Intensive Diskussion über Orientierungshilfe

Frankfurt a.M. (epd). Das im Juni veröffentlichte Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Ehe und Familie bleibt in der Diskussion. Konservative Protestanten und hochrangige Katholiken kritisieren den Text, weil er in ihren Augen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau entwertet und die Ökumene schwer belastet. Dagegen äußerten sich die meisten Leitenden Geistlichen der 20 evangelischen Landeskirchen bislang positiv - oder schwiegen. Nur zwei protestantische Spitzenvertreter zeigten sich grundsätzlich skeptisch gegenüber dem Dokument.

In der 160-seitigen Orientierungshilfe mit dem Titel "Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" fordert der Rat der EKD, alle Familienformen zu stärken und schließt dabei auch Patchworkfamilien und homosexuelle Partnerschaften ein. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider betonte, die Ehe bleibe das Leitmodell. Es gebe keinen Kurswechsel.

Württembergs Landesbischof Frank Otfried July dagegen kritisierte, manche Christen fühlten sich durch den Text "desorientiert statt orientiert". Die Orientierungshilfe gebe den institutionellen Aspekt der Ehe fast lautlos auf, warnte er. Zu wenig sehe er zudem die Bedeutung der sogenannten klassischen Familie geachtet.

Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, wies dagegen Vorwürfe zurück, die evangelische Kirche interpretiere den Familienbegriff neu. Es dürfe nicht ein bestimmtes Bild von Familie zur Norm erhoben werden, weil Menschen sich sonst diskriminiert und ausgeschlossen fühlten.

Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister verteidigte den Text. "Es wurde höchste Zeit für eine neue Orientierungshilfe zur Familie", sagte Meister dem epd. "Das ist eine Wortmeldung im protestantisch-freiheitlichen Geist, die die Ehe keineswegs schwächt, sondern ihre zentrale Rolle im Familienbild unserer Gesellschaft stärken wird."

Der Lippische Landessuperintendent Martin Dutzmann rief zu einer sachlicheren Debatte auf. Er verstehe, dass die Diskussion emotional geführt wird, "weil jeder Mensch Familie hat, und die eigene Identität in Familie geprägt worden ist". Er habe zudem den Eindruck, dass einige zwar in die Diskussion eingreifen, aber das Papier nicht kennen.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, wies Vorwürfe zurück, das EKD-Familienpapier ebne Scheidungen den Weg: "Die Orientierungshilfe beschreibt die gesellschaftliche Realität." Und es sei auch Realität, dass Ehen und Partnerschaften scheitern.

Aus der Bibel könne man "keinesfalls die bürgerliche Ehe, wie wir sie heute kennen, ableiten", betonte Badens Bischof Ulrich Fischer. Daher begrüße er das Papier. Zugleich kritisierte er, dass in der Orientierungshilfe davon die Rede sei, dass "gleichgeschlechtliche Partnerschaften theologisch gleichwertig sind". In der Bibel könne man beim besten Willen keine Stellen finden, die Homosexualität befürworten, sagte der Theologe, der auch Mitglied des EKD-Rates ist, der "Badischen Zeitung".

Der Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, stellte sich hinter das Papier. "Die Orientierungshilfe entwertet die Ehe nicht", unterstrich Ulrich in einem Gastbeitrag für die "Kieler Nachrichten". Familiäre Strukturen befänden sich derzeit in einem starken Wandel. Dieser Wandel müsse nüchtern zur Kenntnis genommen werden. "Unsere Kirche setzt sich dafür ein, dass das familiäre Zusammenleben geschützt, unterstützt und gestärkt wird", bekräftigte er. Dazu sei die EKD-Orientierungshilfe "ein wichtiger Beitrag".

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, ein Mitautor des Textes, zeigte sich überrascht vom aggressiven Ton der Kritiker. Die Orientierungshilfe werte die Familie nicht ab, sondern wolle sie neu denken. Die Familie könne nicht auf das kleinbürgerliche Ideal aus dem 19. Jahrhundert mit einer festen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau reduziert werden.

Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm begrüßte die Orientierungshilfe als geglückte Anpassung an veränderte Gesellschaftsmodelle. "Wenn etwa Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sich gegenseitig Liebe und Treue versprechen, kann man sich aus der Sicht christlicher Ethik doch nur freuen", erklärte er.

Kritik kam vom Kirchenpräsidenten von Anhalt, Joachim Liebig. Die EKD stelle zwar zutreffend fest, dass die Ehe eine weltliche Einrichtung und kein heiliges Sakrament sei. Die Auffassung, dass das Scheitern einer Ehe wegen wechselhafter Gefühle grundsätzlich legitim sei, sei jedoch kritikwürdig. Christen sollten trotz hoher Scheidungszahlen am Ideal der Treue festhalten.

Sachsens Landesbischof Jochen Bohl sagte, die evangelische Kirche sehe in Ehe und Familie die grundlegende und beispielhafte Form des Zusammenlebens. "Wenn andere Lebensformen sich daran orientieren, so kann man dankbar dafür sein - sollte aber erst recht für das Zusammenleben in Ehe und Familie werben."

Zwischen Autonomie und Angewiesenheit: Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken

08. Juli 2013