Predigt im Kapitelsaal des Rigaer Doms

Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der EKD

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland und im Namen der Bremischen Evangelischen Kirche grüße ich Sie alle herzlich und bedanke mich für die Einladung, hier in Ihrer Kirche mit Ihnen Gottesdienst feiern zu dürfen.

Über alle Entfernungen und Unterschiede hinweg verbindet uns der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft im Heiligen Geist. Diese Verbundenheit im Jahr des Reformationsjubiläums zu feiern und zu bedenken, tut gut.

Die Erzählung aus dem Lukasevangelium, die wir eben gehört haben, ist kein leichter Text. Von Dämonen, dem Beelzebul, von Uneinigkeit und Verwüstung ist die Rede. Dabei geht es nicht um menschenähnliche Wesen mit Hörnern auf dem Kopf, wie es manchmal dargestellt wird. Es geht um zerstörerische Kräfte, um unheilvolle Entwicklungen, die den Frieden gefährden – und manchmal eben auch um Menschen, die wie von einem bösen Geist besessen und verblendet sind und Leben auf grausame Weise zerstören.

Martin Luther hat ein seinem vielleicht berühmtesten Lied gedichtet: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen. Der Fürst dieser Welt, wie sauer er sich stellt, tut er uns doch nicht; das macht, er ist gericht: ein Wörtlein kann ihn fällen.“

Mit dieser Gewissheit des Glaubens lese ich auch diesen Text aus dem Lukasevangelium. Weil ich weiß, dass Gott sein Wort der Gnade gesprochen hat und dieses Wort das Böse und die Angst vertreiben kann, kann ich allem gegenübertreten, was mich bedroht.

Wir kennen es ja: die Gedanken, die uns umtreiben, die Sorgen, die uns unruhig schlafen lassen, so dass wir uns nachts im Bett hin-und herwerfen. Wir kennen die Ängste vor der Zukunft: was kommt auf uns zu – persönlich oder politisch? Werden es Kräfte des Friedens sein oder Kräfte, die uns Bedrohung oder gar Krieg bringen?

Was hilft gegen die Angst – was hilft gegen zerstörerische Kräfte?

Lukas erzählt, dass Jesus einen stummen Dämon austreibt und der anfängt zu reden. Vielleicht ist das Schweigen einer der größten zerstörerischen Kräfte. Nichts ist schlimmer, als wenn Ehepartner nicht mehr miteinander reden, wenn in Familien Schweigen herrscht, wenn Nachbarn sich nur streiten und nicht miteinander sprechen können, weil die Atmosphäre vergiftet ist.

Und nichts ist schlimmer, als wenn Völker und Nationen, die politisch Verantwortlichen das Miteinander vergiften, nur auf die eigene Macht sehen und nicht mehr miteinander sprechen. Und wir erleben dies leider gerade in Europa.

Den Teufelskreis des Schweigens durchbrechen und miteinander reden – so schwer es vielleicht fällt – ist der heilsame Weg zum Frieden. Dabei muss auch benannt werden, was mit der Botschaft Jesu nicht zu vereinbaren ist, wenn Menschen ausgegrenzt und verfolgt werden, Ihnen Hass und Feindschaft entgegenschlägt. Dann weiter im Gespräch zu sein im Geist Jesu und in der Kraft der Liebe, ist unser Auftrag als Kirche.

Wir leben in einer Welt großer Vielfalt. Verschiedene Meinungen und Lebensweisen begegnen uns. Durch die Medien sind wir mit der ganzen Welt verbunden und müssen uns darin zurechtfinden. Manchen Menschen macht diese unübersichtliche Welt Angst. Und manche Menschen oder Gruppen schüren die Ängste vor Fremden oder Neuem.  Das ist in der Tat „dämonisch“. So wird es „am Ende immer ärger“ (Lukas 11,26).

Ich bin fest überzeugt, dass wir als Christen keine Angst haben müssen vor Veränderungen und der Vielfalt. Tief verwurzelt im Glauben an Jesus Christus sind wir getragen von der Liebe Gottes, die sich allen Menschen ohne Vorbehalt zuwendet. Das lernen wir immer wieder von dem Mann aus Nazareth.

Jesus treibt die zerstörerischen Kräfte aus und in seiner Nachfolge ist das auch unser Auftrag: durch das Hören auf Gottes Wort, durch Gebet und durch das Gespräch miteinander, das uns und den Frieden stärkt.

Am Ende der Erzählung im Lukasevangelium stehen zwei Seligpreisungen. Eine Frau aus dem Volk spricht den Leib selig, aus dem Jesus geboren wurde und die Brüste, an denen er getrunken hat. Und Jesus spricht die selig, die Gottes Wort hören und bewahren.

Nicht die Gelehrten, nicht die Schriftgelehrten oder Priester, nicht Pastoren oder Bischöfe sprechen die Mutter Jesu und Jesus selbst damit selig, sondern eine Frau aus dem Volk. Und Jesus erkennt in ihr einen Menschen, der Gott Wort hört und bewahrt.

Tun wir es der Frau gleich, glauben und verkündigen wir Jesus Christus, der uns Frieden schenkt, einen Frieden, der höher ist als alle unsere Vernunft, und der unsere Herzen und Sinne bewahrt. Amen.