Studie: Viele Deutsche haben Angst vor dem Islam

Berlin (epd). Über die Hälfte der Deutschen steht dem Islam kritisch gegenüber. Nach einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Studie des Exzellenzclusters "Religion und Politik" an der Universität Münster sind 57,7 Prozent der Westdeutschen und 62,2 Prozent der Ostdeutschen islamkritisch.

Mit dem Islam verbinden die Deutschen vor allem Frauendiskriminierung (über 80 Prozent), Fanatismus (mehr als 70 Prozent) und Gewaltbereitschaft (über 60 Prozent). Lediglich 8,2 Prozent der Westdeutschen und 5,2 Prozent der Ostdeutschen halten den Islam für friedfertig. Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid je 1.000 Menschen in Ost- und in Westdeutschland sowie zum europäischen Vergleich in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Portugal.

02. Dezember 2010

Ergebnisse der Umfrage zu religiöser Vielfalt in Europa


Rheinischer Merkur – Christ & Welt vom 02. Dezember

Mehr als die Hälfte der Deutschen sieht Muslime negativ

In Deutschland stößt der Islam auf die größten Vorbehalte, sagt eine europäische Umfrage

Studienleiter: „Anschlag würde Abneigung gegen Islam verfestigen“

Bonn. Deutschland denkt weit kritischer über den Islam als seine europäischen Nachbarn. Das ergab eine breit angelegte Umfrage des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Universität Münster in mehreren europäischen Ländern, die der Rheinische Merkur - Christ & Welt in der ZEIT exklusiv vorab veröffentlicht. 40 Prozent der Westdeutschen und 50 Prozent der Ostdeutschen fühlen sich demnach durch fremde Kulturen bedroht. Weniger als fünf Prozent der Deutschen, aber mehr als 20 Prozent der Dänen, Franzosen und Niederländer halten den Islam für tolerant. Obwohl ihre Länder heftige Konflikte mit ihrer muslimischen Minderheit erlebten, hat eine klare Mehrheit dort sogar ein positives Bild von Muslimen.

In den alten Bundesländern denken dagegen nur 34 Prozent positiv über Muslime, in Ostdeutschland 26 Prozent. „Gegenüber Frankreich, den Niederlanden und Dänemark herrscht in Deutschland ein rigideres und intoleranteres Verständnis fremder Religionen vor“, erklärte der Leiter der Untersuchung, der Soziologe Detlef Pollack. Die meisten Deutschen sähen zudem kaum positive Seiten des Islam. Weniger als 30 Prozent im Westen Deutschlands befürworten den Bau von Moscheen, im Osten weniger als 20 Prozent. Die Zustimmung zu Minaretten oder zur Einführung muslimischer Feiertage ist noch geringer. In Dänemark dagegen sprechen sich mehr als 50 Prozent für den Bau von Moscheen aus, in Frankreich und den Niederlanden etwa zwei Drittel und in Portugal sogar fast drei Viertel.

 „Der Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, geht völlig am Empfinden der Deutschen vorbei“, sagte Studienleiter Pollack dem Rheinischen Merkur ¬ Christ + Welt. Deutschland muss nach Ansicht des Wissenschaftlers viele Diskussionen nachholen, die andere Länder durch ihre koloniale Vergangenheit oder das Auftreten von Rechtspopulisten schon geführt hätten. Insofern habe auch die Debatte um die Thesen des ehemaligen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin eine Funktion: „Sarrazin hat latente Ängste ausgesprochen und so erst einmal Vorurteile verstärkt. Aber jetzt kann man sie äußern und sich mit ihnen kritisch auseinandersetzen.“ Verheerende Auswirkungen auf die Sicht der Deutschen auf den Islam erwartet Pollack im Falle eines Terroranschlags: „Ein Anschlag würde die Vorurteile gegen den Islam in Deutschland verfestigen“, sagte er. „Nach dem 11. September 2001 sind alle bis dahin unterschwelligen Ängste massiv an die Oberfläche gekommen. Die Bereitschaft, sich ein differenziertes Bild vom Islam zu machen, ist seitdem eher zurückgegangen.“

Der Evangelischen Kirche in Deutschland stellt Pollack ein gutes Zeugnis aus: Ihr Konzept, dem Islam mit Klarheit und guter Nachbarschaft zu begegnen, sei „genau die richtige Politik“.

Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag der Münsteraner Forscher je 1.000 Menschen in Ost- und in Westdeutschland, in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Portugal.

02. Dezember 2010