Evangelische Kirche schaltet sich in Debatte über Mindestlöhne ein

Hannover (epd). Wenige Tage vor der Bundestagswahl hat sich die evangelische Kirche in die Auseinandersetzung über Mindestlöhne eingeschaltet. Der beste Weg zu einer gerechten Lohnfindung bleibe auch im Niedriglohnsektor das Tarifsystem, heißt es in einer Argumentationshilfe, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Montag in Hannover veröffentlichte. Für die Fälle, in denen eine Abwärtstendenz bei den Löhnen nicht durch Tarifvereinbarungen zu verhindern sei, empfehlen die Autoren branchenspezifische gesetzliche Mindestlöhne. Damit könnte zielgenauer als mit einem flächendeckenden Mindestlohn auf die Entwicklung in einzelnen Bereichen und Regionen reagiert werden.

Die EKD erinnert daran, dass sich die Kirchen als Arbeitgeber in der Pflegebranche an der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission beteiligen. Die neue Pflege-Kommission soll verbindliche Lohnuntergrenzen für die Pflegebranche erarbeiten.

Ein allgemeiner Mindestlohn habe offenbar eine hohe Symbolkraft für Wert und Würde der Arbeit sowie für gerechte Teilhabe aller Arbeitnehmer, heißt es in dem EKD-Text. Mit seiner Einführung wäre aber Armut noch nicht besiegt. Vor allem Familien mit Kindern wären weiter auf staatliche Unterstützung angewiesen. Deshalb müssten mittelfristig die Erwerbschancen durch gerechte Bildungschancen verbessert werden. Mangelnde Qualifikation gehöre zu den Hauptursachen für niedrige Löhne, folgert die EKD.

Die Argumentationshilfe wurde von der Kammer für soziale Ordnung erarbeitet. Dem Beratungsgremium gehören neben Theologen auch Sozialrechtler sowie Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter an.

21. September 2009

EKD-Pressemitteilung mit pdf-Datei des Textes


Evangelische Kirche favorisiert branchenspezifische Mindestlöhne

EKD-Text warnt vor zu hoch gesteckten Erwartungen - "Es gibt keinen Königsweg" - (Zusammenfassung)

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich in den Streit über Mindestlöhne eingeschaltet. Wo untere Lohngruppen nicht über das Tarifsystem gegen eine Abwärtstendenz gesichert werden können, bestehe politischer Handlungsbedarf, heißt es in einem am Montag in Hannover veröffentlichten EKD-Dokument. Dabei seien branchenspezifische Mindestlöhne einer flächendeckenden Lohnuntergrenze vorzuziehen. Damit könnte zielgenauer auf die Entwicklung in einzelnen Bereichen und Regionen reagiert werden, argumentiert die EKD-Kammer für soziale Ordnung. In der Stellungnahme wird zugleich betont, auch im Niedriglohnsektor seien Tarifvereinbarungen der beste Weg zu einer gerechten Lohnfindung.

Zwischen den Parteien ist der Mindestlohn umstritten. Während SPD, Grüne und Linke für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eintreten, wird dieser von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Die EKD weist darauf hin, dass die Kirchen als Arbeitgeber in einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission mitwirken. Die neue Pflege-Kommission soll verbindliche Lohnuntergrenzen für Pflegehelfer erarbeiten. In dieser Branche sei jedoch darauf zu achten, dass ein Mindestlohn nicht zur Norm für die Refinanzierung von Pflegeleistungen durch die Kostenträger wie Versicherungen werde.

Der EKD-Text "Pro und Contra Mindestlöhne" solle dazu beitragen, sinnvolle Kompromisse zu finden, schreiben der Kammervorsitzende Gert. H. Wagner und sein Stellvertreter Reinhard Turre im Vorwort. Sie heben allerdings hervor, es gebe keinen Königsweg, um Leistung, Entlohnung und Würde im Arbeitsleben miteinander in Einklang zu bringen. Die Experten geben zugleich zu bedenken, dass wie in der Gesellschaft insgesamt auch in der evangelischen Kirche die Frage eines allgemeinen Mindestlohns umstritten sei.

In den vergangenen Jahren habe sich der Niedriglohnsektor ausgeweitet, schreiben die Verfasser. Sie weisen daraufhin, dass Niedriglöhne vor allem Teilzeitbeschäftigten gezahlt würden. Besonders betroffen seien Frauen, die ohnehin geringer entlohnt würden als Männer. Auch die Ausweitung von Zeitarbeit und Minijobs habe den Niedriglohnsektor ausgeweitet. Mindestens 1,3 Millionen Erwerbstätige könnten nicht von den Löhnen, die sie erhalten, leben. In einigen Bereichen funktioniere das insgesamt bewährte deutsche Tarifsystem nicht mehr so, dass es "auskömmliche Löhne" garantiere, stellt die EKD-Kammer fest.

Ein staatlich festgesetzter Mindestlohn wäre eine Sicherung gegen Lohnverfall in unteren Lohnbereichen, heißt es in dem Text. Er habe offenbar eine hohe Symbolkraft hinsichtlich der Wertschätzung von Arbeit.

Durch einen Mindestlohn wäre Armut allerdings noch nicht besiegt, warnt die EKD vor zu hohen Erwartungen. Dabei verweist sie auch auf EU-Länder, die trotz Mindestlohn höhere Armutsraten als Deutschland aufweisen. Vor allem Familien mit Kindern wären weiter auf staatliche Unterstützung angewiesen. Deshalb müssten mittelfristig die Erwerbschancen durch gerechte Bildungschancen verbessert werden. Mangelnde Qualifikation gehöre zu den Hauptursachen für niedrige Löhne, folgert die EKD.

21. September 2009