Predigten und Grußwort zum 20-jährigen Jubiläum der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Evangelisch-methodistischen Kirche und den Kirchen der EKD
Ulrich Fischer / Rosemarie Wenner / Johannes Friedrich
Predigt beim Gottesdienst zum 20-jährigen Jubiläum der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Evangelisch-methodistischen Kirche und den Kirchen der EKD in Stuttgart über Epheser 4,2-7.11-16 durch den Landesbischof Dr. Ulrich Fischer (Karlsruhe), Vorsitzender der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK)
Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder,
das zwanzigjährige Jubiläum unserer Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ist Anlass, für einen Moment innezuhalten. Wir bedenken das Woher des zurückgelegten Weges und nehmen das Wohin des gemeinsamen Weges in den Blick. Bei diesem doppelten Blick auf das Woher und auf das Wohin kann uns der eben gehörte Text aus dem 4. Kapitel des Epheserbriefes hilfreich sein. Wie kein anderer Text des Neuen Testamentes benennt er die Vorgaben, die Grundlage allen Mühens um kirchliche Gemeinschaft bildet; und zugleich benennt er die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, wenn wir uns um Gemeinschaft im Zeugnis des Evangeliums bemühen.
Die Worte aus dem Epheserbrief beginnen mit einer Mahnung, die wir als Mahnung an uns zu lesen haben: „Lebt würdig der Berufung, mit der ihr berufen seid.“ Damit sind nicht etwa nur die Amtsträgerinnen und Amtsträger der Kirche angesprochen. Gemeint sind alle Getauften. Wir alle sind angesprochen, denn unser aller Grundberufung, unser aller Grundordination ist die Taufe. Wir alle, die wir getauft sind, sind zu Priesterinnen und Priestern berufen. Diese gemeinsame Berufung ist die erste Vorgabe.
Von dieser Berufung heißt es, dass sie begründete ist in einer siebenfachen Einheit. Wir Evangelischen – zumindest in unseren Landeskirchen, für unsere methodistischen Schwestern und Brüder kann ich nicht reden – wir haben so unsere Mühe mit der Einheit der Kirche. Wir lieben es, in der Kirche eigene Interessen durchzusetzen. Wir schätzen es, unsere Eigenheiten zu pflegen. Wir sind stolz darauf, dass man in unserer Kirche die Vielfalt ausleben kann. Wir haben im Protestantismus wahrlich keinen Mangel an Individualität – das macht ja auch den Charme des bisweilen munter sprießenden protestantischen Chaos aus. Nun aber wird uns als Grundlage unserer Berufung die Einigkeit im Geist in Erinnerung gerufen, nein: sie wird uns geradezu eingebläut. Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller. Siebenmal dieser Ausruf der Einheit. Wie ein gewaltiger liturgischer Sprechchor. Siebenmal diese Erinnerung an das, was uns vorgegeben ist. Bevor wir als in der Taufe Berufene überhaupt etwas tun, ist diese siebenfache Einheit schon vorhanden. In ihr stehen wir, in ihr bewegen wir uns. Diese Einheit hat uns Gott geschenkt, von dieser Einheit werden wir getragen. Diese Einheit ist nicht das Ergebnis unseres Wirkens. Nein: Diese siebenfache Einheit ist Grundlage unserer Berufung. Diese siebenfache Einheit ist die Vorgabe allen ökumenischen Bemühens.
Wenn wir heute beim 20jährigen Jubiläum unserer Kirchengemeinschaft auf unseren Weg zurückschauen, dann kommt uns – über den Text aus dem Epheserbrief hinausgehend - noch eine weitere Vorgabe in den Blick, auf die wir aufbauen können: Uns ist vorgegeben ein über mühsame Gespräche errungenes gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre als dem Kern und Stern des Evangeliums. Unsere Kirchen haben Einigkeit erreicht im Verständnis der Rechtfertigungslehre, und damit ist eine weitere wichtige Vorgabe gegeben: Wir haben zu einem gemeinsamen Verständnis des Evangeliums gefunden. Und diese Vorgabe verbindet uns und weist uns für die Zukunft den Weg.
Aber wie nun sollen wir diesen Weg gehen? Dafür gibt der Text aus dem Epheserbrief einen dreifachen Impuls: Aus der Wirklichkeit der Einheit sollen wir dreifachen Mut schöpfen: De-mut, Sanft-mut und Lang-mut. Getragen ist dieser dreifache Mut von der Liebe. „Ertragt einander in Liebe“ mit dreifachem Mut! Wenn ihr dies tut, dann lebt ihr würdig eurer Berufung. Ja, christlicher Mut hat sich zu orientieren an jenem Mut, den Jesus Christus bewiesen hat: Langmütig ist er den Menschen begegnet. Sanftmütig hat er den Anfeindungen seiner Gegner widerstanden. Demütig ist er den Weg zum Kreuz gegangen. Und dies alles aus Liebe zu den Menschen und aus Liebe zu Gott. Und in seiner Auferstehung wurde deutlich, welch eine Kraft dieser dreifache Mut freisetzt. Demut, Sanftmut und Langmut sind nicht zu verwechseln mit Schwäche und Immer-Nachgeben. Dieser dreifache Mut hat die Kraft, Menschen zu verändern, hat die Kraft, Leben zu gestalten und neues Leben hervorzubringen. Mit diesem dreifachen, von der Liebe getragenen Mut leben wir unserer Berufung würdig, gehen wir gemeinsam unseren Weg in die Zukunft.
Dabei dürfen wir nie das Ziel dieses Weges aus dem Auge verlieren. Es geht doch bei der Erklärung von Kirchengemeinschaft nicht um ein Konfliktreduzierungsprogramm. Nein: Es geht genau um das, was der Epheserbrief so in Worte fasst: Indem wir die Vorgaben der Einheit ernst nehmen und demütig, sanftmütig und langmütig Gemeinschaft der Kirche entwickeln, soll „der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, sollen wir wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist: Christus.“ Um Erbauung des Leibes Christ geht es, um nicht weniger. Der Leib Christi ist nicht wirklich lebendig, wenn wir uns nicht bemühen um das Zusammenwirken aller seiner Glieder. Das gilt für das Miteinander in einer Gemeinde oder einer Kirche ebenso wie für das Miteinander verschiedener Kirchen. Jeder Alleinvertretungsanspruch einer Kirche stellt eine Amputation am Leibe Christi dar. Reduziert die Möglichkeit, den Sohn Gottes im vollen Sinn zu erkennen. Eine Kirchenspaltung mag Erkenntnisgewinne im Glauben mit sich bringen. Das haben die Kirchen der Reformation ebenso erlebt wie die methodistische Kirche. Jede Kirchenspaltung stellt aber zugleich eine Erschwernis hinsichtlich der Erkennbarkeit Christi dar. Die Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, ist eben nicht nur in einer Kirche vorhanden. Nein, die Wahrheit ist symphonisch. Erwächst aus dem Chor der vielen Stimmen, die sich miteinander um Wahrheit im Glauben mühen und miteinander diese Wahrheit bezeugen. Darum darf ökumenisches Bemühen nie zu einem Luxus werden, auf den wir auch gern verzichten können. Wir brauchen einander im gemeinsamen Ringen um die Wahrheit des Glaubens, damit wir miteinander wachsen zu dem hin, der unser aller Haupt ist: Christus. Das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam angehen müssen – mit dreifachem Mut: demütig, sanftmütig und langmütig. Amen.
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Grußwort des Leitenden Bischofs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München) im Gottesdienst zum 20. Jahrestag der Erklärung der Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-methodistischen Kirche in Stuttgart
Der Anlass für diesen gemeinsamen Gottesdienst in unserer Evangelisch-methodistischen Schwesterkirche ist ein gemeinsamer Gottesdienst heute vor 20 Jahren in unserer Nürnberger St. Lorenzkirche, in der ich dann später als Landesbischof eingeführt wurde. Damals haben unsere Kirchen „vor Gott und seiner [versammelten] Gemeinde“ (so heißt es in unserer Agende) einander die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärt, also die uneingeschränkte, im Zentrum des Glaubens verankerte Kirchengemeinschaft. Für uns Luthera-ner ist das aufgrund des Verständnisses von der Kirche geschehen, wie wir ihn in der grundlegenden lutherischen Bekenntnisschrift, der Confessio Au-gustana, Artikel VII vorgegeben haben. Allein die Tatsache jener Erklärung wäre schon ein Grund, heute zu feiern und dankbar zu sein. Inzwischen sind aber unsere Kirchen in dieser Gemeinschaft gewachsen und haben weitere ökumenische Schritte unternommen. Das ist umso mehr Grund, heute miteinander in Ihrer Gemeinde Gott zu loben und seinem Namen die Ehre zu geben.
Die Kirchengemeinschaft zwischen unseren Kirchen gehört zu dem ökumenischen Aufbruch, den wir im 20. Jahrhundert erlebt und zum Teil selbst mitgestaltet haben. Die Grundlage dieses Aufbruchs war die Einsicht, dass Gott die Gemeinschaft der Kirchen will und dass er die Kirchen segnet, die sich diesem Willen verpflichtet wissen und darum aufeinander zugehen. Im Dialog sowohl auf Weltebene zwischen dem Lutherischen Weltbund und dem Weltrat Methodistischer Kirchen als auch in Deutschland zwischen der EmK und der VELKD wurde sehr bald deutlich, dass für die 140 Jahre währende Trennung zwischen unseren Kirchen keine dogmatischen Differenzen oder gar Gegen-sätze maßgeblich waren. Die Unterschiede bestanden vielmehr in den Fragen der Spiritualität und der Ordnung des kirchlichen Lebens. Gleichwohl dauerte es vom Anfang des Dialog 1977 bis zum Gottesdienst in St. Lorenz zehn Jahre, und im Bereich der ehemaligen DDR noch weitere zwei Jahre, bevor dort in Chemnitz und Berlin die beiden Gottesdienste gefeiert werden konnten, in denen die Kirchengemeinschaft vollzogen wurde.
Es ist sinnvoll, sich heute dieses langen Zeitraumes zu erinnern. Und das besonders in unseren Tagen, in denen hinsichtlich der Gemeinschaft mit anderen Kirchen leicht der Atem ausgehen will, obwohl zwischen uns und ihnen schwer wiegende Differenzen in den Grundfragen des Glaubens zu bewältigen sind und deshalb einen langen Atem zu haben eigentlich notwendig wäre. In den zehn Jahren von 1977 bis 1987 haben in Deutschland zwischen November 1980 und Februar 1982 nur drei Gespräche stattgefunden, in deren Ergebnis den Kirchen die völlige Gemeinschaft empfohlen wurde. Den längeren Zeit-raum nahm ein umfassender Rezeptionsprozess in Anspruch, in dem nicht nur alle Ebenen innerhalb unserer beiden Kirchen beteiligt wurden, sondern in dem auch die zur Arnoldshainer Konferenz gehörenden Landeskirchen dem Dialogergebnis zustimmen und sich der Erklärung anschließen konnten, was mich besonders freut. In diesen Jahren haben wir, besonders konzentriert noch einmal 1985, theologisch weiter gearbeitet und unser gemeinsames Ver-ständnis des Evangeliums im Sinne der Leuenberger Konkordie vertieft. Dabei haben sich für uns alle auch neue Aspekte ergeben, die unser Glauben und Leben bereichert haben.
Es ist eine bemerkenswerte Fügung, dass dieser Gottesdienst in Stuttgart stattfindet. In Württemberg gab es 1982 die erste Vereinbarung zwischen der EmK und einer deutschen Landeskirche. Und mit dem Synodenbeschluss vom 26. Juni 1987 – als letztem in der AKf – war der Weg frei zur gegenseitigen Erklärung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Und ich freue mich sehr, dass wir dies heute deshalb als gemeinsamen Gottesdienst von UEK in der Nachfolge der AKf-Kirchen, VELKD und der EmK in dieser schönen Kirche der EmK feiern können.
Was ist das innere Geheimnis des ökumenischen Aufbruchs, den wir heute feiern? Ich sehe zwei wesentliche Faktoren, die unsere Grundhaltung bestimmt und damit zu dem erfreulichen Ergebnis geführt haben. Wir haben mit-einander sorgfältig auf das Zeugnis der Heiligen Schrift gehört, und wir waren offen, uns vom Heiligen Geist in ein Neues führen zu lassen. Diese Haltung soll uns auch in unserem Gottesdienst bestimmen und in der Zeit, die ihm folgt. Denn alles „wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet“ (I. Tim. 4,4).