Pressestatement zur Eröffnung des Studienzentrums der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie in Hannover

Prof. Dr. Claudia Janssen, Studienleiterin

Ich wünsche mir für das Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie, dass es ein Ort des Dialogs wird. Der Begriff Gender öffnet sich für den ganzen Reichtum an Forschungsdiskursen, an die wir anknüpfen können: Feministische Theologien, Rassismus-Diskurse, insbesondere den christlich-jüdischen Dialog, queer-Theologien, ökumenische, interreligiöse und postkoloniale Diskurse… Ich persönlich nähere mich den Fragen des Geschlechterverhältnisses aus feministischer Perspektive an und will aus den Dialogen lernen: nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen allen Geschlechtern, zwischen Menschen, die hetero-, bisexuell, lesbisch, schwul, transgender, intersexuell, queer sind.

Gender ist ein offener Begriff, der mit Leben gefüllt werden muss. Eine geschlechterbewusste Theologie, die wir im Studienzentrum weiterentwickeln wollen, steht für eine Kultur der Wertschätzung in unserer Kirche: eine Kultur, die Unterschiede hoch achtet und gleichzeitig auch darauf schaut, was uns verbindet. Der Erfolg der Arbeit der letzten Jahre zeigt, dass die Idee des Studienzentrums von vielen unterschiedlichen Menschen, Haupt- und Ehrenamtlichen getragen wird, die in der Entwicklung einer geschlechterbewussten Theologie eine innovative Kraft für unser Kirche sehen.

Die Bibel ist in diesem Prozess der Veränderung eine Kraftquelle – spirituell und politisch. Eine geschlechterbewusste Hermeneutik für die Auslegung der Bibel zu entwickeln, bedeutet festgefügte Geschlechterklischees zu überwinden und die Aktualität ihrer befreienden Aussagen neu zu entdecken. Geschlechterbewusste Bibelauslegung ist immer kontextuell. Sie speist sich aus vielfältigen Dialogen: zwischen allen Geschlechtern, den Generationen, Dialogen zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen Gesellschaft, Politik und Theologie und Dialogen zwischen den Religionen; sie lebt vom Austausch weltweit.

Wichtige Projekte der Arbeit sind:

  • Bibel-Dialoge kontextuell: Ziel des Projekts ist es, Genderaspekte in die im Rahmen der Reformationsdekade geführten Diskussionen über die aktuelle Relevanz der Bibel einzubringen. Mit Bibelauslegungen, Stellungnahmen, Vorlagen für Gemeinde, Schule und Predigt … soll sich das Studienzentrum auch als Expertise- und Servicestelle für Fragen im Themengebiet Bibel und Gender profilieren.
  • Glaubensdiskurse. Glauben lehren und lernen: Dieses Projekt basiert auf der Arbeit mit dem „Fernstudium Theologie kontextuell – geschlechterbewusst – befreiungstheologisch“, das wir in Kooperation mit dem Verband  Evangelischer Frauen in Deutschland (EFiD) und der Fernstudienstelle der EKD/Comenius-Institut entwickeln. Es hat zum Ziel, Genderaspekte in die aktuelle Diskussion um Traditionsweitergabe im Rahmen der EKD einzubringen und in verschiedenen kirchlichen Bildungszusammenhängen Module zur Genderkompetenz zu etablieren.
  • Initiative Frauenmahl. Tischreden zur Zukunft von Kirche und Religion (www.frauenmahl.de) Die Initiative Frauenmahl wurde von uns als ein Beitrag zur Reformationsdekade der EKD entwickelt. Menschen aus christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, aus Bildung und Kunst, aus Politik und Medien treffen sich zu einem Gastmahl. Das Format lehnt sich an die Praxis im Hause Martin Luthers an, dessen Tischreden Theologie und Alltag überzeugend zusammenbrachten und die Reformation im Dialog weiterentwickelten.