Für mehr Frieden und soziale Gerechtigkeit
EKD-Ratsvorsitzender zu Herausforderungen in 2003
„Der Mensch sieht was vor Augen ist,
Gott aber sieht das Herz an.“
(Biblische Jahreslosung 2003 der Herrnhuter Tradition)
Für mehr Frieden und soziale Gerechtigkeit
EKD-Ratsvorsitzender Kock über die besonderen Herausforderungen des kommenden Jahres
Trotz der Bedrohungen des Weltfriedens und der davon ausgehenden Ängste vieler Menschen hofft der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Manfred Kock, auf Einsicht und Besonnenheit bei den politischen Entscheidungsträgern. Er vertraue fest darauf, dass Gott eine gute Absicht mit den Menschen verfolge. Es mache darum entgegen allem Augenschein Sinn, sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren. „Wir müssen es lernen, unsere Gegner, selbst unsere Feinde, mit den Augen Gottes als Mitmenschen und nicht als Monster zu sehen, dann bleiben unsere Bemühungen um Frieden und soziale Gerechtigkeit auch im kommenden Jahr keine Illusion“, sagte Kock.
In den zahlreichen Weihnachtsgottesdiensten sei vom „Frieden auf Erden“ gepredigt worden. Währenddessen seien in Pakistan und Indien Menschen, die diese Botschaft hören und die Geburt Jesu Christi feiern wollten, von Extremisten angegriffen und getötet worden. Angesichts der Serie brutaler Überfälle auf Kirchen appellierte der Ratsvorsitzende an die Vertreter aller Religionen, die Friedenspotenziale in ihrer Glaubenstradition neu zu entdecken: „Wir müssen die Friedenskräfte aller Religionen stark machen, um die Waffen dieser Welt zum Schweigen zu bringen.“ Extremisten, die religiöse Überzeugungen missbrauchten, um ihre brutalen Übergriffe gegen andere zu rechtfertigen, müsse von ihren religiösen Autoritäten deutlich widersprochen werden. Zum Gespräch zwischen den Religionen, das Gegensätze und Spannungen nicht ausklammern dürfe, gebe es keine Alternative. Es sei auch ein Gebot der politischen Vernunft, sich mit der aktuellen Verwicklung von Religion in die Konflikte der Gegenwart auseinander zu setzen. „Ich hoffe, dass die Regierenden stark genug sind, den trügerischen Verlockungen zu widerstehen, durch den Einsatz militärischer Gewalt etwas zum Positiven bewegen zu können.“
Herausgefordert seien Menschen auch durch die innenpolitische Situation: „Wir müssen in der politischen Debatte wieder zurückfinden zu einer seriösen Auseinandersetzung, die der Suche nach Lösungen verpflichtet ist. Politik darf sich nicht darin erschöpfen, den Gegner lächerlich zu machen oder ihn zu verunglimpfen.“ forderte Manfred Kock zum Jahreswechsel. Die Demokratie sei auf die Achtung vor dem politisch anders Denkenden angewiesen.
Zu Lage in Deutschland sagte Kock weiter: „Ich wünsche mir mehr Mut zu Reformen. Dies kann nur funktionieren, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte sich aus der Erstarrung des Besitzstandsdenkens lösen und praktikablen Lösungen endlich grünes Licht geben.“ Dazu habe auch der Rat der EKD im zu Ende gehenden Jahr in mehreren Stellungnahmen aufgerufen, etwa zur Gesundheitspolitik (Solidarität und Wettbewerb, EKD-Texte 74), zur Situation der Familien in der Gesellschaft (Was Familien brauchen, EKD-Texte 73) und zur Integration von Menschen anderer Herkunft (Zusammenleben gestalten, EKD-Texte 76). Die derzeitigen Debatten zeigten, wie wichtig und aktuell diese Orientierungshilfen der evangelischen Kirche seien. Das kommende Jahr biete die Chance, längst fällige Veränderungen im gesellschaftlichen Konsens auf den Weg zu bringen und die Systeme der Daseinsvorsorge endlich auf eine solide Grundlage zu stellen: „Das klare Bekenntnis zur sozialen Grundsicherung, wie es die evangelische Kirche schon immer fordert, entbindet nicht davon, persönlich Verantwortung zu übernehmen.“ Mehr Wettbewerb im Bereich der sozialen Dienste dürfe jedoch nicht auf Kosten der menschlichen Wärme gefordert werden. „Das Kriterium ‚satt und sauber‘ haben wir in der kirchlichen Diakonie aus guten Gründen als Versorgungsprinzip längst hinter uns gelassen. Menschliche Zuwendung muss neben dem medizinisch Notwendigen ein Qualitätsmerkmal jeder Pflegeleistung bleiben.“ betonte Kock.
Unter Anspielung auf das biblische Jahresmotto sagte Kock, der Mensch sei mehr als eine biologisch manipulierbare Masse. „Die von einer schrillen Sekte behauptete Geburt eines geklonten Menschen zeigt, welche Geister sich der Wissenschaft bedienen können. Die Warnungen der Kirchen davor sind jedenfalls nicht unbegründet gewesen.“ Das Jahr der Bibel, das Ende Januar eröffnet wird, gebe Gelegenheit, sich auf die Grundlagen des Menschenbildes unseres Kulturkreises zu besinnen, die Urkunde des Glaubens neu wahrzunehmen und in ökumenischer Verbundenheit den Gegenwartsbezug der Heiligen Schrift zu diskutieren. Kirchlicher Höhepunkt des neuen Jahres werde der Ökumenische Kirchentag Ende Mai in Berlin sein. Schon in der Vorbereitungsphase gingen von diesem Projekt positive Signale aus. „Ich halte es in unserer zerstrittenen Gesellschaft für einen großen Gewinn, wie Katholiken und Protestanten es schaffen, über historisch gewachsene, noch immer bestehende Unterschiede hinweg respektvoll, offen und herzlich miteinander zu diskutieren und nach einer Überwindungen der Trennung zu suchen.“ Kock verspreche sich vom Ökumenischen Kirchentag weitere wichtige Schritte hin zu einer versöhnten Verschiedenheit der Konfessionen.
Hannover, 30. Dezember 2002
Pressestelle der EKD
Christof Vetter