"Das Evangelische an unseren Schulen und ihr Beitrag zur Bildungsdiskussion"

Manfred Kock

Bundeskongress Evangelischer Schulen in Nürnberg

Es gilt das gesprochene Wort!

I. Bildung in menschlichen Maßen ...

dies fordert die Anfang des Jahres veröffentlichte EKD - Denkschrift zur Bildung. In der gegenwärtigen Debatte mahnt sie ein Bildungsverständnis an, das sich nicht auf Funktionalität reduzieren lässt, z.B. im Sinne einer ausschließlichen Orientierung an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Ohne diese Erfordernisse außer Acht zu lassen, behält sie als Antwort auf die sogenannte „Wissens- und Lerngesellschaft“ die Orientierung am ganzen Menschen im Blick. Ein so verstandenes Bildungskonzept sieht - so sagt es die Denkschrift -

  • "den einzelnen Menschen als Person,
     
  • seine Förderung und Entfaltung als 'ganzer Mensch'
     
  • und seine Erziehung zu sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen" (Denkschrift, S. 89).

An diese grundsätzlichen Aussagen ist anzuknüpfen, auch und gerade wenn man nach den Schulen in evangelischer Trägerschaft fragt,

  • nach ihrem spezifischen Selbstverständnis als evangelische Schulen
     
  • und nach ihrem Beitrag zur gegenwärtigen Bildungsdiskussion.

1. Zur Situation: Evangelische Schulen sind in vielfältiger Hinsicht gefragt

Die Entwicklung der letzten Jahre spricht für freie und konfessionelle Schulen im Allgemeinen und für Evangelische Schulen im Besonderen, denn nach wie vor

  • werden in steigender Zahl Anträge auf Schulgründungen gestellt,
     
  • denken vor allem Elterninitiativen über die weitere Gründung evangelischen Grundschulen nach,
     
  • erhoffen sich viele deren Ausbau zu weiterführenden Schulen,
     
  • haben allgemeinbildende evangelische Schulen einen großen Zulauf - auch dort, wo staatliche Schulen bereits mit Schülerrückgang zu rechnen haben,
     
  • ist das Engagement kirchlicher u. diakonischer Träger für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf besonders hoch - sei es über Internatsangebote, sei es in Sonderschulen, sei es in integrativen Ansätzen, sei es in der Beratung,
     
  • sind es gerade diakonische Einrichtungen, die mit ihren Schulen für die Ausbildung im Bereich der Sozial- und Pflegeberufe Sorge tragen und entscheidend mithelfen, den Ausbildungsstand und die Versorgung mit qualifizierten Kräften für eine wachsende Nachfrage zu sichern.

2. Evangelische Schulen um der Gesellschaft willen

So gesehen sind evangelische Schulen ein wesentlicher Teil unseres öffentlichen Schulwesens und lassen sich nicht einfach unter dem konstruierten Gegensatz „staatlich“ - „privat“ einsortieren. Denn Evangelische Schulen haben mit ihrer pädagogischen Arbeit und ihrem Bildungsansatz die Gesellschaft als Ganze im Blick. Sie verstehen sich als Element einer Zivilgesellschaft, in der die Bürger aktiv an der Gestaltung der Institutionen beteiligt sind. Evangelische Schulen leisten in dieser Gesellschaft mit ihrem besonderen Profil einen wichtigen Dienst und sind zugleich Ausdruck dafür, wie der Protestantismus den schulischen Bildungsauftrag interpretiert.

Kirchliches Engagement für evangelische Schulen kann darum gar nicht Rückzug aus der öffentlichen Schule bedeuten oder gar die Pflege sektiererischer Selbstgenügsamkeit. Es ist vielmehr bewusstes und konzentriertes Hineinwirken in das öffentliche Schulwesen. Die evangelische Schule als wesentliche Lebensäußerung der evangelischen Kirche kann kein flächendeckendes Schulsystem darstellen, aber sie strahlt mit ihren Akzenten und Schwerpunkten in die Bildungslandschaft aus und kann diese auch verändern. Allerdings muss kritisch vermerkt werden, dass die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für Evangelische Schulen sich in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Wartezeiten bis zur Übernahme in die staatliche Finanzierung wurden verlängert. Zuschüsse wurden abgesenkt.

3. Eigene Akzente als Voraussetzung für die Wirksamkeit Evangelischer Schulen

Die Evangelische Schule wirkt - zumindest will sie es - mit ihrem Profil immer auch als Impulsgeber für das gesamte Schulsystem. Sie kann anderes wagen und erproben und trägt so zur Weiterentwicklung des Schulwesens bei.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass unsere Schulen auch wirklich eigene Akzente setzen. Ihre schulische Wirklichkeit muss ein Bildungsverständnis belegen und vertiefen, das den "Maßen des Menschlichen" nach protestantischem Verständnis heraus entspricht. Damit steht sofort die alt bekannte, viel diskutierte Frage nach dem Proprium, dem unverwechselbar Eigenen Evangelischer Schulen im Raum.

Man darf diese Frage nicht im Kontext von Spardebatten unter Rechtfertigungsdruck hören. Wenn man sie dazu verwendet, dass sie als Leitfrage den Ausgangspunkt für einen konstruktiven Reflexionsprozess markiert, mit der Absicht, sich der eigenen Arbeit, ihrer Ziele und Motivationen zu vergewissern.
Damit ist die Frage nach dem unverwechselbar Eigenen eine notwendige Anregung. Sie bietet die Chance des Innehaltens, das so wichtig ist gegenüber einer weit verbreiteten Haltung des unreflektierten und erhitzten Aktionismus.

So gewendet geht es um die Verständigung über Auftrag und Vision des eigenen evangelischen Beitrags. Der kann hilfreich sein für die Akteure unserer Schullandschaft nach den Verunsicherungen durch die PISA-Studien und die jüngsten Defizitbeschreibungen der OECD-Studie am deutschen Bildungswesen. Hier ist Ermutigung und Orientierung gleichermaßen von Nöten.


II. Was also ist das "Evangelische" unserer Schulen?

Dass die Frage nach dem Evangelischen unserer Schulen immer wieder gestellt wird, hängt natürlich auch damit zusammen, dass nicht schon das Schild am Eingang mit der Aufschrift "Evangelische Schule", ausreicht um zweifelsfrei zu erkennen, was deren besonderes Wesen ausmacht.

Es gibt kein dogmatisch begründetes Konzept, welches das Evangelische unserer Schulen theologisch ausreichend beschreiben könnte. Auch die evangelischen Schulen bilden in ihrer Verschiedenheit die protestantische Vielfalt ab, wie es sich für gute protestantische Tradition gehört.

Vielfalt heißt freilich nicht Beliebigkeit. Jede Schule entwickelt entsprechend ihren spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten, ihren konkreten Aufgabenbereichen und ihren pädagogischen Ansätzen charakteristische Merkmale ihrer Identität.

Erst eine Zusammenschau aller dieser Schulen könnte ersichtlich werden lassen, dass sich diese einzelnen Schulidentitäten um bestimmte Merkmale gruppieren und sich zu typischen Schwerpunkten verdichten, die dem evangelischen Profil zuzuordnen sind.

Die gewissermaßen „von außen“ vorzunehmende Verortung einer Schule im Spektrum evangelischer Schulangebote und das „von innen“ her zu erarbeitende Selbstverständnis einer Schule dürfen nicht getrennt vorgenommen werden. Beide Perspektiven gehören zur Betrachtung ein und derselben Sache.

Da auch die Evangelischen Schulen Teil der Bildungsverantwortung der Kirche in der Gesellschaft sind, erscheint es mir sinnvoll, ihr Profil an eben jenem Bildungsbegriff zu schärfen, der auch die Mitte der Bildungsdenkschrift der EKD ist. Denn Evangelische Schulen sind Konkretionen einer am "Maße des Menschlichen" orientierten Bildung.

1. Das Evangelische unserer Schulen ist da lebendig, wo sie Bildung am einzelnen Menschen orientieren
und von einer Kultur der wechselseitigen Anerkennung geprägt sind.


Eine der wichtigsten und häufigsten Aussagen, die gerade Eltern über evangelische Schulen treffen, kennzeichnen sie als Orte, in denen man Kinder und Jugendliche in besonderer Weise angenommen weiß. Evangelische Schulen selbst interpretieren in ihren Aussagen und Konzepten immer wieder Bildung und Erziehung als Zuwendung und Annahme. Wer Bildung grundsätzlich als kommunikativen Prozess versteht und nicht als manipulative Einwirkung eines Menschen auf den anderen, hat die Bibel an seiner Seite. Gottebenbildlichkeit heißt dort ja: Der Mensch, geschaffen als Mann und Frau, ist Beziehungswesen. Das beschreibt das Grundmuster eines angemessenen Umgangs der Menschen miteinander auch im schulischen Kontext.

Die kommunikative Zuwendung zum anderen findet ihre Grundlegung in der christlichen Glaubenserfahrung, dass jeder Mensch von Gott bedingungslos angenommen ist. Evangelische Schulen weisen mit diesem Verständnis von Wert und Würde des Menschen über die Ebene von Leistung und Können hinaus. Sie beziehen den bewussten Umgang mit Schuld und Versagen ein in den schulischen Alltag und verstehen Vergebung und Versöhnung auf dem Hintergrund biblischer Überlieferung sowohl als Grundlage wie auch als Ziel pädagogischen Handelns und gelebter Schulkultur in Lehrerzimmern, Klassenräumen und im Umgang mit Elternschaft und Schulträgern.

Evangelisch sind unsere Schulen, wenn sie sich am ganzen Menschen orientieren. Es gibt wohl kein Schulkonzept einer evangelischen Schule - gleich welcher Schulart -, aus dem nicht deutlich würde, dass es bei allem pädagogischen Bemühen um eine ganzheitliche Sicht des Menschen geht, um den Menschen auch in seiner Beziehung zu Gott.

Damit sind evangelische Schulen weniger in der Gefahr, Bildung zu funktionalisieren und einseitig zu reduzieren auf Wissen, und das Erlernen von berufsrelevanten Fähigkeiten als andere. Immer geht es darum, für ein "sinn - volles" Leben nicht nur vorzubereiten, sondern die Sinnfrage auch in der schulischen Gegenwart zu stellen, miteinander zu bedenken, was zur Sinnstiftung dient und dies im eigenen Lebens- und Arbeitsstil erkennbar zu machen.

An evangelischen Schulen muss diese Vermittlung nicht nur die Aufgabe des Religionsunterrichts sein. Vielmehr können evangelische Schulen im Gesamtkonzept von Unterricht und Schulkultur ein Bildungsverständnis umsetzen und konkretisieren, das den "Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein und Handeln im Horizont sinnstiftender Lebensdeutung" (S. 90) darstellt. Im Rahmen aller Fächer und im fächerübergreifenden Zusammenhang ist angemessener Raum gewährt für Fragen nach dem "Woher" und "Wozu", kann die gemeinsame Suche von Lernenden und Lehrenden nach Sinnstiftendem dem Unterricht die Tiefe geben, die ihn zu einer wirklich lebensbegleitenden Geschehen macht. Auch dem Dialog von Wissenschaft und Glauben gebührt im Rahmen einer evangelischen Schule, die ihren Auftrag weiter fasst und Lebensdeutung und Suche nach Wahrheit darin einschließen will, ein besonderer Platz.

Das Evangelische unserer Schulen wird auch in der Öffnung für christliche Spiritualität erfahren. Solche Erfahrung ist nicht auf pädagogischem Weg machbar, wie auch Glaube nicht lerntechnisch vermittelbar ist, aber es werden Zugänge angeboten, so dass evangelische Spiritualität erlebt und für die Ausbildung einer eigenen praxis pietatis erschlossen werden kann. Durch die vielfältigen Formen christlicher Gemeinschaft, die evangelische  Schulen prägen, stehen dafür viele Wege offen. Andachten, Morgenkreise und Einkehrtage weisen ebenso in diese Richtung. Kirchliche Feiertage und Feste werden bewusst wahrgenommen und als eine besondere Ansatzmöglichkeit für "Lebensdeutungen" genutzt.

Noch deutlicher wird dies, wenn wir evangelische Schulen als Orte  der Verbindung von Schule und Kirchengemeinde erleben. Vor allem in den östlichen Bundesländern werden hierfür Möglichkeiten aufgezeigt, denn viele Schulgründungen dort in den vergangenen Jahren gehen auf das Engagement von Kirchengemeinden zurück.

2. „Bildung betrifft den einzelnen Menschen ... und seine Erziehung zu sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen“ (89)

Profilfächer "Diakonie" und diakonische Praktika an allgemeinbildenden evangelischen Schulen sind Ausdruck eines Bildungsverständnisses, das über den Einzelnen hinausweist. In der konkreten Begegnung wie in der bewussten Reflexion wird die Hinwendung zum anderen zu einer zentralen Erfahrung. Evangelische Schulen können so für ihre Schülerinnen und Schüler "durch eigenes Engagement erfahrbar (machen), was Menschsein und menschliche Gemeinschaft meinen" (92). Sie erweitern und verändern den Ansatz des sozialen Lernens, indem sie diese Erfahrung aus dem christlichen Verstehenshorizont heraus begründen und deuten lassen.

Evangelische Schulen leisten damit auch einen wesentlichen Beitrag für die Akzeptanz einer Solidargemeinschaft, die auf die Stärkung des Einzelnen ebenso angewiesen ist wie auf dessen Erfahrung im Umgang mit eigenen und fremden Grenzen, mit Alter und mit Behinderung. Damit sollte auch Raum gegeben sein, um das geläufige Verständnis von Stärke als Ausdruck von Überlegenheit, die Gefahr von "Jugendwahn" und Körperkult für das Selbstverständnis von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Blick zu nehmen und unter ganz anderen Sinndeutungsmustern und Perspektiven kritisch zu reflektieren. Jugendliche können dabei entdecken, was die Bibel mit der Sympathie Gottes für die Schwachen meint und inwiefern Glaube vermeintliche Schwächen in Stärken zu verwandeln vermag, wie etwa die Fähigkeit zu trauern oder das Eingeständnis eigener Ohnmacht angesichts unausweichlicher Situationen von Krankheit und Tod.

Die gegenwärtige Diskussion um den sog. Generationenvertrag zeigt, wie wichtig die wechselseitige Verantwortung von Jung und Alt ist, wenn es nicht zu Generationen-Spaltungen kommen soll. Die wechselseitige Verantwortung finden wir auch dort, wo es  um das kirchlich-diakonische Engagement in der Sonderschulpädagogik und im beruflichen Schulwesen geht. Nicht zuletzt im pflegerischen und sozialen Bereich, der immer stärker von ökonomischen Faktoren bestimmt ist, aber auch für das Berufsethos anderer Erwerbszweige wird in der Zukunft eine von einem christlichen Verständnis getragene Ausbildung wertvoll sein, die Grund legt für ein ethisch und sozial verantwortliches berufliches Handeln.

3. Verständigung in der eigenen Gesellschaft und dem Frieden weltweit

Bildung - orientiert am Maß des Menschlichen - versteht ihren Auftrag als Beitrag zur "Verständigung in der eigenen Gesellschaft und dem Frieden weltweit" und setzt dies nicht unter, sondern neben die kognitiven Schulleistungen (91).

Auch in der spezifischen Erfüllung dieser Forderung zeigt sich das Evangelische unserer Schulen. Sie verstehen sich im Dienst einer Erziehung zu Bürgersinn und Verständigungsbereitschaft, wenn sie besonderen Wert auf den achtsamen Umgang miteinander legen oder "globales Lernen" fördern, wenn sie die Entwicklung sozialer Kompetenzen hoch achten und Gewaltprävention betreiben bzw. sich schulartspezifisch auch mit den unterschiedlichen Formen von Gewalt und den Möglichkeiten gewaltloser Konfliktlösung bewusst auseinandersetzen.

Dem Auftrag der Verständigung an unseren Schulen entspricht aber auch jeder Ansatz, der den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und Umwelt zum Kern schulischer Bildung macht und ihn in den Gesamtzusammenhang einer Bildung stellt, die Wertbewusstsein und verantwortungsvolles Handeln zusammengehörig denkt.

4. Fragen der Qualität

Auch evangelische Schulen werden natürlich und insbesondere im schulischen Kernbereich, dem Unterricht, die Fragen der Qualität hoch ansetzen müssen, gerade wenn ihr eigentliches Ziel nicht Wissensvermittlung, sondern bildendes Lernen ist. Auch hier gab es an Evangelischen Schulen schon früh eigene Ansätze, noch bevor PISA unser Schulsystem grundsätzlich in Frage zu stellen schien. Die Möglichkeiten, reformpädagogische Akzente zu setzen und Unterricht zu verändern, konnte zudem gerade bei den Neugründungen in den östlichen Bundesländern genutzt werden. Die Qualitätsfrage wurde und wird von evangelischen Schulen aber auch im Gesamtkomplex der Schulentwicklung besonders aufgegriffen und z.T. vorbildhaft für das öffentliche Schulwesen beantwortet. Sie mussten, da sie immer auch im Wettbewerb standen, sich früher mit Fragen auseinandersetzen, die im staatlichen Bereich oft erst mit der Diskussion um die autonome Schule gestellt wurden.

Das Evangelische unserer Schulen zeigt sich aber auch, wenn im Sinn der Unterstützung der Familien die Zusammenarbeit mit den Eltern gesucht wird und wenn Angebote der Beratung bestehen und Ganztagsbetreuung ermöglicht wird.


III. Der Beitrag der Evangelischen Schulen zur Bildungsdiskussion:

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass evangelische Schulen ihren Beitrag zur Bildungsdiskussion leisten, indem sie konkrete Beispiele für  eine am Leben orientierte Bildung geben.

1. Widerstand gegen den kurzfristigen Trend der Verwertbarkeit

Wenn sie sich so verstehen, leisten sie Widerstand gegen den kurzfristigen Trend der Verwertbarkeit und jede Reduktion von Bildung auf Ausbildung oder Wissensvermittlung.

Sie zeigen auf, dass Bildung ein Prozess ist, bei dem es auf den ganzen Menschen ankommt und auf die Entwicklung seiner personalen Kompetenzen.

Sie stellen die Chance dar, exemplarisch zu zeigen, was es heißt, Glauben und Bildung zusammen zu denken und zu fragen, unter welchem Sinnhorizont gelernt und letztlich auch gelebt wird. Damit bringen sie eine Perspektive in die Bildungsdebatte ein, die es ermöglicht, "Bildung am Maße des Menschlichen" nicht nur theoretisch zu fordern, sondern an Beispielen zu belegen.

2. Experimentierfelder und Nachweismöglichkeiten für ihr eigenes Bildungsverständnis

Für die Kirche sind unsere Schulen somit im positiven Sinne Experimentierfelder und Nachweismöglichkeiten für ihr eigenes Bildungsverständnis, ein Bildungsverständnis, das im Schulbereich der Bewährungsmöglichkeiten bedarf. Die evangelische Kirche darf und soll selbstbewusst Stellung beziehen in dieser Debatte, denn sie kann auf ein weites Erfahrungsfeld verweisen. Sie muss nicht in der Theorie verharren, sondern kann die Praxis aufsuchen, und sie kann die Chance nutzen, sie zu unterstützen und zu stärken.

Mein Vortrag mag den Eindruck erwecken, programmatische Deklaration sei das Ziel unserer Bemühung - während doch die Praxis zeige, dass in real existierenden evangelischen Schulen auch nur mit Wasser gekocht werde.

Ich will nichts verklären, vieles - wenn nicht alles - hängt an den Unterrichtenden, ihren Motivationen und Fähigkeiten, sowie ihrer Bereitschaft, sich auf die angedeuteten Konzepte einzulassen.

Im gerade wieder aufgeheizten Konkurrenzkampf um die besten Lehrer und Lehrerinnen, können private Schulen - vor allem, wenn sie unter finanziellem Druck stehen, sehr wohl in Bedrängnis geraten. Ich habe in meiner Zeit als Präses zu allen Schulen in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche im Rheinland Kontakt gehalten und dabei eine ermutigende Beobachtung gemacht: Alle unsere Schulen sind von hoher Qualität, in allem - so verschieden sie auch ihre Schwerpunkte setzen - wird das evangelische Profil erkennbar und, das war das Erfreulichste - in all unseren Schulen gibt es ein überdurchschnittliches Engagement von Schulleitung und Unterrichtenden. Für diese Erfahrung, die sich sicher auf evangelische Schulen in anderen Landeskirchen übertragen lässt, bin ich herzlich dankbar.

Im Rahmen dieses Kongresses soll der "Arbeitskreis Evangelische Schule" gegründet werden. Es ist seine selbstgewählte Aufgabe, die Stärken der Evangelischen Schulen offensiv nach außen sichtbar zu machen und den von ihnen vertretenen Positionen im bildungspolitischen Diskurs Gehör zu verschaffen.

Es geht um eine Schule, in der ein christlich begründetes Verständnis von Welt und Mensch beheimatet ist; um eine Schule in der Raum ist für die Frage nach unserem Auftrag in dieser Welt, nach unseren Chancen und Grenzen, nach dem, was wir tun können und wem wir uns verdanken.

So können sich evangelische Schulen mit Johann Amos Comenius mit gutem Grund als "Werkstätten der Menschlichkeit" verstehen.