„Weil Gott nach unten sieht ...“
Axel Noack
Weihnachtswort
Die Botschaft des christlichen Weihnachtsfestes lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Gott hat sich aufgemacht, den Menschen nahe zu sein. Dazu ist er selbst Mensch geworden. Wir sollen in der Geburt des Jesus-Kindes Gottes Freundlichkeit erkennen und feiern. Das hat auch schon Maria, die Mutter Jesu, deutlich so gesehen, als sie in ihrem berühmt gewordenen Lobgesang, dem „Magnificat“ gesungen hat:
„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. ... Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.“ (Lukasevangelium 1,46-49)
Gott sieht in der Tat nach unten, auf unsere „Niedrigkeit“. Die Alten wussten das ganz genau. Wo sollte Gott denn hinsehen? Nach oben etwa? Aber da ist ja nichts, denn keiner ist über ihm. Oder zur Seite? Da ist auch nichts, denn keiner ist ihm gleich. Gott sieht immer nach unten. Dorthin, wo wir Menschen sind. Genau das feiern wir zu Weihnachten bis auf den heutigen Tag und hoffen, dass diese Blickrichtung Gottes etwas Mitreißendes hat. Dass sie für uns zur Orientierung wird, dass auch wir möglichst die nicht übersehen, die es heute nötig haben, nicht übersehen zu werden. Davon gibt es viele in der weiten Welt. Und sogar in unserem reichen Land leben viel mehr Menschen, als wir leichthin denken, die darauf warten in ihrer „Niedrigkeit“, in ihrer fatalen sozialen Lage, in ihrer Armut und in ihrem Ausgeschlossensein wahrgenommen zu werden.
Die Menschen scheinen das zu spüren. Nicht zufällig sind an Weihnachten die Leute spendenfreudiger und haben offenere Herzen. Darin, dass wir uns gegenseitig Geschenke machen – hoffentlich ohne Berechnung der möglichen Gegenleistung – findet sich genau davon etwas wieder: Wir sind in das Blickfeld Gottes geraten und durch ihn sehr beschenkt. Aus Dankbarkeit und fast als eine natürliche Folge wollen wir die nicht aus den Blick verlieren, die unsere Freundlichkeit brauchen.
Freilich geht es nicht nur um ein paar milde Gaben in der Weihnachtszeit. Das wäre zu wenig. Als solche, die Gottes Freundlichkeit an ihrem eigenen Leibe erfahren haben, soll unser Leben einen Sinn, eine Richtung und eine Orientierung erhalten, die dem Leben dient.
Dass gerade auch unsere Gesellschaft eine Werteorientierung braucht, die sich an der Nächstenliebe und am Gemeinwohl orientiert, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen.
Es ist für eine Gesellschaft die schlechteste Orientierung nicht, die da besonders auf die Schwachen schaut. Schon seit den biblischen Zeiten wird der Standard einer Gesellschaft und die Qualität des Zusammenlebens daran bemessen, wie es „den Witwen“, „den Waisen“ und „den Fremden“ im Lande geht. Geraten die Schwächsten aus dem Blick, ist das ein Alarmsignal für den sozialen Frieden und letztlich für den „Wohlstand“ eines Staates.
Gott sei Dank werden wir durch Gottes Freundlichkeit zu uns Menschen, die wir an Weihnachten immer wieder neu erfahren dürfen, immer wieder darauf ausgerichtet, nun unsererseits den Menschen um uns her freundlich zu begegnen. Das wäre ein Weihnachten, wenn ganz viele mit Maria singen würden:
„Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf.“ (Lukas 1,50-54)