2. Berliner Medienrede von Ministerpräsident Kurt Beck zum Thema: „Rundfunk im Spannungsfeld zwischen Karlsruhe und Brüssel“ anlässlich der Berliner Mediengespräche

Kurt Beck

Anrede,

1. im vergangenen Jahr haben Sie mit meinem ehemaligen Kollegen Dr. Stoiber die „Reihe der Medienreden“ eröffnet. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, diese Reihe heute zu einem sehr konkreten Thema fortsetzen zu können. Als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder begrüße ich nachdrücklich, dass die Evangelische Kirche sich in vielfältiger Weise der Medien annimmt, sich in den Medien engagiert und damit wichtige Beiträge zur Gestaltung der Gesellschaft sowie zu Erhalt und Fortentwicklung unserer Werteordnung leistet. Mein Thema „Rundfunk im Spannungsfeld zwischen Karlsruhe und Brüssel“ umfasst dabei die ganze Breite von Werteorientierungen, ich füge hinzu, auch Orientierungen, die manche für Werte halten. Dies kommt einerseits in der EU-Beihilfeentscheidung vom April 2007 und andererseits im Karlsruher Urteil vom September diesen Jahres zum Ausdruck.

2. In Brüssel erleben wir seit den Anfängen der EU klassischen Neoliberalismus. Dafür stand damals Kommissar Martin Bangemann und viele seiner Nachfolger. Dies hatte zunächst eine natürliche Erklärung: Kompetenzen der EU leiteten sich ausschließlich aus der früheren Wirtschaftsgemeinschaft ab. Wollte man also europäisch handeln, müsste ein Marktbezug hergestellt werden. An den Folgen leiden wir zum Teil heute noch: Von vielen Menschen wird Europa deshalb als zu technokratisch und vor allem marktorientiert wahrgenommen. Es ist diese „Kälte“, die für mich der tiefere Grund dafür ist, dass sich europäisches Bewusstsein bei den Menschen bisher nur langsam einstellt.

Gerade deshalb ist es ja so wichtig, nach dem langen Streit um den Verfassungsvertrag nunmehr im Vertrag von Lissabon eine Kompromisslösung auf den Weg zur politischen Union zu erreichen. Denn politische Gemeinschaft setzt eine rechtliche Werteordnung voraus, die sich nicht auf Marktinstrumente reduzieren lässt. Und lassen Sie mich hinzufügen: Nur wer die Menschen mitnimmt, wer auch soziale Verantwortung als Teil unserer Werteordnung begreift, nur der kann dauerhaft Rahmenbedingen für erfolgreiche Märkte schaffen. Genau dies ist noch nicht in den Köpfen aller auf EU-Ebene Verantwortlicher angekommen. Aber ich sage Ihnen: Wir arbeiten daran.

Dabei ist die Kommission nicht frei von Widersprüchen:

So wird etwa nach Verabschiedung der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt nach außen festgestellt, dass auf internationaler Ebene audiovisuelle Güter neben ihren wirtschaftlichen auch einen hohen kulturellen Wert haben. Nach innen, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, scheint die EU-Kommission dies jedoch in ihre Entscheidungen so nicht einfließen zu lassen.

Deshalb fordere ich, dass diese Prinzipien der UNESCO-Konvention auch innergemeinschaftlich künftig Beachtung finden. Dies ist notwendig im Interesse und zum Schutz unserer kulturellen Errungenschaften, zu denen ich auch ausdrücklich unser heutiges Rundfunksystem zähle.

Am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird dieses Spannungsfeld zwischen Brüssel und Karlsruhe besonders augenfällig:

Alles, was mit öffentlichen Geldern finanziert wird und sich auf Märkte auswirken kann, wird aus Sicht der Kommission im Zweifel als zu beseitigendes Markthindernis gesehen, muss also erst einmal sein Recht auf Tätigwerden nachweisen. Brüssel sieht sich also einmal mehr als Hüter eines freien Marktes auf welchem vorrangig private Anbieter vor solchen, die aus öffentlichen Geldern finanziert werden, geschützt werden müssen.

Karlsruhe steht mit seiner Rechtsprechung dazu diametral entgegen. Für das Bundesverfassungsgericht steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner über die Gremien abgesicherten gesellschaftlichen Einbindung für die Gewährleistung unseres demokratischen Staatswesens. Nur zögerlich hat man Öffnungen zugunsten der Privaten zugestimmt. Und für etliche überraschend: Karlsruhe hat erneut bestätigt, dass erst ein funktionsfähiger, inhaltlich breit aufgestellter öffentlich-rechtlicher Rundfunk die Voraussetzung für zulässigen privaten Rundfunk in der heutigen Form ist.

Für die Politik, wie für die Mediengesetzgebung stellen diese Gegenpole aus Brüssel und Karlsruhe eine große Herausforderung dar. Sie bedeuten einen medienpolitischen Spagat: Zwischen der verfassungsrechtlich geforderten Bestands- und Entwicklungsgarantie einerseits und eine, vorhandene Märkte einbeziehende Weiterentwicklung und notwendige Begrenzung der Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks andererseits. Insofern sind wir schon in einer wenig beneidenswerten „Sandwichsituation“.

3. Politik ist die Kunst des Möglichen, wird gerne zitiert. Und deshalb gilt es für mich Entwicklungen nicht lediglich festzustellen oder gar zu beklagen. Ich will zu Lösungen gelangen, die für die Zukunft tragen. Und ich meine, völlig im Einklang mit den Karlsruher Richtern: Die zwischen Deutschland und der EU-Kommission am 24. April 2007 dokumentierte Vereinbarung schafft die Grundlage für eine solche Lösung. Dies erfüllt mich ein gutes Stück mit Befriedigung. Denn wir haben lange für Grundsätze wie Staatsfreiheit, Unabhängigkeit und Binnenkontrolle gekämpft, uns dagegen gewandt zu staatlichen Fach- und Genehmigungsbehörden zu mutieren. Wir haben Brüssel von unserer Position überzeugen können. Das ist ein Erfolg.

Unser Aufgabenkatalog, den wir im 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nun abarbeiten müssen, lässt sich auf folgende Bereiche zusammenfassen:

- Wir müssen den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt fortentwickeln und präzisieren,

- wir müssen Transparenz schaffen zwischen gebührenfinanzierten, also auftragsbezogenen und kommerziellen Tätigkeiten und

- wir müssen unsere Kontrollmechanismen, die da sind: Gremien, KEF und Rechnungshöfe verbessern, damit Recht und Gesetz eingehalten werden.

Meine Damen und Herren, wenn hiergegen aus den Anstalten zum Teil Bedenken erhoben werden, ich kann diese nicht verstehen. Ich sage jenen ganz klar: Alle diese drei Punkte hätten auch ohne das Brüsseler Verfahren durch die Ländergemeinschaft umgesetzt werden müssen. Und die Länder haben ja bereits in den vergangenen Rundfunkänderungsstaatsverträgen diesen Weg mit Auftragsbeschreibungen, verbesserten Kontrollregelungen und dem Institut der Selbstverpflichtungen der Anstalten begonnen.

Deshalb möchte ich Sie, die Kirchen, und damit alle Gremienvertreter insgesamt dazu aufrufen, die Erfüllung dieser notwendigen Ziele zu unterstützen  und sich insbesondere in der Gremienarbeit engagiert einzubringen. Je mehr Eigenverantwortung auf Seiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deutlich wird, desto zurückhaltender kann der Staat im Rahmen seiner Gesetzgebung agieren. Andererseits sind staatliche Korrekturen notwendig, wenn entsprechende Defizite seitens der Sender erkennbar werden. Insofern nimmt Brüssel die Mitgliedsstaaten für die Erfüllung dieser Pflichten nicht zu Unrecht in Haft.

4. Wer die Frage nach dem Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt stellt, sieht sich großen Herausforderungen ausgesetzt. Insbesondere wie es gelingen kann, unsere zunehmend „Computer gebundene Jugend“ zu gewinnen und damit die Verwurzelung öffentlich-rechtlichen Rundfunks in künftigen Generationen zu sichern. Diese Anstrengungen kennen gerade die Kirchen besonders gut, gilt es doch auch für sie die Menschen in Zukunft an sich zu binden, um damit ihren Auftrag weiterhin erfüllen zu können.

Für den Rundfunk gilt in Übereinstimmung mit Brüssel und Karlsruhe: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf mit seinen Programmen und Angeboten auch das Internet nutzen.

Denn wer heute nicht im Internet zu finden ist, den finden junge Menschen gar nicht mehr. Und wen man nicht findet und wer nicht präsent ist, der kann auch nicht die demokratischen, kulturellen und sozialen Werte unseres Landes vermitteln. Dies hat nach langen Verhandlungen mit der Kommission letztendlich auch Frau Kommissarin Kroes eingesehen.

Die Frage ist daher nicht, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zuge der Digitalisierung auch die neuen Übertragungswege nutzen darf. Die Frage geht dahin, welche Programme und Angebote seinem Funktionsauftrag entsprechen.

Ich möchte ich an dieser Stelle nur einige Eckpunkte nennen, die zur Ausgestaltung des Funktionsauftrages wichtig sind, und die wohl auch notwendig sind, um Brüssel von unseren Vorschlägen zu überzeugen.

Erstens

Das Programm- und Angebotsprofil öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss sich weiterhin und eher noch verstärkt von den Privaten abheben. Dies ist die Legitimation für die Gebührenpflicht und für die besondere Rolle von ARD, ZDF und DLR in unserer dualen Rundfunkordnung. Öffentlich-rechtliches Programm- und Angebotsprofil heißt Kreativität und Orginalität bei den Inhalten und hohe Qualität bei der Umsetzung. Dieser Maßstab sollte durchgängig gelten und darf sich nicht nur auf einzelne Sendungen als „Aushängeschilder“ beschränken. Insbesondere darf öffentlich-rechtliches Programmprofil sich nicht im Wesentlichen auf die Spartenprogramme beschränken, sondern muss die Hauptprogramme maßgeblich darin einbeziehen.

Zweitens

Wahrnehmung des Funktionsauftrags und sicherlich auch Teil von Qualität ist vorhandene journalistische Kompetenz. Gründliche Recherche, - ja man traut es sich heute fast schon nicht mehr zu sagen - fachliche Befähigung sind unverzichtbare Grundlage hierfür. Dabei nenne ich die journalistische Kompetenz vor allem im Bereich der politischen Magazine und Nachrichten, sehr wohl aber auch in allen anderen Bereichen. Ich bin aufgeschlossen für Globalisierung und Internationalisierung. Ich halte es aber für ein großes Unglück, dass diese Entwicklung immer häufiger dazu führt, auf qualifiziertes Personal und angemessen bezahltes Personal aus Kostengründen zu verzichten. Das Thema „Mindestlohn“ steht heute nicht an. Aber es passt in diesen Zusammenhang, dass gerade in der Medienbranche zunehmend auf billig bezahlte Kräfte zurückgegriffen wird - und Qualität dabei auf der Strecke bleibt. Deshalb sage ich ausdrücklich: Qualifizierte und angemessen bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nichts für das man sich schämen oder rechtfertigen muss. Sie gewährleisten gerade ein Stück des Funktionsauftrages, der uns von der Verfassung vorgegeben wird und den die Gesellschaft erwartet. Und hierfür steht öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Drittens

Funktionsauftrag heißt aber auch, dass es Programme und Angebote gibt, die von ihm nicht erfasst sind. Hier nur einige Beispiele:

- Ich meine nicht, dass alle Programme und Angebote dauerhaft zum Abruf bereitzustellen sind. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist eben nicht Videothek, Archiv oder Buchladen. Er ist auch nicht Marktteilnehmer im Vertrieb von DVD’s und CD’s. Es ist ein Irrtum zu glauben, alles sei über die Rundfunkgebühr abgedeckt. Denn jenseits von Eigenproduktionen werden Verbreitungsrechte immer nur begrenzt erworben.

- So sehr es für ARD und ZDF zulässig ist, mit ihren Programmen und Angeboten auch das Internet zu nutzen, so wenig heißt dies, aus dem vorhandenen Programm- und Angebotspool über die gesetzlich definierten Programme hinaus immer neue zu schaffen. Die Länder haben in ihren Staatsverträgen aus guten Gründen diese Begrenzungen vorgesehen. Sie dienen vorrangig der Finanzierbarkeit des öffentlich-rechtlichen Systems und zeigen für Marktteilnehmer die Grenzen des Auftrags auf. Digitalisierung darf daher nicht mit Grenzenlosigkeit verwechselt werden. Andernfalls hätten wir  mit Brüssel ein Problem und Karlsruhe würde uns zu Recht vorwerfen, wir hätten den Funktionsauftrag nicht hinreichend verdeutlicht. Denn dessen Definition ist ausdrückliche Aufgabe der Länder.

- Schon die EU-Kommission hat eine „Negativliste“ gefordert, d.h. eine Auflistung, was gerade nicht öffentlich-rechtlich im Internet angeboten werden soll. Hier möchte ich besonders das traditionelle Anzeigengeschäft der Zeitungsverleger nennen, ebenso darf es , keine Verlinkungen zu kommerziellen Angeboten geben. Diese Liste kann und muss vervollständigt werden.

Viertens

Entscheidend ist für mich eines:

Der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen, muss nach Innen wie nach Außen glaubwürdig umgesetzt werden. Das heißt: ARD und ZDF müssen sich noch stärker dem Dialog mit ihren Zuschauerinnen und Zuschauern stellen, auch mit ihren Wettbewerbern. Erst auf der Grundlage eines solchen Dialogs kann es gelingen, eine dauerhafte Akzeptanz öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung zu erreichen. Denn eines war im Karlsruher Verfahren den Verfassungsrichtern klar:

Ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist weder die Rundfunkgebühr noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst überlebensfähig. Und für diese Glaubwürdigkeit und Akzeptanz stehen eben auch Transparenz im Geschäftsgebaren von ARD, ZDF und DLR und eine klare Kontrolle durch KEF, Rechnungshöfe und Rechtsaufsicht.

5. Die große Stärke öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist seine gesellschaftliche Einbindung, die in den binnenpluralen Gremien zum Ausdruck kommt. An dieser Stelle sind gerade die Kirchen als wichtige Vertreter und Wertevermittler in diesen Gremien aufgerufen.

Ich sage in aller Deutlichkeit: Wenn es uns nicht gelingt die Effektivität unserer Binnenkontrolle durch unabhängige Gremien in Brüssel überzeugend nachzuweisen, wird ein wesentlicher Eckpfeiler unserer Vereinbarung einstürzen. Denn Brüssel hat hier Zweifel angemeldet und deshalb staatliche Kontrolle gefordert. Wir haben dagegen gehalten und auf die Gremienkontrolle gesetzt.

Wichtigste Aufgabe für die Gremien ist in diesem Zusammenhang:

Für neue oder veränderte Angebote sind folgende drei Gesichtspunkte zu prüfen

- ob sie den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen,

- ob sie in qualitativer Hinsicht unter Einbeziehung marktlicher Auswirkungen zum publizistischen Wettbewerb beitragen und

- welche finanzieller Aufwand für die Angebote erforderlich sind.

Diese Entscheidung darf sich nicht lediglich in einem Bekunden des Ergebnisses niederschlagen, sondern muss ganz klar eine Abwägung der für und gegen das Angebot sprechenden Argumente widerspiegeln. Dies bedeutet für mich tatsächliche Binnenkontrolle, nur dies macht es der Rechtsaufsicht möglich hierauf aufzusetzen und Entscheidungen tatsächlich nachprüfbar zu machen.

Gremien sind eben keine Verbündete der Geschäftsleitungen, sondern unabhängige Partner, kritische Begleiter und letztlich Kontrolleure.

Diese Gremienprüfung wird derzeit intensiv als Public-Value-Test diskutiert. Der Begriff geht auf die Praxis der englischen BBC zurück.

In der Öffentlichkeit, innerhalb der Anstalten und in den Gremien selbst, ist dieser Test ein wichtiges Thema. Das ist gut so. Nicht so gut finde ich anstaltsinterne Diskussionen, solche Tests auf möglichst wenige Einzelfälle zu reduzieren.

Mit Verlaub meine Damen und Herren, die Prüfung dieser drei Voraussetzungen, Funktionsauftrag, publizistisches und marktliches Umfeld sowie Kosten müssten doch eigentlich bei jedem einzelnen Beitrag erfolgen. Hier geht es also nicht um etwas völlig Neues, sondern um eine Selbstverständlichkeit. Nur soll das Verfahren bei neuen oder wesentlich veränderten Angeboten stärker formalisiert werden. Und dies gerade deshalb, um auf Beschwerden Dritter seitens der Rechtsaufsicht besser reagieren zu können.

Damit ist dieser Public-Value-Test und die entsprechende Prüfung nichts anderes als die Grundfunktion öffentlich-rechtlicher Gremien:

Eine effektive Kontrolle geplanter Vorhaben. Und damit diese Kontrolle umfassend und alle Gesichtspunkte einbeziehend sein kann, ist die Einholung von Stellungnahmen privater Konkurrenten durchaus notwendig.

6. Mir ist an dieser Stelle sehr wohl bewusst:

Etliche Gremienvertreter haben ihre Aufgabe immer schon so gesehen. Andere müssen sich in diese Rolle erst hineinfinden. Ich werte es in jedem Falle positiv, dass die Gremien vielfältig zum Ausdruck gebracht haben, sich hier aktiv einbringen zu wollen.

Zusätzliche Verantwortung bedingt aber auch höhere Anforderungen. Ich habe schon in der Vergangenheit gefordert: Die Gremien müssen in ihrer Aufgabe mehr Unterstützung erfahren. Mit der notwendigen Umsetzung der EU-Vereinbarung wird diese Forderung noch dringlicher:

Eine Stärkung der Gremien durch die Einbeziehung externen Sachverstandes wäre aus meiner Sicht zunächst ein Instrument für eine notwendige Qualitätskontrolle. Denn erst Qualität schafft Glaubwürdigkeit.

Das Gebot der Stunde ist daher die Einrichtung eines durchgängigen Qualitätsmanagements im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieses Qualitätsmanagement muss sich wie ein roter Faden von der Programmherstellung (in den Redaktionen) über ein Controlling über die Geschäftsleitungen bis hin in die Gremien fortsetzen.

Die Einbeziehung externen Sachverstandes dient im Übrigen dazu Qualitätsmaßstäbe auch im europäischen Vergleich zu entwickeln.

Gesellschaftliche Gruppen in den Gremien sind gefordert anhand dieser Maßstäbe Eckwerte zu Qualitätsmerkmalen in Selbstverpflichtungen niederzulegen, die dann durch die Programmverantwortlichen umgesetzt werden.

Sie, meine Damen und Herren Gremienvertreter, sind schließlich auch im Nachhinein bei der Kontrolle gefordert. Sie müssen prüfen, ob Redaktion und Geschäftsleitung die Selbstverpflichtung auch in Ihrem Sinne interpretiert und praktisch umgesetzt haben.

Die EU-Kommission hat bei der Prüfung neuer oder maßgeblich veränderter Angebote die Einbeziehung von Stellungnahmen Dritter, d.h. privater Konkurrenten als besonders notwendig erachtet. Das Ziel hierfür ist offenkundig: Bevor die Privaten nach Brüssel laufen und erneut Beschwerdeverfahren einleiten, soll bereits auf nationaler Ebene der Sach- und Streitstand behandelt werden.

Ich meine, dieser Herausforderung müssen sich ARD und ZDF genauso stellen, wie dies die BBC getan hat. Gerade in der Auseinandersetzung mit den marktlichen Auswirkungen neuer Angebote und den wettbewerbsbezogenen Stellungnahmen der Privaten, bedarf es einer kompetenten und unabhängigen Unterstützung der Gremien. Die BBC hat hierzu sogar einen eigenständigen Trust mit beachtlichem Personalkörper gegründet. Ich kann nur empfehlen, auch bei uns über eine solche Einrichtung nachzudenken, um Angriffen von Wettbewerbern besser begegnen zu können. Und noch eines: Die Privaten haben in diesen Verfahren kein Vetorecht gegen Projekte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch die Klage des unerbittlichen Klägers führt vor Gericht bei Unbegründetheit zur kostenpflichtigen Abweisung. Also besteht kein Grund hier zurückzuschrecken.

7. Lassen Sie mich zusammenfassen:

Die Entscheidung der EU-Kommission aus dem Beihilfeverfahren gegen ARD und ZDF und die jüngste Karlsruher Entscheidung liegen von ihrem Ausgangspunkt her weit auseinander. Ich meine, sie bieten aber mit ihren Feststellungen und Vorgaben die große Chance unsere nationale Medienordnung zukunftsfähig fortzuentwickeln. Und zwar im Einklang mit Gemeinschaftsrecht und deutschem Grundgesetz. Im Sommer des nächsten Jahres müssen wir mit dem staatsvertraglichen Entwurf nach Brüssel. Ich rufe die Anstalten und vor allem die gesellschaftlichen Kräfte in den jeweiligen Gremien und damit auch insbesondere Sie dazu auf, uns auf diesem Weg zu unterstützen.

Der Text ist ein Redemanuskript - Es gilt das gesprochene Wort !!