Predigt im ZDF-Fernsehgottesdienst am 7. Februar 2021 - Heinrich Bedford-Strohm

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland

Es gilt das gesprochene Wort
 

Ich muss an diesem Tag eine Liebeserklärung abgeben: Ich liebe die Bibel! Das sage ich sehr persönlich. Die Bibel ist der Grund dafür, dass ich nach langem Fragen und Zweifeln vor jetzt rund 40 Jahren Theologie studiert habe. Denn ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als dieses Buch auch beruflich zu meinem Lebensinhalt zu machen.

Ich habe es keine Sekunde bereut.

Die Bibel ist ein überraschendes Buch. Sie enthält viele Geschichten, die mich innerlich packen. Schon als Kind habe ich gebannt darauf gewartet, was passiert, wenn der verlorene Sohn, der so viel Mist gebaut hat, nach Hause kommt. Und habe mich mit ihm gefreut, dass er beim Vater nicht auf Vorwürfe und Ärger stößt, sondern auf seine offenen Arme.  Die Bibel mutet mir allerdings auch viel zu. Wie kann Abraham dem Befehl Gottes folgen und Isaak, seinen eigenen Sohn, als Schlachtopfer bringen wollen? Und dann erst von Gott selbst davon abgehalten werden, es wirklich zu tun!?

Jedes Mal, wenn ich in der Bibel lese, entdecke ich etwas Neues. Je nach Lebenssituation können dieselben Texte eine andere Botschaft für mich haben! Die Bibel ist an vielen Stellen so überraschend, so spannend, dass sich eigentlich alle Menschen darum reißen müssten, in ihr zu lesen! Die Wirklichkeit ist anders.

Manches in der Bibel ist nicht leicht zu verstehen und bleibt erstmal bleibt im Dunkeln. Das geht sogar Menschen in der Bibel so! In diesem verrückten „Roadmovie“ mit dem königlichen Vermögensverwalter aus Äthiopien. Er hat einen weiten Weg gemacht. Denn er sucht etwas, was er sich mit seinem ganzen Geld nicht kaufen kann. Er sucht etwas, woran er glauben kann.

Viele Menschen kennen diese Suche und diese Sehnsucht heute ganz genauso. Unsere Welt ist voll von Kämmerern. Von Menschen, die etwas suchen, das Antworten auf die eigenen Fragen gibt. Die suchen nach dem, was ihrem Leben Sinn gibt. Sie wollen Worte, die stärken. Und solche, die Orientierung geben.

Damit die Sehnsucht des Äthiopiers gestillt wird, wird Gott aktiv, indem er den Philippus schickt. Gott fädelt die eigentlich unmögliche Begegnung auf bewährte Weise ein: Er schickt dem Philippus einen Engel.  Und der sagt ihm, was er machen soll: Zu der Straße gehen, die von Jerusalem nach Gaza führt. Also macht er sich auf den Weg. Das ist kein toller Weg, ganz schön anstrengend, das Ziel wenig attraktiv, irgendeine staubige, öde Straße im Südwesten. Menschenleer. Aber die beiden Männer treffen zusammen, noch bevor der Äthiopier die Grenze zu Ägypten erreicht.

Philippus stellt die eine entscheidende Frage: „Verstehst du denn, was du da liest?“ Sofort entsteht ein Gespräch. Endlich jemand, der verstehen hilft! Endlich jemand, der eine neue Perspektive bietet! Der Äthiopier saugt die Worte des Philippus auf wie ein Schwamm. Was für eine Predigt da auf dem Wagen!

Gott fädelt es ein. Hier wirkt er, der Heilige Geist. Dort, wo Menschen einander anleiten. Zwei, die sich über die alten Worte beugen. Frage und Antwort. Versuch und Irrtum. Anleitung zum Verstehen.  Auf dieser menschenleeren Straße, oder in der Bibelstunde in ihrer Kirchengemeinde, in der Mittagspause im Büro. Dort wo Menschen einander Anleitung geben, geschieht das Verstehen.

Der Äthiopier versteht. Er spürt, dass er diese Kraft, diesen Frieden, der sich in ihm ausbreitet, nie wieder verlieren will. Jesus Christus wird für ihn zum Schlüssel nicht nur für den Bibeltext, sondern für sein ganzes weiteres Leben. Er lässt sich taufen und zieht voller Freude nach Hause zurück. Weiter erfahren wir nichts von ihm. Aber fest steht, dass viele ihm gefolgt sind: Die äthiopisch-orthodoxe Kirche zählt heute zu den ältesten christlichen Kirchen der Welt!

Wenn doch jeder, der Antworten sucht, so einen Philippus an seiner Seite haben könnte! Ich glaube, die Kirche ist voll von Menschen wie Philippus. Wir können das. Wir trauen es uns nicht immer zu. Aber wir können das. Sie können das. Wer hat Ihnen zum ersten Mal über Jesus erzählt? Ihnen das erste Gebet beigebracht? Das alles war Anleitung zum Glauben. Philippusdienst.  Wir kennen die Worte, die trösten und stärken.  Wie sie die Bibel in grenzenloser Fülle schenkt. Wir können Lust machen, diese Worte in der Bibel neu zu entdecken. Wir haben einen solchen Schatz anvertraut bekommen. Nicht, um ihn in unseren Kirchen zu hüten, sondern um ihn unter die Leute zu bringen und ihn gemeinsam zu entdecken.

Die BasisBibel gibt alte Worte verständlich weiter und macht dadurch ihre brennende Aktualität sichtbar und spürbar. Doch sie braucht Botschafter*innen. Sie braucht neue „Philippusse“. Lasst uns solche Philippusse sein!

Und dadurch im Leben anderer Menschen einen Unterschied machen. So dass es ihnen so geht wie dem Mann aus Äthiopien: „er setzte seinen Weg voller Freude fort.“