Prälat Reimers: Menschenrechte zentral für christlichen Glauben

Baden-Baden (epd). Der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung, Prälat Stephan Reimers, hat die zentrale Bedeutung der Menschenrechte für den christlichen Glauben hervorgehoben. Die Überzeugung, dass der Mensch von Gott geschaffen und von ihm geliebt werde, gebe jedem Einzelnen Würde und Rechte, sagte Reimers zum 60. Jahrestag der UN-Menschenrechtserklärung am Mittwoch im Südwestrundfunk.

Zwar sei die Welt von einer Verwirklichung dieser elementaren Rechte noch weit entfernt, trotzdem hätten einige Länder auch große Fortschritte gemacht. Als Beispiele nannte der EKD-Bevollmächtigte die osteuropäischen EU-Staaten, aber auch Russland und China, die sich trotz enormer Missstände im Laufe der Jahre dennoch zum Positiven verändert hätten.

Der deutschen Politik stellte Reimers ein gutes Zeugnis aus. Dort wo es Probleme gebe, beispielsweise bei der Abschiebepraxis oder der Behandlung von Bootsflüchtlingen, sei man im Gespräch mit der Bundesregierung.

10. Dezember 2008


Wortlaut des Live-Gesprächs:

Sabine Hackländer: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde geboren. So beginnt der erste Artikel der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die heute vor 60 Jahren verabschiedet wurde. Welche Bedeutung hat die Charta für die Evangelische Kirche in Deutschland?

Reimers: Auf jeden Fall eine sehr zentrale, weil zu unserem christlichen Glauben gehört ja die Überzeugung, dass der Mensch von Gott geschaffen wurde und von ihm geliebt wird. Und das gibt jedem Einzelnen Würde und Rechte. Und in unserem Grundgesetz heißt es ja auch, im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich unser Volk die Verfassung gegeben und dann folgen die Grundrechte. Das sind Menschenrechte. Und in sofern ist die Menschenrechts-Charta für uns sehr wichtig.

Hackländer: Wo stehen wir denn 60 Jahre nach Verabschiedung der Menschenrechte? Kann man angesichts von Menschenrechtsverletzungen in aller Welt – ob nun im Kongo oder in Weißrussland – auch nur annähernd von einer Verwirklichung dieser Rechte sprechen?

Reimers: Nein, verwirklicht sind sie nicht. Man muss sehen, dass seit der Zeit vor 60 Jahren die Zahl der Menschen sich mehr als verdoppelt hat, in Afrika sogar vervierfacht. Das bedeutet neue Konflikte und Menschenrechtsverletzungen. Aber zugleich gibt es Regionen, wo die Menschenrechte tatsächlich größere Achtung erfahren. Das gilt zum Beispiel für Osteuropa, für alle die Lände, die inzwischen Mitglieder der EU geworden sind. Aber auch in China oder Russland gibt es im Vergleich mit der Zeit der Kulturrevolution oder der Breschnew-Ära doch deutliche Verbesserungen. Und wir hoffen, dass Prozesse in Gang sind, die zu einer vollen Geltung der Menschenrechte auch in diesen Ländern führen. Zum Beispiel beteiligt sich unsere Kirche ganz konkret an einem Menschenrechtsdialog mit China, mit verschiedenen Tagungen in Peking und hier in Deutschland.

Hackländer: Wie beurteilen Sie denn die Lage in Deutschland, zum Beispiel im Bezug auf rechtsextreme Angriffe auf Ausländer oder auch auf die Abschiebungspraxis in Deutschland?

Reimers: Wir sind zum Beispiel mit der Bundesregierung ständig im Gespräch über die Abschiebungspraxis. Da gibt es ja auch dann Begleitung von Flügen. Das heißt, die Bundesregierung nimmt schon unsere Anfragen ernsthaft auf.

Hackländer: Tut die Bundesregierung denn genug zum Schutz der Menschenrechte?

Reimers: Doch, ich würde sagen, sie engagiert sich und wo es Probleme gibt, führen wir auch Dialoge. Zum Beispiel die Flüchtlingsfrage in Europa, das heißt die Südgrenze Europas – da gibt es schon Sorgen, die wir uns machen, mit Blick auf griechische Flüchtlingslager oder auch wie Bootsflüchtlinge behandelt werden. Da hat natürlich auch die Bundesrepublik eine Verantwortung, und da sind wir mit dem Innenministerium immer wieder im Gespräch.

Hackländer: In Europa hat man sich ja in den letzten Wochen besonders stark für die Gruppe verfolgter Christen im Irak eingesetzt. 10-tausend Flüchtlinge will die EU insgesamt aufnehmen. Deutschland beteiligt sich mit der Aufnahme von 2 500 Flüchtlingen. Liegt der Evangelischen Kirche diese Hilfe besonders am Herzen?

Reimers: Ja, also wir haben uns sehr engagiert. Ich war auch dreimal in angrenzenden Ländern des Irak in diesem Jahr - Syrien, Jordanien, Türkei – und habe mit irakischen Christen auch gesprochen. Die sagen natürlich, die Sunniten können zu den Sunniten gehen, die Schiiten gehen zu den Schiiten. Wohin können wir gehen? Und das ist eine Frage, die uns nicht kalt lassen kann. Gleichwohl haben wir in den Gesprächen mit dem UNHCR immer gesagt, dass wir wollen, dass die am meisten belasteten und gefährdetsten Menschen kommen können. Und der UNHCR hat seinerseits eingeräumt, dass das vor allem Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind. Also von daher sprechen in diesem Fall die Menschenrechte für eine verstärkte Aufnahme von Christen.

Hackländer: Anfang November ist ja in den USA bekanntlich ein neuer Präsident gewählt worden. Das ist unter anderem auch von Kirchenvertretern sehr begrüßt worden. Hat diese Freude über Obamas Wahlsieg auch etwas mit der Hoffnung auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage zu tun, beispielsweise in Guantanamo, oder auch für die Situation im Irak?

Reimers: Ja, unbedingt. Im Verlauf des Irak-Krieges sind wirklich Menschenrechte mit Füßen getreten worden und Obama hat ja auch für dieses Feld einen Wechsel angekündigt, eine Umkehr versprochen. Er will zum Beispiel das Gefangenenlage Guantanamo schließen. Das hat unsere Synode ausdrücklich begrüßt und wir haben da doch große Erwartungen. Überhaupt, das passt ja auch zum Advent, dass wir als Christen die Hoffung haben, dass sich etwas verändert, auch in dieser Welt.

10. Dezember 2008

Quelle: SWR