Viel Geist zu Pfingsten

Vom Wunder religiöser Kommunikation in der ersten Person

Bild einer Taube an einer Kirchendecke

Die Taube steht als Symbol für den Heiligen Geist, der an Pfingsten ausgeossen wurde.

„Schöne Pfingsten!“, das ist kurz vor dem Fest ein oft zu hörender Wunsch. Ganz intuitiv hatte ich es in den Tagen vorher einmal mit einer anderen Grußformel probiert: „Schöne Tage und viel Geist zu Pfingsten!“ Die Antwort: „Ich erwarte da nicht viel und wüsste auch nicht, wo ich ihn finden sollte.“ Sie kam keineswegs von einer Person, die mit Kirche und Glaube nichts zu tun hätte. Eher im Gegenteil.

An Pfingsten wird verreist

Doch diese Reaktion muss eigentlich auch nicht überraschen. Warum sollte man ausgerechnet an diesem Wochenende große Erwartungen an im weitesten Sinne religiöse Erfahrungen haben? An Pfingsten gibt es kaum feste Traditionen, keine Rituale. Wer nach dem christlichen Hintergrund dieses Festes fragt, bekommt wenig Auskünfte. Kirchliche Angebote sind an vielen Orten zurückgefahren worden, weil an Pfingsten verreist wird, weil Sportvereine Wettkämpfe und Jugendcamps durchführen und Kirche nicht wieder in Konkurrenz treten will.

Zudem tun sich Kirche und Theologie auch schwer, Pfingsten so zu füllen, dass die Leute sagen: „Pfingsten: Wow!“ Man nehme nur mal die Aussage, Pfingsten sei der Geburtstag der Kirche. Geburtstag feiern ist nicht immer leicht. Aus dem persönlichen Bereich ist bekannt, dass manche Erwachsene ihren Geburtstag sozusagen ausfallen lassen oder im Stillen feiern. Dennoch lohnt die Frage, was ein guter Geburtstag ist. Meine Antwort lautet: Einer, an dem ich erfahren kann, dass Menschen mit mir mein Leben feiern wollen.

Mich und mein Dasein gutheißen, mich segnen

Ein guter Geburtstag ist ein Tag, an dem ich spüren kann, dass ich in meiner Welt nicht allein bin. Ein Tag, an dem Menschen mit mir auf vielerlei Weise kommunizieren, sprechen, essen, trinken, lachen und anderes mehr, darin aufgreifen, was mich bewegt und mir damit sozusagen ganzheitlich Resonanz geben. Vielleicht könnte man sagen: Ein guter Geburtstag ist ein Tag, an dem Menschen mich und mein Dasein gutheißen, mich segnen. Doch jetzt tritt deutlich zutage, warum der Vergleich hinkt. Die Kirche ist nun mal kein Mensch, sondern eine Institution. Dies ist mindestens ein triftiger Grund, warum das Leitmotiv vom Geburtstag der Kirche nicht so richtig zündet.

Wechseln wir die Ebene, weg von der Institution hin zu den Menschen, die sozusagen Kirche sind. Dann könnte man sagen, Pfingsten, das ist ein Fest, an dem wir nach frischen Eindrücken und bewegenden Erfahrungen für unseren Glauben suchen. So etwa ließe sich auch das Anliegen der kirchlichen Aufbruchsbewegung „fresh expressions“ zusammenfassen, die in den letzten Jahren von England aus nach Deutschland gekommen ist: religiöse Erfahrungen ermöglichen und dabei mehr Gemeinschaft erleben, so dass Kirche sich wie von selbst erneuert. Denn miteinander über den eigenen Glauben zu sprechen, verändert nicht nur ganz sachlich den Blick auf die Welt, sondern auch die Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zur Welt. Kirche ist nicht nur Organisa-tion und Institution, sie ist Erzählgemeinschaft. Das ist übrigens auch das, was als Pfingstwunder berichtet wird: Alle, die zusammen gekommen waren, fingen plötzlich an über ihren Glauben zu sprechen.

Es muss nicht unbedingt wie damals ein Wunder geschehen

Fragt sich nun nur noch, wie dies so geschehen kann, dass offen und frei über den Glauben und aus Glauben gesprochen wird. Doch Religion ist mehr und mehr zur Privatssache geworden. Es gibt im Grunde keine Selbstverständlichkeiten mehr, wie und wo in der Familie, im Freundeskreis, in Vereinen, mit vertrauten oder fremden Personen über und aus Glauben gesprochen werden kann. Aus der Perspektive vieler Menschen sind es höchstens noch die Gottesdienste, in denen dies öffentlich und explizit geschieht; zugleich sind sie aber kaum Orte, an denen dazu herausgefordert wird, eigene Worte für den Glauben zu finden.

Es ist interessant zu sehen, dass wer religiöse Kommunikation sucht, häufig woanders Räume zum Austausch zu finden scheint: In vielen Social-Media-Plattformen tauschen sich Menschen aus ganz verschiedenen Milieus und aus unterschiedlichen Altersgruppen über Religionen und Glauben aus. Hier zeigt sich, dass es durchaus Interesse, Bedarf und Freude an religiöser Kommunikation gibt. Das geschieht nicht ohne Ambivalenzen und muss nicht jedermanns Sache sein. Hier wird eben unkontrolliert religiös kommuniziert und das kann bunte Blüten treiben. Aber wer Religion nicht in Moral aufgehen lassen will, muss sich wohl darauf einlassen. Es ist nicht so, dass unbedingt wie damals ein Wunder geschehen muss. Viel eher, dass man dem eigenen Glauben Worte gibt. Dass man Resonanzen findet, dass man den Geist Gottes wirken lässt, er ist immer schon da. So gesehen erinnert Pfingsten die Kirche daran, religiöse Kommunikation als ihre Basis wieder zu entdecken. Und sich daran zu freuen, wo immer Menschen innerhalb und außerhalb der Kirchen schon längst damit angefangen haben.

Ilona Nord (Professorin für Religionspädagogik)


Der Text stammt aus dem Magazin „Grüße aus dem Kirchenjahr. Kirchliche Feiertage als kultureller Reichtum“ der EKD.

Cover des EKD-Magazins 'Grüße aus dem Kirchenjahr'

Grüße aus dem Kirchenjahr

Kirchliche Feiertage als kultureller Reichtum
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