Politiker und Kirchen plädieren für Religionsunterricht

Kirchen brechen Lanze für den Religionsunterricht

Zollitsch warnt vor Verbannung aus der Schule - Thierse betont Religionsfreiheit

Berlin (epd). In der Kontroverse um Religions- und Ethikunterricht in Berlin haben die beiden großen Kirchen ihre Forderung nach religiöser Bildung in Schulen bekräftigt. Gerade in einer pluralen Gesellschaft sei Religionsunterricht unverzichtbar, stellten die Spitzenvertreter von evangelischer und katholischer Kirche am Donnerstag in Berlin heraus. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sagte, konfessioneller Religionsunterricht sei keine großzügige Geste des Staates oder ein Privileg der Kirchen, sondern gehöre zum Auftrag der Schule. Für die katholische Bischofskonferenz sagte Erzbischof Robert Zollitsch, religiöse Bildung sei wichtig für den Einzelnen und die gesamte Gesellschaft.

Huber und Zollitsch äußerten sich bei einer gemeinsamen Tagung der Kirchen zu Religion an öffentlichen Schulen. Sie riefen zur Unterstützung des Berliner Volksbegehrens "ProReli" auf. Ein staatliches Pflichtfach Ethik, wie es in Berlin 2006 eingeführt wurde, lehnten die Bischöfe ab. Ein derartiger Unterricht verfehle die freiheitlich-demokratischen Prinzipien, sagte Bischof Huber: "In keinem anderen Bundesland werden junge Menschen gezwungen, an einem staatlichen Ethikunterricht teilzunehmen, ohne alternativ einen konfessionell geprägten Religionsunterricht der Kirchen oder anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wählen zu können."

Zudem gehe das Berliner Pflichtfach Ethik zulasten des freiwilligen Religionsunterrichts, argumentierte Huber. Wegen eines übervollen Stundenplanes und der Verkürzung der Schulzeit habe es Einbrüche von 25 Prozent bei der Teilnahme am Religionsunterricht gegeben.

Erzbischof Zollitsch warnte, den Religionsunterricht aus den Schulen zu verbannen, wäre fahrlässig. Das Fach werde von einer großen Mehrheit der Schüler und Eltern geschätzt. Huber sagte, die Abmeldungen vom Religionsunterricht seien gering. Bundesweit lägen sie unter fünf Prozent.

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) bezeichnete regulären Religionsunterricht in der Schule als unverzichtbar. Religionsfreiheit sei eine elementare Grundlage des Staates, daher müssten Eltern echte Wahlfreiheit für ihre Kinder haben. Die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen müssten gleiche Chancen an den Schulen haben. Wenn die Kirchen sich für eine Gleichberechtigung des konfessionellen Religionsunterrichts neben dem Pflichtfach Ethik einsetzten, habe das nichts mit kirchlichen Eigeninteressen zu tun. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte religiöse Orientierung eine wichtige Voraussetzung für Demokratie.

Die Grünen-Politikerin Andrea Fischer äußerte Zweifel, dass es neutralen Werteunterricht gebe. Der Berliner Streit um Religion als Wahlpflichtfach sei von einem "antireligiösen Affekt" geprägt, sagte die ehemalige Gesundheitsministerin. Lothar Bisky (Linkspartei) bezeichnete es als nicht sinnvoll, "in einer multikulturellen Stadt wie Berlin die Schüler nach Religionen zu sortieren". In Brandenburg, wo es das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) gibt, sei die Ausübung der Religion nicht beschnitten.

Der evangelische Theologe Richard Schröder warb für einen Wahlpflichtbereich Religion/Ethik, wie er dem Grundgesetz entspreche. Religionskunde sei dagegen nicht optimal. Huber nannte die Sorge unbegründet, unterschiedliche Fächer der religiösen und ethischen Bildung erschwerten eine gemeinsame Werteorientierung. Religions- und Ethikunterricht seien bei allen Unterschieden Dialogpartner. Zollitsch argumentierte, der Religionsunterricht fördere Toleranz, die auch andere Überzeugungen ernst nehme.

04. Dezember 2008

Statment des EKD-Ratsvorsitzenden zum Thema



Lammert: Religiöse Orientierung ist Voraussetzung für Demokratie

Berlin (epd). Politiker und Kirchenvertreter haben sich für regulären Religionsunterricht in der Schule ausgesprochen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte bei einer Tagung der beiden großen Kirchen am Donnerstag in Berlin, Religionsfreiheit sei eine elementare Grundlage des Staates, daher müssten Eltern echte Wahlfreiheit für ihre Kinder haben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte religiöse Orientierung eine wichtige Voraussetzung für Demokratie.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, betonte, dass es keinen Zugang zu Bildung gebe, ohne sich mit der prägenden kulturellen und historischen Kraft der Kirchen auseinanderzusetzen. Die Integration der Schüler unterschiedlicher religiöser Herkunft gelinge an der Schule nicht über einzelne Fächer, sondern über die Schule selbst. Deshalb sei die Frage der Integration kein Argument für Ethik- statt Religionsunterricht.

Robert Zollitsch, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, warnte, den Religionsunterricht aus den Schulen zu verbannen. Das Fach werde von einer großen Mehrheit der Schüler und Eltern geschätzt. Die Pflege religiöser Überlieferung in öffentlichen Schulen liege im Interesse aller.

Huber und Zollitsch sicherten der Berliner Bürgerinitiative "Pro Reli" kirchliche Unterstützung zu. Die Initiative strebt über ein Volksbegehren Religions- und Ethikunterricht als gleichberechtigte Schulfächer an den Schulen an. In Berlin gibt es seit 2006 das Pflichtfach Ethik. Anders als in den anderen Bundesländern wird an Berliner Schulen Religion in Verantwortung der Kirchen als freiwilliges Zusatzfach erteilt.

Kritisch zur Einführung des konfessionellen Religionsunterrichts äußerte sich der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky. Es sei nicht sinnvoll, "in einer multikulturellen Stadt wie Berlin die Schüler nach Religionen zu sortieren". In Brandenburg, wo es das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) gibt, sei die Ausübung der Religion nicht beschnitten. Bei dem eintägigen Forum von evangelischer und katholischer Kirche erörterten Vertreter aus Kirchen, Politik und Wissenschaft rechtliche Fragen sowie das Verhältnis von Religion und Bildung.

04. Dezember 2008

Statement des EKD-Ratsvorsitzenden zum Thema


Bundestagspräsident: Religion ist unverzichtbare Quelle von Werten

Berlin (epd). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht in religiöser Orientierung eine wichtige Voraussetzung für Demokratie. Der Verzicht auf religiöse Orientierung sei keine Garantie für mehr Modernität und Humanität einer Gesellschaft, sagte Lammert bei einem Forum der beiden Kirchen über Religion an öffentlichen Schulen am Donnerstag in Berlin. Eine vitale Demokratie sei auf die Vermittlung von Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmustern angewiesen.

Religion sei für eine Gesellschaft eine unverzichtbare Quelle von Werten, die über die eigene Person hinausreichen, sagte der Bundestagspräsident. Die Trennung von Politik und Religion bedeute nicht, Religion zur Privatsache zu machen. Politik sei auf verbindliche Orientierungen angewiesen, sie sei nicht eine Fortsetzung von Religion mit anderen Mitteln. Religion wie Politik seien der Versuch der "Domestizierung von Gewalt" durch Sinngebung und Vermittlung von Werten oder durch Strukturen und Institutionen.

Das gemeinsame Forum von evangelischer und katholischer Kirche hatte zuvor der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, eröffnet. Den Religionsunterricht aus den Schulen zu verbannen, wäre fahrlässig, warnte Zollitsch. Das Fach werde von einer großen Mehrheit der Schüler und Eltern geschätzt. Die Pflege religiöser Überlieferung in öffentlichen Schulen liege im Interesse aller.

04. Dezember 2008


Thierse plädiert für regulären Religionsunterricht in der Schule

Berlin (epd). Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält regulären Religionsunterricht in der Schule für unverzichtbar. Religionsfreiheit sei eine elementare Grundlage des Staates, daher müssten Eltern echte Wahlfreiheit für ihre Kinder haben, sagte Thierse am Donnerstag in Berlin bei einer Tagung der beiden großen Kirchen.

Die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen müssten gleiche Chancen an den Schulen haben, ergänzte Thierse. Wenn die Kirchen sich in Berlin für eine Gleichberechtigung des konfessionellen Religionsunterrichts neben dem Pflichtfach Ethik einsetzten, habe das nichts mit egoistischen Eigeninteressen der Kirchen zu tun, wie es Kritiker den Kirchen vorgeworfen haben.

Thierse räumte ein, dass es wichtig sei, auch religionsferne Schüler zu erreichen. In ethischen Fragen solle zudem eine hohe Pluralität gewahrt werden. "Aber die Kinder sollen nicht unter Preisgabe ihrer Identität miteinander ins Gespräch kommen", betonte der SPD-Politiker, der Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ist.

Die Grünen-Politikerin Andrea Fischer äußerte Zweifel, dass es neutralen Werteunterricht gebe. "Der persönliche Charakter von religiöser Überzeugung macht es erforderlich, dass eine Person mit eigener Überzeugung die Religion vermittelt", sagte die ehemalige Bundesgesundheitsministerin. Die Diskussion in Berlin um Religion als Wahlpflichtfach sei von einem "antireligiösen Affekt" geprägt.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, betonte, dass es keinen Zugang zu Bildung gebe, ohne sich mit der prägenden kulturellen und historischen Kraft der Kirchen auseinanderzusetzen. Die Integration der Schüler unterschiedlicher religiöser Herkunft gelinge an der Schule nicht über einzelne Fächer, sondern über die Schule selbst. Deshalb sei die Frage der Integration kein Argument für Ethik- statt Religionsunterricht.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, betrachtete es als nicht sinnvoll, "in einer multikulturellen Stadt wie Berlin die Schüler nach Religionen zu sortieren". In Brandenburg, wo es das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) gibt, sei die Ausübung der Religion nicht beschnitten.

04. Dezember 2008


Erzbischof Zollitsch: Religion nicht aus der Schule verbannen

Berlin (epd). Die beiden großen Kirchen machen sich für religiöse Bildung in den Schulen stark. Den Religionsunterricht aus den Schulen zu verbannen, wäre fahrlässig, warnte Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, am Donnerstag in Berlin. Das Fach werde von einer großen Mehrheit der Schüler und Eltern geschätzt. Die Pflege religiöser Überlieferung in öffentlichen Schulen liege im Interesse aller.

Mit Blick auf den aktuellen Streit im Land Berlin sicherte der Erzbischof der Bürgerinitiative "Pro Reli", die über ein Volksbegehren Religions- und Ethikunterricht als gleichberechtigte Schulfächer an den Schulen anstrebt, kirchliche Unterstützung zu. Beide Kirchen träten für einen konfessionellen Religionsunterricht als ordentliches Fach ein. Er müsse den anderen Fächern rechtlich und in der Schulorganisation gleichgestellt sein, forderte der Erzbischof.

In Berlin gibt es seit 2006 das Pflichtfach Ethik. Anders als in den anderen Bundesländern wird an Berliner Schulen Religion in Verantwortung der Kirchen als freiwilliges Zusatzfach erteilt.

Zollitsch eröffnete ein gemeinsames eintägiges Forum von evangelischer und katholischer Kirche. Dabei erörterten Vertreter aus Kirchen, Politik und Wissenschaft rechtliche Fragen sowie das Verhältnis von Religion und Bildung. Zu den Teilnehmern zählten auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

Religiöse Urteils- und Dialogfähigkeit seien die Kernkompetenz, die der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen vermittele, betonte der Freiburger Erzbischof. Der Religionsunterricht gebe Auskunft zur Überlieferung des christlichen Glaubens. Dies erfolge im Dialog mit den Schülern, mit anderen Fächern und mit anderen Religionen und Weltanschauungen. Die geringe Anziehungskraft für religiösen Fundamentalismus in Deutschland könnte mit dem bundesdeutschen Modell des Religionsunterrichts zu tun haben, gab der Spitzenrepräsentant der katholischen Kirche zu bedenken.

04. Dezember 2008