Militärbischof fordert breite Debatte über Bundeswehr-Reform

Dresden (epd). Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann hat eine breite gesellschaftliche Debatte über die zukünftige Rolle der Bundeswehr gefordert. Am Rande des Kirchentages in Dresden sprach Dutzmann am Donnerstag von einem "Konsultationsprozess", der nötig sei. Daran sollten gesellschaftliche Kräfte wie Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Friedensinitiativen beteiligt werden, sagte er dem epd. Dutzmann äußerte sich im Zusammenhang mit den Bundeswehr-Reformplänen, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) kürzlich vorgestellt hatte.

Dutzmann und auch der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, unterstützten damit den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. Der rheinische Präses forderte in einem Gespräch mit der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe) eine "breite gesellschaftliche Debatte darüber, wofür wir die Bundeswehr eigentlich brauchen". Schneider warnte, die Bundeswehr dürfe nicht zum Instrument einer "Kanonenbootpolitik in neuer Form" gemacht werden.

In den neuen sicherheitspolitischen Richtlinien gehe es wie selbstverständlich um eine militärische Intervention zur Wahrung der nationalen Sicherheit, sagte Dutzmann. Doch nötig sei eine "vertiefte Diskussion" darüber, mit welchen Mitteln Deutschland welche Interessen durchsetzen wolle. "Zurückgezuckt" sei er bei der Formulierung in den Richtlinien, Deutschland sei bereit, seine Sicherheit "als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens" zu wahren.

Brahms sagte, er vermisse in den sicherheitspolitischen Richtlinien den Begriff der "menschlichen Sicherheit". Verglichen mit der nationalen Sicherheit umfasse es die Grundbedürfnisse, zu denen neben Freiheit auch Gesundheit, Bildung und Nahrung gehörten: "Wir müssen klären, was zu tun ist, damit menschliche Sicherheit erreicht wird."

1994 wies das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen erstmals darauf hin, dass sich die "Suche nach Sicherheit auf Entwicklung und nicht auf Waffen richten" müsse. Um diesen Zusammenhang zu erfassen, wurde der Begriff der "menschlichen Sicherheit" geprägt. Ähnlich wie der Begriff der Menschenrechte bezieht er sich auf den einzelnen Menschen.

02. Juni 2011

Das komplette Interview mit dem evangelischen Militärbischof Martin Dutzmann und dem Friedensbeauftragten der EKD, Renke Brahms [MP3-Datei]


Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr

Dresden (epd). Glaubensfest vor barocker Kulisse: In Dresden feiern seit Mittwochabend rund 118.000 Dauerteilnehmer den 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Zum Auftakt des fünftägigen Protestantentreffens riefen Vertreter aus Politik und Kirchen zu mehr religiöser Toleranz und einem bescheidenen Lebensstil auf. Unter dem Eindruck des tödlichen Anschlags auf deutsche Soldaten am Donnerstagmorgen in Afghanistan wurde zudem intensiv über die Grenzen militärischen Eingreifens im Ausland diskutiert.

An einem "Abend der Begegnung" am Mittwochabend nahmen nach Veranstalterangaben etwa 300.000 Menschen teil. Die Barock-Bauten am Dresdner Elbufer waren in pinkfarbenes Licht getaucht. Tausende Kerzen, die im Fluss schwammen, verwandelten die Elbe in ein Lichtermeer. Bis Sonntag stehen beim Kirchentag mehr als 2.000 Veranstaltungen zu Glaubensfragen und politischen Themen auf dem Programm.

Bundespräsident Christian Wulff rief zu mehr Offenheit gegenüber anderen Religionen auf. Christen hätten die Chance zu zeigen, wie sie mit anderen Religionen umgehen, sagte Wulff bei einer Diskussionsrunde am Donnerstag. Gleichzeitig forderte er aber auch eine Erneuerung des Islam.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, beklagte beim Kirchentag eine verzerrte Darstellung des Islam in den deutschen Medien. Er warb gemeinsam mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, und dem Berliner Bischof Markus Dröge, für einen offenen und gelassenen Umgang mit anderen Religionen.

In einem der drei Eröffnungsgottesdienste am Mittwoch auf den Elbwiesen warnte der gastgebende sächsische Landesbischof Jochen Bohl vor der unermüdlichen Jagd nach Geld und einer "Geiz ist geil"-Mentalität. Der ungarische Bischof Tamás Fabiny rief auf dem Altmarkt dazu auf, sich nicht an irdische Güter und Ideologien zu binden.

Der katholische Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, rief in einem ökumenischem Gottesdienst zu mehr Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen auf. Vor 10.000 Gläubigen im Harbig-Stadion sagte Reinelt, dass es für die Ökumene "keine Schonzeit" geben dürfe.

Insbesondere die Themen Friedensethik und Auslandseinsätze der Bundeswehr bestimmten die ersten Diskussionen des Protestantentreffens am Donnerstag. Ungewöhnlich scharf kritisierte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, die aktuellen Reformpläne von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU).

"Wir dürfen die Bundeswehr nicht zum Instrument einer Kanonenbootpolitik in neuer Form machen", warnte Schneider unter Anlehnung an einen historischen Begriff aus der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert. "Es ist beunruhigend zu sehen, dass die Bundeswehr Stück für Stück zu einer Einsatzarmee umgebaut wird", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe).

Auch der Berliner Altbischof Wolfgang Huber, der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms, der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann und Ex-Bischöfin Margot Käßmann sprachen sich für eine Debatte über Ziele und Grenzen militärischer Auslandseinsätze aus. Indes erklärte Verteidigungsminister de Maizière, dass er ungeachtet der jüngsten Anschläge am Einsatz am Hindukusch festhält. Am Donnerstagmorgen war bei einem Anschlag 36 Kilometer südlich von Kundus ein deutscher Soldat getötet worden, fünf weitere wurden verletzt.

02. Juni 2011