Lebensrettender Schutz im evangelischen Pfarrhaus

Vor 50 Jahren starb der württembergische Pfarrer Theodor Dipper, der mit seiner Frau während der NS-Zeit Juden versteckte

Schild am Theodor-Dipper-Platz in Reichenbach/Fils

In Reichenbach/Fils bei Göppingen übernahm Theodor Dipper 1938 eine Pfarrstelle an der Mauritiusgemeinde. Dort ist heute der Platz  an der Mauritiuskirche nach dem mutigen Theologen benannt. Ein Schild zeigt Theodor Dipper und seine Frau Hildegard (Mitte) und erinnert an ihren Einsatz.

Stuttgart (epd). Er riskierte sein Leben, um das Leben anderer zu retten: Der evangelische Pfarrer Theodor Dipper (1903 1969) versteckte während der NS-Zeit Juden. Max und Ines Krakauer aus Berlin etwa entgingen dank des Muts Dippers und seiner Frau Hildegard den Nazi-Häschern. Dafür erhielt das württembergische Ehepaar posthum den Titel „Gerechte unter den Völkern“, den der Staat Israel verleiht. Vor 50 Jahren, am 20. August 1969, ist Theodor Dipper gestorben.

Dipper stammt aus einem Pfarrhaus und durchläuft die typische württembergische Theologenlaufbahn: evangelisches Seminar in Blaubeuren bei Ulm, Theologiestudium im Stift Tübingen. Nach dem Vikariat führt ihn seine erste Pfarrstelle in das Albdorf Würtingen, unweit von Reutlingen. Schon dort gerät er in den Ruf eines „politisierenden Pfarrers“, weil er sich 1933 gegen die Gleichschaltung kirchlicher Jugendgruppen mit der NS-Jugendarbeit stellt.

Hausdurchsuchungen und Redeverbot

1935 wechselt der junge Pfarrer in den Gemeindedienst der Landeskirche, um dort Mission und die Weiterbildung ehrenamtlicher Mitarbeiter voranzutreiben. Die Konfrontation mit den Machthabern nimmt zu. In den Büroräumen des Gemeindedienstes gibt es Hausdurchsuchungen, Dipper erhält öffentliches Redeverbot. Nachdem er 1938 eine Pfarrstelle in Reichenbach/Fils bei Göppingen übernommen hat, muss er sogar fast zwei Monate Haft im „Schutzlager“ Welzheim verbringen – zu offen ist seine Parteinahme für Menschen, die sich dem Regime nicht total unterwerfen.

Die evangelische Opposition gegen Hitler und die „Deutschen Christen“ sieht in diesen Jahren nicht einheitlich aus. Landesbischof Theophil Wurm kommt dem Nazi-Regime an manchen Stellen entgegen, indem er etwa den regimekritischen Pfarrernotbund 1934 zur Auflösung drängt. Andererseits stellt der Bischof sich auch zur Bekennenden Kirche und ihrem Landesbruderrat, dem Dipper vorsitzt, und beauftragt diesen Rat, die Lehren der „Deutschen Christen“ zu begutachten.

Zur Spaltung der Bekenntnistreuen kommt es, als auch Württembergs evangelische Kirche das staatliche Treuegelöbnis für kirchliche Mitarbeiter übernimmt. Ein Teil hält dieses Gelöbnis für unannehmbar, Dipper und der Landesbruderrat akzeptieren es mit Bauchschmerzen. Dass der Landesbruderrat nach sogenanntem Notrecht kirchenleitende Funktionen übernehmen soll, wie es radikalere Widerständler fordern, lehnen die Theologen um Dipper ab.

Württemberger Pfarrhauskette

Dass sich Dipper nicht nur mit schwierigen theologischen Diskussionen und kritischen Positionspapieren herumschlägt, zeigt seine Mitwirkung an der Gründung der sogenannten Württemberger Pfarrhauskette. Dieser geheime Verbund evangelischer Pfarrer macht es sich zur Aufgabe, Juden kurzfristig zu verstecken und dann an ein anderes Mitglied der Kette weiterzureichen. Wievielen Juden dieser mutige Einsatz das Leben gerettet hat, ist unbekannt. Bislang haben sich 19 Namen finden lassen, darunter das Berliner Ehepaar Max und Ines Krakauer, die sogar zwei Mal bei Dippers Unterschlupf fanden.  

Die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat das Ehepaar Theodor und Hildegard Dipper 2008 zu den „Gerechten unter den Völkern“ erklärt. Die Einrichtung erinnert daran, dass sich die beiden der Gefahren bewusst gewesen seien – immerhin habe Theodor Dipper schon mehrere Wochen in einem Lager verbracht. Andere Pfarrer hätten dagegen ihre Hilfsbereitschaft wieder zurückgenommen, nachdem ihnen die drohenden Konsequenzen klargeworden seien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Dipper Dekan – zunächst in Nürtingen am Neckar, dann in Ludwigsburg. Das Amt des Vorsitzenden des Landesbrüderrats behielt er, in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde er 1956 ebenfalls zum Bruderratsvorsitzenden gewählt. Aus der Bekennenden Kirche ging die Initiative „Evangelium und Kirche“ hervor, die bis heute in der württembergischen Landessynode vertreten ist.

Marcus Mockler (epd)