Staat. Im Rahmen der Gesetze sind sie frei in der Entscheidung über eine besondere pädagogische, religiöse oder weltanschauliche Prägung, über Lehr- und Erziehungsmethoden, über Lehrstoff und Formen der Unterrichtsorganisation. In den westlichen Bundesländern sind laut Statistik 2,15 Prozent aller Schulen evangelische Schulen, in den östlichen Bundesländern liege der Anteil mit 2,12 Prozent etwas niedriger.

02. Juli 2008