Erster Kirchentag "Mensch und Tier" in Dortmund

"Auch Puten und Hühner sind Teil der Schöpfung"


Von Katrin Nordwald (epd)

Dortmund (epd). Die Altersbeschwerden machen Sandy zu schaffen. Seit einem Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren hat sie sich nicht erholt, ihre Hinterläufe lahmen. Mit wohligem Grunzen genießt sie deshalb die wöchentlichen Massagen bei Hundephysiotherapeutin Claudia Werning, die der 15 Jahre alten Golden-Retriever-Dame mit tiefen Ausstreichungen die Rückenverspannungen löst. Sie stoße oft auf Unverständnis, wenn sie Sandy zur Massage bringe, sagt Hundebesitzerin Marianne Heibrok. Sie wolle ihr Tier nicht vermenschlichen, aber dessen Leiden lindern, ohne sie einschläfern zu müssen.

Gleichzeitig meldet der Deutsche Tierschutzbund zunehmend überlastete Tierheime, weil viele Hunde- und Katzenbesitzer ihre Haustiere wegen eines anstehenden Urlaubs oder zu hoher Kosten als Ballast empfinden. Zudem schockieren Berichte über Tierquälerei wie das neue Buch des US-Bestsellerautors Jonathan Safran Foer "Tiere essen".

Das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Tier steht im Mittelpunkt des ersten ökumenischen Kirchentages Mensch und Tier vom 27. bis 29. August in Dortmund. Nach dem Vorbild der großen Kirchentage gebe es über 50 Veranstaltungen von Bibelarbeiten über Podien und Konzerten bis zum großen Abschlussgottesdienst unter dem Motto "Gesegnet sind Mensch und Tier!", kündigt der Dortmunder evangelische Pfarrer und Mitinitiator Friedrich Laker vom Bundesvorstand "Aktion Kirche und Tiere" (AKUT) an.

Politisches Ziel sei eine gemeinsame Erklärung von Menschen verschiedener Religionen und gesellschaftlicher Gruppen gegen jede Form der Massentierhaltung. Auch planten Grünen-Politiker eine Initiative für ein neues Tierschutzgesetz.

Es sei höchste Zeit, dass aus der Kirche heraus ein gesellschaftspolitisches Signal zu mehr Verantwortung im Umgang mit Tieren gegeben werde, sagt der katholische Theologe Rainer Hagencord. Der Leiter des bundesweit ersten Instituts für Theologische Zoologie an der Universität Münster ist neben dem Journalisten Franz Alt sowie den Theologen Klaus-Peter Jörns und Eugen Drewermann Referent des Kirchentages.

Bislang werde das Thema Tiere ausgeblendet, kritisiert Hagencord. "Für viele sind Puten und Hühner nur Rohlinge der Nahrungsindustrie, Billigfleisch für den Grill!" Doch sie seien ebenso Teil der Schöpfung wie der Pudel oder Kanarienvogel. "Wir wollen aber keine Moralpredigten halten, sondern den Blick weiten", betont Pfarrer Laker, der sich selbst nicht als "verbissenen Tierrechtsaktivisten" sieht.

Auch innerhalb der Kirche will AKUT einen Bewusstseinswandel zu einer theologischen Würdigung des Tieres herbeiführen. Das Thema Mensch und Tier tauche weder bei den großen Kirchentagen noch in der theologischen Ausbildung auf, beklagt Laker. "Zu vielen ethischen Themen wie Sterbehilfe gibt es Stellungnahmen, aber nicht zur Massentierhaltung, obwohl es ein globales Problem ist, das Klimaschädigung nach sich zieht." Der immer größer werdende Fleischkonsum sei mit ein Grund für die Abholzung der Regenwälder in Brasilien, wo dann Soja als Tierfutter für Europa angebaut werde.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärt dagegen, dass sie sich oft zu Fragen des Tierschutzes geäußert habe. "Im Verhältnis zu den Tieren geht es nicht allein um Barmherzigkeit und Humanität, sondern auch um Gerechtigkeit", heißt es in einem EKD-Grundlagentext von 1991. Gerechtigkeit ziele dabei nicht darauf ab, Tiere wie Menschen, sondern "sie tiergerecht, insbesondere artgerecht zu behandeln". Zur Tierrechtsinitiative AKUT, die etwa ein striktes Verbot von Tierversuchen und Jagd fordert, gebe es jedoch keine Berührungspunkte, erklärt EKD-Sprecher Reinhard Mawick.

Nach Ansicht des streitbaren Berliner Theologen Klaus-Peter Jörns, der sich in seinem Buch "Notwendige Abschiede" gegen die Gottebenbildlichkeit des Menschen und damit die Herabwürdigung anderer Geschöpfe wendet, hat sich in der Kirche hier nichts bewegt. Der biblische Herrschaftsauftrag aus der Schöpfungsgeschichte "Macht euch die Erde untertan" werde missbraucht, kritisiert er. Tiere seien keine seelenlose Geschöpfe. Der Kirchentag Mensch und Tier sei ein Signal für die Amtskirche, "dass es eine breite gesellschaftliche Bewegung gibt, die bislang abgekanzelt wurde", erklärte Jörns.

Das Thema Tierschutz beinhalte für die Kirche auch eine missionarische Chance, ergänzt Pfarrer Laker, der seit 1990 einmal im Jahr zum Gottesdienst für Mensch und Tier in Dortmund einlädt. Die Resonanz auf den Kirchentag sei zum Teil "enthusiastisch". Aufgrund der sehr hohen Nachfrage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz rechnet AKUT mit 10.000 Kirchentagsbesuchern. Der Kirchentag werde allein aus Spenden finanziert und ehrenamtlich organisiert, betont Laker. Es gebe keine Zuschüsse von der Kirche.

18. August 2010

Kirchentag Mensch und Tier